Südafrika wurde seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine im Februar 2022 des Öfteren von der deutschen Politik aufgesucht: Im Mai 2022 reiste der Bundeskanzler nach Pretoria, Anfang Dezember 2022 folgte der Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck und am 26. Juni 2023 flog die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock nach Kapstadt und Pretoria. Neben energiepolitischen Fragen ging es dabei auch um das Thema Ukrainekrieg. Die Position Südafrikas in diesem Konflikt hat im Westen zu Irritationen geführt. Ähnlich wie im Falle Brasiliens schien dieser davon auszugehen, dass Südafrika als eine liberale Demokratie, die sich für eine regelbasierte multilaterale Ordnung engagiert, die russische Invasion klar verurteilen würde. Stattdessen war die Haltung des Landes gegenüber Russlands Krieg in der Ukraine von Beginn an inkonsistent.
Unmittelbar nach der Invasion richtete das südafrikanische Außenministerium zwar deutliche Worte nach Moskau, indem es Russland aufforderte, seine Streitkräfte im Einklang mit der UN-Charta unverzüglich aus der Ukraine abzuziehen und die Notwendigkeit der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität der Staaten betonte. Später im März 2022 aber weigerte sich Präsident Cyril Ramaphosa, Russland zu verurteilen, und beschuldigte stattdessen die Nato, den Konflikt durch ihre unaufhaltsame Osterweiterung provoziert zu haben. Auf der Dringlichkeitssitzung der UN-Generalversammlung am 2. März enthielt sich Südafrika bei der Abstimmung über die Resolution zur Verurteilung Russlands. Im Februar 2023 fanden die gemeinsamen Militärübungen mit Russland und China statt, die die ukrainische Botschafterin in Südafrika als „verstörend“ bezeichnete.
Elizabeth Sidiropoulos und Steven Gruzd sehen die wesentlichen Gründe dafür in der außenpolitischen Tradition des Landes. Zum einen habe es sich seit der Einführung der Demokratie im Jahr 1994 um eine unabhängige Außenpolitik bemüht, sich für einen reformierten Multilateralismus eingesetzt sowie seine Identität als ein Land des sogenannten Globalen Südens hervorgehoben. Wie beide betonen, gebe es bestimmte Themen, die Südafrika sehr wichtig seien, wie etwa die
Zum anderen, und das ist die zentrale These der Analyse, habe die russische Invasion das Konzept der
Diesem Argument widerspricht allerdings der in Johannesburg ansässige Analyst Eusebius McKaiser, indem er kritisiert, dass Südafrika es immer wieder versäumt habe, zu erklären, was seine Doktrin der Blockfreiheit konkret bedeute. Die Unzufriedenheit mit der Hegemonialstellung der USA in der Welt rechtfertige seiner Meinung nach nicht, dass man den illegalen Krieg Russlands auf diese Weise billige.
Zumindest auf einen Teil von McKaisers Kritik liefert die Analyse von Sidiropoulos und Gruzd eine Antwort. Dabei greifen sie die Statements der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor vom 8. April 2022 auf, die sagte, dass sich Südafrika und andere Mitglieder des Globalen Südens dagegen wehren würden, in die Politik der Konfrontation und Aggression, die von den mächtigen Ländern geführt werde, verwickelt zu werden. Stattdessen wollen sie „eine friedliche Lösung des Konflikts durch Dialog und Verhandlungen“ fördern. Diese Position stütze sich heutzutage auf die Annahme, dass für Länder wie Südafrika ein gerechteres multilaterales System die besten Rahmenbedingungen bieten könne, um ihre Entwicklungsziele zu erreichen.
Insgesamt ist die zentrale Erkenntnis der Analyse, dass der Krieg in der Ukraine die Entwicklungsländer vor die Notwendigkeit stellt, darüber nachzudenken, wie sie sich in einer geopolitisch polarisierten Welt positionieren sollen, ohne ihre wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Interessen durch Großmachtrivalitäten negativ beeinflussen zu lassen. Die Wiederherstellung der Blockfreiheit in einer polarisierten Welt auf eine Art und Weise, die die nationalen Interessen des Globalen Südens nicht gefährden, werde eine der wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen der nächsten Jahre sein.