Der Globale Süden stellt sich gegen Sanktionen

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Giorgio Romano Schutte2023
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Der Globale Süden stellt sich gegen Sanktionen

»Why Brazil does not deliver weapons to Ukraine«

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Geschrieben von Alexandra Sitenko

Bei te.ma veröffentlicht 10.05.2023

Geschrieben von Alexandra Sitenko
Bei te.ma veröffentlicht 10.05.2023

Der Krieg in der Ukraine habe offenbart, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs die Wahrnehmungen und Bestrebungen des Globalen Südens überhaupt nicht verstünden, behauptet der brasilianische Professor für Internationale Beziehungen Giorgio Romano Schutte. Denn sonst hätte es sie nicht überrascht, dass Länder wie Brasilien, Südafrika und Indien einen anderen Blick auf den Ukraine-Krieg haben. Das bedeute jedoch nicht, dass diese die russische Invasion unterstützen.

Der brasilianische Präsident Lula sorgte Mitte April 2023 für Empörung, als er den USA und Europa vorwarf, mit ihren Waffenlieferungen an die Ukraine zur Fortsetzung des Krieges beizutragen, statt Frieden zu fördern. Mit seiner Äußerung deutete er auch an, dass nicht nur Russland, sondern auch der Westen und die Ukraine selbst Verantwortung für den Krieg trügen. 

Schutte zufolge heißt das jedoch nicht, dass Brasilien Russlands Verhalten billige. Die Position Brasiliens erklärt er vielmehr mit einer generellen Unzufriedenheit des Globalen Südens mit der westlichen Politik nach, aber auch schon lange vor der Invasion Russlands. Der Westen solle verstehen, dass die Position der Nato-Staaten und ihrer Verbündeten in anderen Teilen der Welt nicht als die Stimme der internationalen Gemeinschaft, die eine auf Regeln basierende Ordnung respektiere, wahrgenommen werde. Denn die westlichen Staaten hätten die Regeln dieser Ordnung in der Vergangenheit selbst mehrmals verletzt.1 

Zum anderen äußert er sich kritisch über die Doppelmoral des Westens. Indien wurde zum Beispiel vorgeworfen, die Situation auszunutzen und seine Importe von russischem Erdöl zu günstigen Preisen zu erhöhen, wo doch westliche Öl- und Gaskonzerne selbst zur gleichen Zeit Rekordgewinne „auf dem Rücken der Ärmsten“ machten, wie der Generalsekretär der Vereinten Nationen Antonio Guterres Anfang August 2022 einräumte. Die US-amerikanische Rüstungsindustrie konnte in den vergangenen Monaten durch Waffenlieferungen an die Ukraine ebenso enorme Gewinne erzielen. Der Autor bezieht sich darüber hinaus auf den Glaubwürdigkeitsverlust Europas in Afrika, wo man auf der Suche nach Alternativen zu russischem Gas nun stark die Finanzierung fossiler Projekte vorantreibe und somit von der eigenen Klima- und Energiepolitik abkehre.2 

Die russische Diplomatie war, so Schutte, ihrerseits erfolgreich darin, die Unzufriedenheit des Globalen Südens und das mangelnde Verständnis des Westens dafür zu ihren Gunsten zu mobilisieren. Die Position der OPEC-Länder sei ein gutes Beispiel für den Erfolg der russischen Diplomatie. Im Oktober 2022 entschieden die erdölexportierenden Staaten, die Ölproduktion stark zu drosseln und die Rohölpreise in die Höhe zu treiben, was den Vorwurf aufkommen ließ, sie würden sich damit gegen den Westen und auf die Seite Russlands stellen. 

Zu guter Letzt müsse Europa verstehen, dass von der großen Mehrheit der nicht-westlichen Länder Russland nicht als die größte Sicherheitsbedrohung gesehen werde. Die Probleme seien vielmehr der Kampf gegen Armut, Hunger, Ungleichheit und die Klimakrise. Der Krieg in der Ukraine habe in den Ländern des Globalen Südens ein neues Bewusstsein dafür geschaffen, dass es vor allem an ihnen selbst liege, Antworten auf diese Herausforderungen zu formulieren. 

Fußnoten
2

Als Beispiele führt er die Bombardierung von Belgrad ohne UN-Mandat im Jahr 1999 an, die unilaterale Ausweitung des UN-Mandats durch die Nato in Libyen im Jahr 2011, den Irak-Krieg, der auf einer Lüge basierte, oder auch die Waffenexporte, etwa durch Deutschland, an Saudi-Arabien, das diese im Krieg gegen die Huthi-Bewegung im Jemen eingesetzt hat.

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Draghi bemühte sich im April 2022 beispielsweise intensiv um neue Gasabkommen mit Algerien, Ägypten, Angola, der Republik Kongo und Mosambik: https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/draghi-besucht-kongo-und-angola-um-gaslieferungen-zu-sichern/. Bundeskanzler Olaf Scholz kündigte im Mai 2022 an, im Senegal neue Gasförderprojekte zu unterstützen: https://www.tagesspiegel.de/politik/geplantes-projekt-im-senegal-scholz-afrikanische-gas-plane-sorgen-fur-arger-8925991.html. Beim EU-Gipfel im Oktober 2022 soll er sich für die weltweite Erschließung neuer fossiler Gasfelder eingesetzt haben: https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/interne-eu-gipfel-dokumente-zeigen-massive-gas-foerderplaene-von-olaf-scholz-deutsche-umwelthilfe-for/

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