Als Ecuador im Jahr 2008 die Rechte der Natur in den Artikeln 71, 72 und 73 seiner neuen Verfassung aufgenommen hatte, waren die Hoffnungen von Umweltschützer*innen auf eine Besserung der akuten Zerstörung der Natur des Landes groß. Diese Hoffnung bezeugen unter anderem 14 Gesetze, 55 Gerichtsurteile und andere rechtliche Dokumente, die sich auf diese Rechte beziehen. Ebenso groß war dann die Ernüchterung in den ersten paar Jahren. Die Rechte konnten den Raubbau an der Natur nicht stoppen. Die Regierung unter Präsident Rafael Correa, der 2007 die verfassunggebende Versammlung einberufen hatte, war mehr am Wirtschaftswachstum durch erdölfördernde Industrien und Bergbau interessiert als am Schutz der Natur. Erste erfolgreiche Gerichtsurteile für die Rechte der Natur wurden durch die Regierung instrumentalisiert und konnten dem voranschreitenden Raubbau nicht viel entgegensetzen.
Dies änderte sich 2017, als mit Lenin Moreno Correas Stellvertreter Präsident wurde. Im Kampf gegen die Korruption seines Vorgängers setzte er sich für eine unabhängigere Judikative ein. Dies führte Anfang 2019 zur Etablierung eines neuen Verfassungsgerichtshof, der sich seitdem wiederholt den weiterhin
Ein harmonisches Miteinander von Mensch und Umwelt
In ihrem Artikel fassen Kauffman und Martin diese Entwicklungen zusammen. Zunächst stellen sie fest, dass es durch das neue Gericht einen starken Anstieg an Umweltschutzklagen gab. Mehr als die Hälfte der 55 Urteile, die diese entschieden, wurden im Zeitraum 2019-2022 gefällt. In mehreren dieser Fälle stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Rechte der Natur mit allen anderen Verfassungsprinzipien vernetzt seien. Eines davon ist das Sumak Kawsay – auch bekannt als Buen Vivir, zu Deutsch Gutes Leben – einer indigenen Philosophie, welche sich gegen die neoliberale Logik des grenzenlosen Wachstums und Konsums und für ein harmonisches Miteinander zwischen allen menschlichen und nicht-menschlichen Gemeinschaften ausspricht.
In Bezugnahme auf diese Philosophie baute das Gericht sukzessive ein Prinzip auf, das auf dem Gleichgewicht zwischen einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verträglichkeit beruht. Dieses Prinzip informiert und lenkt staatliche wie private Entscheidungen. Außerdem verbietet und bestraft es sie gegebenenfalls. Durch das Prinzip soll ein „
Der Verfassungs- aber auch andere Gerichtshöfe bezogen sich bei dieser Normsetzung insbesondere auf das Recht der Natur, zu existieren, das Recht, ihren natürlichen Zyklen zu folgen, sowie das Recht auf Wiederherstellung bei Zerstörung. Zuspruch gab es auch von der indigenen Bevölkerung, welche die Rechte der Natur zunehmend als Bündnispartner für die eigene Selbstbestimmung und Emanzipation entdeckten. Diese Erkenntnis kontrastiert mit diversen Autor*innen, welche die Konflikte zwischen Menschen- und Naturrechten hervorheben.
Ein Durchbruch für die Rechte der Natur
Die Erfolge dieses
Die Rechte der Natur werden vielfach als eine abstrakte Utopie dargestellt. Kauffmans und Martins Studie zeigt jedoch, dass Ecuador wesentliche Schritte zu ihrer Realisierung getätigt hat. Die Zukunft wird zeigen, wie sehr sich dieser Erfolg auch auf andere Länder ausweiten kann. Im Allgemeinen wird es spannend sein, zu sehen, wie lange die Diskrepanz zwischen einer Judikative, die sich, wie im Falle Ecuadors, kontinuierlich gegen die Interessen der Exekutive stellt, funktionieren kann. Weitere Fragen betreffen das Spannungsverhältnis zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Naturschutz sowie der Kompatibilität zwischen verschiedenen Formen der Natur, wie beispielsweise dem Unterschied zwischen individuellen Tieren und kollektiven Arten. Konflikte gibt es nichtsdestotrotz seit jeher, auch innerhalb der Menschenrechte. In der derzeitigen Verfassung der planetaren Gesundheit mag eine etablierte Vertretung der Natur trotz aller Bedenken vorsichtigen Anlass zur Hoffnung geben.