Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung

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Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung

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Geschrieben von Eva von Grafenstein

Bei te.ma veröffentlicht 24.01.2023

te.ma DOI 10.57964/3h62-a596

Geschrieben von Eva von Grafenstein
Bei te.ma veröffentlicht 24.01.2023
te.ma DOI 10.57964/3h62-a596

Wer sich mit der Frage befasst, worin Bildung besteht, kommt an der Studie Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung von Reinhart Koselleck nicht vorbei. Wohl informiert und mit geschichtlichem Feinsinn geht er dem deutschen Bildungsbegriff und dessen historischer Semantik auf die Spur.

Koselleck vertritt die These, dass der Bildungsbegriff in keine bündige Definition gebracht werden könne, da er immer in gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Funktionszusammenhängen stehe, die sich im Zeitverlauf verändern. Der Begriff der Bildung sei somit höchst dynamisch, auch wenn viele seiner strukturellen Merkmale diesen Veränderungen standhalten und bestehen bleiben. In der Geschichte des deutschen Bildungsbegriffes macht Koselleck drei Etappen aus: 

Die erste Etappe bildet das Spätmittelalter, in dem der Bildungsbegriff nicht bürgerlich oder politisch, sondern theologisch konzipiert worden sei. Koselleck verweist auf die aktive Bedeutung des deutschen Wortes „bilden“, nämlich des Schaffens und Formens, die sich auch in der Schöpfungstheologie wiederfinde, nach der Gott den Menschen nach seinem Bilde schuf. Bildung bedeutete damals „Deificatio“ (wörtlich „Gottwerdung“), also das Wissen des Menschen, wie er an Gott teilhaben kann. 

Koselleck bezeichnet das 18. Jahrhundert, das Zeitalter der Aufklärung, als zweite Etappe. Der Bildungsbegriff erhielt zu dieser Zeit eine aufgeklärt-pädagogische Motivation: Der Mensch solle erzogen und ausgebildet werden. Er solle seine Naturanlagen entfalten und durch standesspezifische Erziehung soziale und politische Aufgaben übernehmen. 

Auf die dritte Etappe, die das 19. Jahrhundert umfasst, geht Koselleck am ausführlichsten ein. In ihr beginnt die neuzeitliche Bildung, die auf den einzelnen Menschen und dessen Persönlichkeitsentwicklung gerichtet sei. Bildung bedeutete zu dieser Zeit Selbstbildung bzw. Selbstentfaltung, die die aktive Lebensführung (vita activa) voraussetzte. Allgemeine Grundzüge des Bildungsbegriffes waren zudem eine gewisse Religiosität bzw. säkulare Gläubigkeit, die sich durch Offenheit für inhaltlich verschieden besetzbare Weltanschauungen auszeichnete. Außerdem sei der neuzeitliche Bildungsbegriff durch drei Faktoren gekennzeichnet: Erstens, dass sich alle politischen Richtungen auf ihn berufen konnten. Zweitens, dass er auf alle Volksschichten ausgedehnt werden konnte. Und drittens, dass er mit Arbeit zusammengeführt wurde in dem Sinne, dass jede Arbeit bildet

Koselleck zeigt uns, dass der Bildungsbegriff ein höchst veränderbarer Begriff ist, der sich nicht ohne weiteres auf bestimmte Inhalte festlegen lässt. Vielmehr sei er „als eine geschichtliche einmal entstandene Herausforderung“ anzusehen, „die ständig neue Antworten provoziert“ und deshalb ständig diskutiert werden muss.

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