Betrachtet man, wie wir Menschen mit der Natur in den verschiedenen Regionen der Welt umgehen, könnte man denken, dass die Ressourcen unseres Planeten im Überfluss und grenzenlos zur Verfügung stehen. Tatsächlich konnten seit den 1950er Jahren durch technische Fortschritte sozioökonomische Zugewinne beispielsweise in Bezug auf Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Transport oder Telekommunikation erzielt werden. Auch demographische Indikatoren wie beispielsweise die durchschnittliche Lebenserwartung oder weltweite Kindersterblichkeit verbesserten sich in diesem Zeitraum auf beeindruckende Weise.
Schaut man sich heute allerdings die internationalen Schlagzeilen, aktuellen geopolitischen Entwicklungen, globalen Krisen und Nöte an, scheint sich ein Umkehrtrend abzuzeichnen. Die sozioökonomischen Entwicklungen im Verlauf des letzten Jahrhunderts wurden begleitet von sich ebenso rasant verschlechternden Trends des Erdsystems wie beispielsweise die Anreicherung von atmosphärischen Treibhausgasen, steigender Erderwärmung, Entwaldung, Landnutzung und dem Verlust der Artenvielfalt.
Wie sich zeigt, stehen natürliche Ressourcen nicht endlos zur Verfügung. Das planetare Ökosystem weist tatsächlich Grenzen der Belastbarkeit auf.
Mit diesen planetaren Belastungsgrenzen beschäftigt sich seit einigen Jahren ein internationales Forscherteam am Stockholm Resilience Center um den Resilienzforscher Johan Rockström. Erstmals im Jahr 2009 beschrieb das Forscherteam das Konzept der planetaren Belastungsgrenzen (Planetary Boundaries) in dem Fachartikel A safe operating space for humanity. Die Forscherinnen und Forscher definieren darin neun biophysikalische Systeme und Prozesse der Erde, die gemeinsam einen sicheren Handlungs- beziehungsweise Lebensraum für menschliches Wohlbefinden und Entwicklung ermöglichen – also Grenzen, die eingehalten werden müssen, damit die Lebensgrundlagen für den Menschen gewahrt bleiben. Dazu zählen neben dem Klimawandel die Überladung mit neuartigen Substanzen, der Abbau der Ozonschicht in der
Der Taumel vom Holozän ins Anthropozän
Seit der letzten Eiszeit vor etwa 11.000 Jahren bescherte die relativ stabile erdgeschichtliche Epoche des
Bereits die 2009 erschienene Studie von Rockström et al. zeigte, dass drei der damals quantifizierbaren Belastungsgrenzen, nämlich der Klimawandel, die biogeochemischen Kreisläufe und der Zustand der Biosphäre, überschritten waren.
In der hier besprochenen Studie aus dem Jahr 2023 konnten erstmals alle neun Belastungsgrenzen quantifiziert und somit Aufschluss über deren eigentlichen Zustand gegeben werden. Waren es in der Studie von 2009 noch drei Belastungsgrenzen, befanden sich in einer Studie von 2015 bereits vier in einem alarmierenden Zustand. Die aktuelle Studie von 2023 zeigt, dass von allen neun quantifizierten Belastungsgrenzen sechs bereits überschritten sind: Dies betrifft den Klimawandel, die Überladung mit neuartigen Stoffen, die Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe (Stickstoff- und Phosphor-Kreisläufe), die Veränderung von Süßwasser-Systemen, die Veränderung der Landnutzung und den Zustand der Biosphäre.
Doch damit nicht genug: Werden diese Belastungsgrenzen überschritten, erhöht sich außerdem das Risiko großräumiger, abrupter und irreversibler Umweltveränderungen. In den Geowissenschaften spricht man in diesem Zusammenhang von sogenannten Schwellenwerten beziehungsweise
Durch das zunehmende Überschreiten der planetaren Belastungsgrenzen und von Kipppunkten im Erdsystem wird die Widerstandsfähigkeit unseres Planeten, seine
Die Menschheit auf der hausgemachten Kippe
Glaubt man der Studie, bedeutet dies, dass der Mensch sich zunehmend außerhalb dieser sicheren Grenzen befindet. Vor möglichen Folgen hatten die Forscherinnen und Forscher bereits 2009 gewarnt. Ein Verlassen dieses stabilen Zustandes werde eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit nicht nur gefährden, sondern auch dazu führen, dass sich Armut verschärft, gesunde Lebensbedingungen schwinden, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung und Stabilität sowie Gerechtigkeit und Frieden in Gefahr geraten – eine Entwicklung, die sich global, aber auch in Europa zunehmend abzeichnet.
Die direkten und indirekten Auswirkungen eines sich verändernden Klimas spüren wir in Deutschland in nahezu allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Unterschiedliche Sektoren sind regional unterschiedlich betroffen. Eine sektorspezifische Übersicht gibt das Umweltbundesamt. Nehmen wir beispielsweise den Gesundheitssektor: Die gesundheitlichen Folgen eines sich verändernden Klimas sind für jede einzelne Person am eigenen Leib zu spüren. Direkte und indirekte gesundheitliche Auswirkungen durch Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, Luftverschmutzung, zunehmende Krankheitserreger, aber auch die Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit sind einige Beispiele. Im Lancet Countdown: Tracking Progress on Climate Change and Health-Bericht wird regelmäßig über diese Zusammenhänge – auch für Deutschland – informiert.
Die Forscherinnen und Forscher betonen daher, dass es essentiell wichtig sei, das Klima und die verschiedenen Ökosysteme der Erde als ein planetares System und die enge und komplexe Verbundenheit von Mensch und Erde zu verstehen.
Dass ein Umlenken zum Schutz der planetaren Belastungsgrenzen möglich ist, verdeutlicht das Beispiel der Ozonschicht. In der Vergangenheit war der Abbau der stratosphärischen Ozonschicht bereits regional überschritten. Durch gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Industrie, verankert im Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht von 1987, konnte jedoch eine Trendumkehr erreicht werden. Seitdem baut sich die Ozonschicht langsam wieder auf.
Die Schlussfolgerung ist daher alternativlos, wenn wir uns selbst nicht weiterhin gefährden wollen: Zusätzlichen Druck auf das System Erde gilt es zu vermeiden. Die planetaren Grenzen müssen durch aktiven und konsequenten Klima- und Umweltschutz bewahrt werden. Davon ist abhängig, wie unser Leben auf der Erde in Zukunft aussehen und wieviel Wohlbefinden möglich sein wird.