Welche psychologischen Faktoren bedingen den Glauben an Falschinformationen? Und mit welchen Strategien können sie bekämpft werden? Anhand von rund 300 Fachartikeln hat ein Team um den Psychologen Ullrich Ecker die aktuelle Forschungslage systematisch aufbereitet. Sie kommen zu dem Schluss: Menschen glauben nicht einfach an Falschinformationen, weil ihnen der Zugang zu besserem Wissen fehlt. Tatsächlich scheine eine Reihe von grundlegenden kognitiven, sozialen und emotionalen Faktoren die effektive Aufklärungsarbeit zu erschweren.
Auf kognitiver Ebene spielt der sogenannte Wahrheitseffekt eine große Rolle. Dabei handelt es sich um eine klassische Annahme der kognitiven Psychologie. Demnach sprechen Menschen ganz generell denjenigen Aussagen einen größeren Wahrheitsgehalt zu, die sie schon einmal gehört haben. Dieser Effekt wird zum einen verstärkt, je öfter die Botschaft wiederholt wird. Zum anderen, wenn die Botschaft möglichst einfach zu verstehen ist und sich mit möglichst wenig Anstrengung in das bestehende Weltbild integrieren lässt.
Der lange Einfluss von Falschinformationen
Ist die Falschinformation erst einmal im Kopf, bekommt man sie – auch wider besseren Wissens – nur schwer heraus. Selbst wenn ein Irrglaube korrigiert wird und Menschen diese Korrektur übernehmen, konnte in verschiedenen Experimenten gezeigt werden, dass die Falschinformation das Denken und Handeln von Menschen weiter beeinflusst. Die kognitive Psychologie spricht hier vom Continued Influence Effect (CIE).
Die Forschung geht aktuell davon aus, dass falsche Informationen bei einer Korrektur nicht gelöscht oder überschrieben werden können. Stattdessen scheinen die Falschinformation und die Korrektur in der Erinnerung zu koexistieren und miteinander um Aktivierung zu „konkurrieren“. Einige Studien kommen sogar zu dem Schluss, dass Korrekturen oft nur als Markierungen der ursprünglichen Falschinformation abgespeichert werden. Sie knüpfen sich dort gewissermaßen an. Wenn dies stimmt, wäre die fatale Folge, dass die Korrektur nicht ohne die Falschinformation aufgerufen werden kann. Jedes Mal, wenn man sich an die richtige Information erinnert, taucht auch die Falschinformation wieder aus den Tiefen des Gedächtnisses auf.
Solche Vorgänge mag man aus dem eigenen Erleben kennen – wer etwa einmal eine Vokabel falsch gelernt oder den Namen einer Person falsch gelernt hat, weiß, wie hartnäckig sich derartige Fehler im Gedächtnis halten und oft jahrzehntelang „neben“ der korrekten Information bestehen bleiben können. Ebenso hartnäckig können sich politische Mythen in der Welt halten.
Weniger kritische Überprüfung bei emotionalen Schlagzeilen
Viel diskutiert wurde in den letzten Jahren auch die Rolle von Emotionen. Tatsächlich bestätigt die aktuelle Forschung, dass Menschen, wenn sie mit stark emotionalisierten Schlagzeilen konfrontiert werden, die Vertrauenswürdigkeit der Quelle weniger überprüfen. Weniger bekannt ist, dass auch der emotionale Zustand der Empfänger eine Rolle dabei spielen könnte, wie anfällig sie für Falschinformationen sind. Interessanterweise kommen aktuelle Studien hier eher zu dem Schluss, dass glückliche Menschen stärker anfällig für Täuschung und die oben diskutierten Wahrheitseffekte sein könnten.
Umgekehrt kann Traurigkeit der aktuellen Studienlage nach nicht nur besser vor anfänglichen Fehlinformationen schützen, sondern auch die Überprüfung erleichtern. In einer Studie hat sich etwa gezeigt, dass Menschen am Rande einer Depression Fehlinformationen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe deutlich effizienter korrigieren konnten – vermutlich, weil depressive Menschen besonders empfänglich für negative Botschaften sind. Sie lassen unangenehme Wahrheiten eher an sich heran als glückliche Menschen. Wut und Angst hingegen können Aufklärung erschweren.
Besonders schwer sind Falschinformationen zu korrigieren, die an ein Weltbild und eine entsprechende Identität anknüpfen. Menschen mobilisieren hartnäckige psychische Abwehrkräfte, um Wahrheiten fernzuhalten, die die eigene Identität in Frage stellen. Wer sich also persönlich stark über seine Identität als Impfgegner definiert, wird nur schwer vom medizinischen Vorteil von Impfungen zu überzeugen sein. Aktuell werden sogar mögliche „Backfire“-Effekte diskutiert: Die Abwehrmechanismen sind möglicherweise bei einigen Leuten so stark ausgeprägt, dass Aufklärungskampagnen sogar eine gegenteilige Wirkung haben könnten. Allerdings ist die Forschungslage hier uneindeutig. Die Autoren der Studie raten: die Sorge vor möglichen „Backfire“-Effekten sollte Versuche von Aufklärung nicht zurückhalten.
Für die Konzeption von Fact-Checking-Kampagnen leitet die Studie eine Reihe von praktischen Hinweisen aus den Forschungsergebnissen ab. Beim „Debunking“, also der nachträglichen Korrektur von Falschinformation, raten die Autoren zu einer Argumentionsstruktur aus Fakt, Mythos, Aufklärung und Wiederholung des Fakts.
Angabe einer plausiblen Alternative immer effektiver als eine einfache Verneinung
Bei der Darstellung des Faktes ist die Angabe einer plausiblen Alternative immer effektiver als eine einfache Verneinung. Zudem ist diese Erklärung umso effektiver, je detailreicher sie ist. Die Falschinformation sollte zudem niemals ohne eine Warnung genannt werden – und wenn möglich nur einmal, um Wahrheitseffekte nicht durch Wiederholung zu verstärken. Für die beispielhafte Falschinformation „Der katastrophale Waldbrand wurde durch Brandstiftung verursacht“ schlagen die Autoren folgende Korrektur vor:
„Der anfängliche Verdacht war falsch: Es ist nicht wahr, dass der Waldbrand durch Brandstiftung verursacht wurde. Grund war ein Blitzschlag. Ermittler haben den Brandherd untersucht und es gab keine Hinweise auf Brandstiftung; allerdings wies der Ort Anzeichen für einen trockenen Blitzeinschlag auf. Dies wurde durch Daten des meteorologischen Dienstes bestätigt, die zeigen, dass zu dieser Zeit an diesem Ort ein Blitzeinschlag stattfand.“
Deutlich wird hier vor allem, wie oft der Fakt gegenüber der Falschinformation genannt wird. Auch für soziale und emotionale Fallstricke geben die Autoren Hinweise. Sie raten, bei der Aufklärungsarbeit möglichst an die Weltbilder und Identitätskonstrukte des Gegenübers anzuschließen. Beispielsweise über wirtschaftliche Chancen der Energiewende in ein Gespräch über den Klimawandel zu gelangen. Dort, wo Wut oder Angst die Aufnahme von Gegeninformation blockieren, sollte versucht werden, derartige Emotionen aufzulösen. Beispielhaft zeigen die Autoren dies anhand der Falschinformation „Covid-Impfungen töten Menschen“ auf. Hier könnte etwa mit einer Vorrede über Risikoabwägung begonnen werden:
„Die meisten Dinge, die wir tun, sind mit einem gewissen Risiko verbunden; dennoch lassen wir uns von kleinen Risiken nicht durch Angst lähmen. Auch wenn wir Risiken nicht ganz ausschalten können, wählen wir natürlich das geringere Risiko, wo immer es möglich ist. Die meisten Menschen würden beispielsweise in ihr Auto springen, um einem Waldbrand zu entkommen, auch wenn das Risiko eines tödlichen Autounfalls nicht ausgeschlossen werden kann. Ebenso ist für die meisten Menschen das Risiko einer COVID-Infektion viel höher als das Risiko einer Impfung.“