Die Geschichte der Rechtspersönlichkeit des Whanganui nahm ihren Anfang im Jahr 1840. Damals unterschrieben Vertreter*innen der Māori – der indigenen Bevölkerung
Kritik am Vertrag gab es von Beginn an. Es benötigte jedoch 135 Jahre, bis sich eine systematische Aufarbeitung institutionalisierte. 1975 gründete der Staat eine dafür zuständige Untersuchungskommission: das Waitangi-Tribunal. Dieses leitete und überwachte verschiedene Formen der Wiedergutmachung. Beispielsweise wurde 1987 te reo Māori offizielle Amtssprache des Landes. Viele Orts- und Behördennamen, aber auch Gesetzestexte, sind neben Englisch auch auf te reo Māori verfasst – mit einer Bevorzugung der indigenen Bezeichnung. Infolge des Tribunals entstanden auch Gesetze und weitere rechtliche Dokumente, die eine Beilegung der historischen Streitigkeiten begleiteten. Manche von ihnen erkennen die indigene Tradition an, Flüsse und Berge als lebendige Vorfahren der jetzigen Generationen anzusehen. Im Rahmen dieser Anerkennung wurden einige von ihnen eine Rechtspersönlichkeit. Viele Expert*innen zählen diese Fälle zu den Rechten der Natur.
Das bekannteste Beispiel dieser Dokumente ist der sogenannte Te Awa Tupua (Whanganui River Claims Settlement) Act 2017. „Te Awa Tupua“ bedeutet das „unteilbare und lebendige Ganze“ des Flusses. Der englische Untertitel „Beilegung von Ansprüchen am Whanganui Fluss“ steht dabei – sich bewusst unterordnend – in Klammern.
Die Kawa als neue Gesetzeslogik
Anstelle der Rechte der Natur stellen die Autor*innen andere Aspekte in den Vordergrund: Das erste Beispiel bezieht sich auf einen relationalen legalen Pluralismus, also eine Gleichzeitigkeit verschiedener Gesetzeslogiken. Für die vom Gesetz betroffenen Gebiete orientiert sich dieser Pluralismus nicht wie bisher ausschließlich an westlichen Prinzipien. Das neue Paradigma orientiert sich an der Kawa, der Gesetzeslogik der Māori. Deren Etablierung sehen die Autor*innen als „einen Akt des Widerstands und der Behauptung der [indigenen] Autorität“. Die Kawa kontrastiert mit dem Konzept von „Nachhaltigkeit“, welches als übermäßig westlich angesehen wird, und bevorzugt einen Fokus auf „Beziehungen“ und die indigene Logik des „natürlichen Überflusses“. Diese sieht Menschen als Teil der Natur an und erlaubt explizit die angemessene Nutzung von Rohstoffen.
Als zweites Beispiel beschreiben die Autor*innen die Etablierung eines neuen Gremiums namens Te Kōpuka nā Te Awa Tupua. Dieses befasst sich mit der Strategieentwicklung für die gegenwärtige und zukünftige Nutzung des Whanganui. Das Gremium setzt sich aus 17 Stakeholdern zusammen, die verschiedene Interessengruppen vertreten. Die Māori stellen dabei bis zu fünf Vertreter*innen sowie den Vorsitz und dessen Stellvertreter*in. Zwar wurden die Interessen der Māori auch vorher mit einbezogen, laut mehrheitlicher Meinung jedoch unzureichend.
Die Autor*innen werten diese verschiedenen Entwicklungen als „eine ‚Machtverschiebung‘ hin zu einem von der Kawa betriebenen Entscheidungsmodell“. Das Gesetz sei bedeutend für die stückweise Anerkennung indigener Standards. Es bleibt jedoch abzuwarten, wohin die nächsten Schritte gehen, denn bereits jetzt ist abzusehen, wie zeitaufwendig sie sind. Das Gesetz für den Whanganui trat im März 2017 in Kraft. Den ersten Entwurf zur Strategie gab es erst knapp sechseinhalb Jahre später, im September 2023. Eine weitere offene Frage ist die recht kritische Einstellung der Autor*innen zu den Rechten der Natur. Im Text verallgemeinern Cribb, Macpherson und Borchgrevink diese als ein ausschließlich den