Inflation

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Inflation – nur wenige Phänomene betreffen jeden Menschen so unmittelbar und bleiben doch so unzugänglich wie das der Geldentwertung. Das mag daran liegen, dass das Rätsel der Ursachen und des Auswegs aus der Inflation unweigerlich mit Fragen der „richtigen“ Wirtschaftspolitik verbunden ist. Hinter diesen Fragen verbirgt sich nicht nur die empirische Wirtschaftsforschung, sondern ganze Denkgebäude der Politischen Ökonomie, politische Lager, historische Erfahrungen, ja sogar philosophische Grundannahmen darüber, was Wirtschaft und das „gute Leben“ eigentlich bedeuten.

Kontroversen um Inflation berühren also fundamentale Gesellschaftsfragen: nach Gewinnern und Verlieren, Lastenträgern und Bedürftigen sowie Krise und nachhaltigem Wirtschaften.

Dabei wurde der Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunächst eine deflationäre Zukunft vorhergesagt. Die Diagnose einer „säkularen Stagnation“ (Larry Summers), also eines langanhaltenden Zustands mit geringer Nachfrage, fehlenden Investitionen und keinem oder lediglich niedrigem Wirtschaftswachstum, legte ein 21. Jahrhundert ohne großen Inflationsdruck nahe. Mit der Krise der Globalisierung, Lieferkettenengpässen während der COVID-19-Pandemie und dem russischen Krieg gegen die Ukraine scheint sich nun das Blatt gewendet zu haben: Die Inflation ist zurück – und mit ihr altbekannte und völlig neu gelagerte Kontroversen.

Jagt nach Jahrzehnten stagnierender Reallöhne wirklich eine zu hohe Nachfrage ein zu knappes Angebot? Und ist das eine Frage der Geldmenge oder nicht doch der Verteilung von Einkommen und Vermögen? Oder wurden vor dem Hintergrund Sieges der neoliberalen Wirtschaftsordnung seit den späten 1970er Jahren nicht vielmehr systematisch Produktionskapazitäten reduziert und Lieferketten über den gesamten Globus gestreckt? Ergreifen gar Unternehmen mit großer Marktmacht und wenig Konkurrenz nur die Gunst der Stunde, um im Durcheinander der „Polykrise“ (Adam Tooze) überdurchschnittliche Preise verlangen können?

All diese Fragen zeigen: Ein Kanal zur Inflation auf te.ma muss mehr als eine rein wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung um die Ursachen post-pandemischer und kriegsbedingter Preissteigerungen sein. Denn die Suche nach den Ursachen ist untrennbar mit der Konzipierung notwendiger Gegenmaßnahmen verbunden – und damit hochpolitisch. Müssen etwa hauptsächlich die Lohnempfänger leiden, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dem knappen Angebot angepasst werden soll? Oder liegt die Verantwortung bei den Unternehmen, die doch eigentlich für ein ausreichendes Angebot sorgen sollten, wenn ihre Produkte und Dienstleistungen nachgefragt werden? Vielleicht lässt sich die Inflationsfrage aber auch entpolitisieren und durch kluge Zinspolitik managen, wie es die Zentralbanken der Welt seit der Globalen Finanzkrise 2008/9 versuchten.

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