SPECIAL INPUT: Pascal Lottaz

„Hätten wir Weltfrieden, bräuchten wir keine Neutralität.” Ein Gespräch mit Pascal Lottaz

Zahlreiche Staaten wollen sich im Ukraine-Krieg weder dem Westen noch Russland anschließen. Was steckt hinter der Wiederbelebung von Neutralität und Blockfreiheit in der internationalen Politik? Im Gespräch mit te.ma erklärt Pascal Lottaz, warum Neutralität einen so schlechten Ruf hat und wie sie zu einer friedlicheren Weltordnung beitragen kann.

Umbruch | Krieg | Europa

Pascal Lottaz ist Associate Professor für Neutralitätsstudien an der Universität Kyoto, wo er das Forschungsnetzwerk NeutralityStudies.com leitet. Zu seinen jüngsten Buchveröffentlichungen gehören u.a. „Neutral Beyond the Cold: Neutral States and the Post-Cold War International System“ (Lexington Books, 2022) und „Neutral Europe and the Creation of the Nonproliferation Regime: 1958-1968“ (Routledge, 2024). 

Die Fragen stellte Alexandra Sitenko aus dem Kuratorium des Kanals Umbruch | Krieg | Europa.

AS: Herr Lottaz, bis zu den Istanbuler Verhandlungen im März 2022 wurde die Frage der Neutralität für die Ukraine immer wieder diskutiert. Das Konzept wird aber auch benutzt, um beispielsweise die Position Indiens in Reaktion auf Russlands Angriff zu beschreiben. Das Land hat eine lange Tradition der Blockfreiheit. Was ist der Unterschied zwischen Neutralität und Blockfreiheit?

PL: Neutralität ist ein relativ alter Begriff. Normalerweise wird als Beginn des modernen Völkerrechts Hugo Grotius genannt, der seine Schriften Mitte des 17. Jahrhunderts verfasst hat. Der Neutralitätsbegriff taucht aber schon viel früher auf, nämlich in den ersten Verträgen zwischen Großmächten, den sogenannten Staatsverträgen, vor etwa 700 Jahren. Mit Grotius ist der Begriff ins Völkerrecht eingewandert und im 19. Jahrhundert fand er eine breite Verwendung sowohl in zwischenstaatlichen als auch in multilateralen Abmachungen. Die immerwährende Neutralität der Schweiz beispielsweise wurde 1815 in einem multilateralen Abkommen des Wiener Kongresses festgehalten. Das war das erste Mal, dass der Begriff in einem multilateralen Abkommen vorkam. 

Diese Entwicklung des internationalen Rechts endete mehr oder weniger 1918, als Krieg an sich für illegal erklärt wurde. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Neutralität ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts ist, dem zufolge der Krieg an sich nicht illegal war, sondern durch Kriegsrecht gezügelt werden sollte, was auch in den Haager Konventionen niedergeschrieben wurde. 

AS: Krieg ist heute nach wie vor völkerrechtlich geächtet. Dennoch bezeichnen sich einige Länder als neutral.

PL: Das Paradigma des 19. Jahrhunderts war nicht „Krieg ist illegal“, sondern „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Dieses Verständnis wurde erstmals mit der Erfindung des Völkerbundes und dem Kellogg-Briand-Pakt von 1928 abgeschafft. In der UN-Gründungsakte von 1945 wurde diese Idee abermals verankert. Dort sagte man, Krieg sei an sich illegal und deswegen gebe es ab jetzt keinen Krieg mehr. Diesem Prinzip zufolge sollte es die Neutralität heute gar nicht mehr geben. Nun besteht der Krieg in der Realität aber weiter und mit ihm auch die Neutralität. Neutralität ist also ein völkerrechtlicher Begriff, der ganz eng mit dem Begriff des Krieges zusammenhängt: Ohne Krieg gibt es keine Neutralität.

Ohne Krieg gibt es keine Neutralität. 


AS: Was unterscheidet die Blockfreiheit vom Prinzip der Neutralität?

PL: Blockfreiheit ist ein Begriff, der im Kalten Krieg entstanden ist. Vor 1948/49 gab es ihn nicht. Er gewann an Bedeutung, als sich ehemalige Kolonien nach und nach ihre Unabhängigkeit erkämpften und sich im Ost-West-Konflikt nicht positionieren wollten. Sie nannten sich nicht neutral, sondern einfach non-aligned, also bündnisfrei. 

Die neutralen Staaten – ein Überbleibsel des alten Paradigmas — und die Bündnisfreien wollten nicht wirklich miteinander assoziiert sein. Sie blieben sich sehr lange fern. In dieser historischen Konstellation hatte Jugoslawien einen ganz besonderen Platz. Es war ein europäisches Land ohne Kolonialgeschichte, hatte sich aber unter Tito sehr schnell mit bündnisfreien Staaten wie Indien, Indonesien und Ägypten verbrüdert und den Begriff der Bündnisfreiheit auch verwendet. Anders als die Neutralität war Bündnisfreiheit im politischen oder soziologischen Sinne eine Reaktion auf den Konflikt der zwei Supermächte. 

AS: Sie sagen, das Konzept der Neutralität geht im Wesentlichen auf das 19. Jahrhundert zurück, als der Krieg noch legitim war. War die Neutralität also vor allem ein europäisches Kriegsphänomen, während die Blockfreiheit als globale Bewegung weniger auf Kampfhandlungen, sondern auf einen ideologischen Konflikt reagierte?

PL: Die Neutralität ist insofern ein europäisches Konzept, als sie im europäischen Kulturraum und im Völkerrecht erfunden und von dort in die Welt getragen wurde. Die Blockfreiheit war und ist auch gegenwärtig ein eher außereuropäisches Phänomen, das sich immer im Kontext der Dekolonisierung verstanden hat. Sie stand dem europäischen Neokolonialismus entgegen und hat sich deshalb auch nie wirklich mit der Neutralität verbunden, obwohl beide Phänomene gleichzeitig existiert haben. Im Kalten Krieg haben die Schweiz und Österreich immer gesagt, sie seien neutral und nicht blockfrei, während Jugoslawien und Indien beteuerten, sie seien blockfrei und nicht neutral.

AS: Sie schreiben in einem Artikel, dass Neutralität oft als Reaktion auf heiße und kalte Konflikte entstanden sei. Der Ukraine-Krieg hat bisher eine Entwicklung in zwei gegensätzliche Richtungen ausgelöst: Schweden und Finnland geben ihre Neutralität auf, während sich viele Länder im sogenannten Globalen Süden demonstrativ unparteiisch verhalten, z.B. Brasilien. Wie ordnen Sie diese Entwicklung ein?

PL: Das ist eine wunderbare Frage. Mit Schweden und Finnland haben wir zwei Länder, die sich ursprünglich neutral nannten und Neutralität als Maxime ihrer Außenpolitik proklamiert hatten. Brasilien, Indien und auch Südamerika und Afrika als Großregionen bezeichnen wir erst heute als neutral. Sie selbst behaupten von sich nicht, offiziell neutral zu sein. Und erst recht haben sie keine außenpolitische Maxime dahingehend. 

Finnland und Schweden haben Neutralität immer je nach der großpolitischen Wetterlage in Europa verwendet. Schweden war nicht neutral, weil es neutral sein wollte, sondern weil es 200 Jahre lang keine Alternative hatte. Es hat mehrmals versucht, eine nordische Allianz aufzubauen, zum Beispiel unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg, aber das ist immer gescheitert. Finnland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg das Glück, dass es durch den Staatsvertrag mit der Sowjetunion und die offiziell erklärte Neutralität mehr Spielraum gewinnen konnte als die durch den Warschauer Pakt eng an die UdSSR gebundenen Satellitenstaaten Polen, Bulgarien und Ungarn. 

AS: Wie hat sich das nach dem Ende des Kalten Kriegs geändert?

PL: In den letzten dreißig Jahren haben sich Finnland und Schweden politisch der Nato angenähert. Beide haben den Begriff Neutralität bereits in den frühen Nullerjahren aus ihren außenpolitischen Dokumenten gestrichen und durch Blockfreiheit ersetzt. Komischerweise fand damit eine historisch umgekehrte Entwicklung statt: Sie sind in Friedenszeiten blockfrei geblieben, um nach Kriegsausbruch in Europa einem Block beizutreten. 

Im Gegensatz dazu haben Brasilien, Indien und einige afrikanische Länder nie gesagt, sie seien neutral. Sie haben in der aktuellen Situation einfach kein Interesse daran, sich auf eine der beiden Seiten zu stellen. Das ist eine ur-neutralistische Grundhaltung. Demgegenüber stehen Schweden und Finnland, die ideologisch in die transatlantischen Beziehungen eingebunden sind und sich als Teil des Westens verstehen. Dieser lehnt den Krieg als Mittel zur gewaltsamen Grenzverschiebung ab, indem er in einem extrem moralistischen Framing Demokratie gegen Imperialismus zu verteidigen glaubt. Dieses Verständnis teilen die ehemals kolonialisierten Länder allesamt nicht. Sie empfinden es vielmehr als Ausdruck von westlichen Doppelstandards. Denn zum einen hat der Westen beispielsweise mit der Abspaltung Kosovos von Serbien selbst eine völkerrechtswidrige Grenzverschiebung betrieben. Zum anderen haben Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika jahrhundertelang unter dem europäischen Kolonialismus gelitten, der dem genauen Gegenteil der heute proklamierten Maxime entsprang. 

AS: Ist eine neutrale Ukraine mittlerweile ein unrealistisches Szenario oder sehen Sie eine Nachkriegskonstellation, in der diese Option noch einmal diskutiert werden könnte? 

PL: Es bräuchte schon ein kleines Wunder, damit man jetzt noch über die Neutralität der Ukraine zu einer Lösung kommt. Diese Möglichkeit hat bis Ende März 2022 bestanden. Ursprünglich war die Ukraine ein neutraler Staat zwischen der Nato und Russland und wurde nach dem Ende des Kalten Krieges auch als solcher konzipiert, als Diplomaten und Politiker in den 1990er Jahren die Nato-Russland- und Nato-Ukraine-Kooperation entwickelten. Diplomaten wie Jack Matlock, der letzte US-Botschafter in der Sowjetunion, waren sich bewusst, welche Bedeutung die Ukraine für Russland hat.1 Sie wurde als eine Art Pufferstaat verstanden. 

Die Ukraine hatte bis 2014 einen Neutralität-Passus in ihrer Verfassung. Nach der Absetzung von Viktor Janukowitsch 2014 kam es zur Annexion der Krim durch Russland und daraufhin hat die neu an die Macht gekommene Pro-Nato-Regierung in Kyjiw den Neutralitätspassus aus der Verfassung gestrichen und durch das Ziel einer Nato-Mitgliedschaft ersetzt. In dem im März 2022 ausgearbeiteten Friedensvertrag soll es eine provisorische Abmachung zur Neutralität gegeben haben. Dann passierte das Massaker von Butscha und dieser Ansatz wurde begraben. Ich will nicht sagen, dass Butscha der Grund dafür war. Ich will nur ausdrücken, dass das zusammen stattgefunden hat, und im Westen das Narrativ aufkam, man könne mit Russland gar nicht verhandeln, weil es Kriegsverbrechen begeht. 

AS: Was für ein Ausweg aus dieser Situation ist jetzt noch denkbar?

PL: Ich glaube, dass die Russen die Nato tatsächlich als eine echte Bedrohung wahrnehmen und vorhatten, eine neutrale oder blockfreie Ukraine als Puffer zu schaffen. Dieses Ziel haben sie meines Erachtens aufgegeben. Sie versuchen stattdessen das, was sie als das Ziel des Westens ansehen: eine harte Kontaktlinie. Eine ähnliche Situation gab es im Kalten Krieg. Österreich, dessen Neutralität 1955 ausgehandelt wurde, bildete eine weiche Kontaktlinie. Das gleiche Modell hatte Moskau damals für Deutschland. Der Westen hielt das jedoch für einen Trick, um ganz Deutschland kommunistisch zu machen, und lehnte den Vorschlag ab. Die Folge war ein gespaltenes Deutschland und eine harte Kontaktlinie mit Gewehren, die aufeinander zielten. In der Ukraine spielt sich die gleiche Tragödie ab. Eine neutrale Ukraine hätte ein zweites Österreich werden können. Nun bleibt eine harte Kontaktlinie und wahrscheinlich eine Teilung des Landes nach koreanischem Vorbild, also ohne Friedensvertrag, aber mit Waffenstillstand. 

AS: Wie ließe sich das konkret gestalten?

PL: Zum Beispiel mit einer demilitarisierten Zone mit Stacheldraht, Minenfeldern und Schusswaffen auf beiden Seiten, überwacht durch eine externe, neutrale Instanz wie die UN, inklusive internationaler Friedenstruppen, die diese Linie patrouillieren. Insgesamt sehe ich nur drei mögliche Szenarien: Sieg einer der beiden Seiten ohne Kontaktlinie, Verhandlungen mit Abkommen ohne Kontaktlinie und neutraler Ukraine, oder harte Kontaktlinie ohne Friedensabkommen, entlang derer beide Seiten „ihr” Territorium einzäunen und gegen Angriffe verteidigen.

AS: Es wird viel über Sicherheitsgarantien westlicher oder Nato-Staaten für die Ukraine gesprochen – ohne einen direkten Nato-Beitritt. Würde die Ukraine in diesem Fall als neutraler oder bündnisfreier Staat gelten? 

PL: Wenn wir von neutralen oder blockfreien Staaten sprechen, dann meinen wir immer Länder, die eine Form der Neutralität besitzen wollen. Wenn ein Staat das nicht will, dann wird er trotzdem versuchen, ein de facto militärisches Bündnis herzustellen, auch wenn das de jure keines wäre. So wie es im Moment aussieht, zielt die Ukraine auf so etwas ab. Denn ein Nato-Mitgliedsstatus für die Ukraine ist aus meiner Sicht unwahrscheinlich, weil die Ukraine dann jederzeit Artikel 5 aktivieren könnte, unter Verweis auf russische Truppen auf ihrem Gebiet im Osten und auf der Krim. Dass kein Staat im Kriegszustand aufgenommen werden kann, ist eine politische und keine rechtliche Entscheidung, denn die Nato-Gründungsakte schließt ein solches Szenario nicht aus. Die Nato-Staaten werden sich aber davor hüten, außer sie lassen sich auf einen offenen Krieg mit Russland ein. Das scheinen sie im Moment nicht zu wollen. Was ich mir gut vorstellen kann, ist, dass die Nato nach einem Waffenstillstand Garantien dahingehend ausspricht, dass sie, sollte Russland wieder einmarschieren, zurückschießen wird. 

AS: Sie haben sich mit neutralen Staaten auf der ganzen Welt beschäftigt. Was bringt Staaten dazu, Neutralität zu wählen oder diese aufzugeben? 

PL: So wie jede Außenpolitik basiert Neutralität auf den Interessen eines Staates in einer konkreten Situation. Das heißt, in dem Moment, in dem die Neutralität gewählt wird, ist sie das vielversprechendste Instrument, um die Ziele eines Staates oder, besser gesagt, der politischen Gruppe, die gerade an der Macht ist, zu erreichen. Neutralität wäre meiner Meinung nach das perfekte Mittel gewesen, um das Wohlergehen der Ukraine zu sichern. Denn in den 1990er und 2000er Jahren gab es in der ukrainischen Verfassung einen Neutralitätspassus, das Land balancierte ohne Krieg zwischen Russland und dem Westen hin und her. Erst als 2014 eine Regierung an die Macht kam, die Russland zum Feind erklärte und offen eine Nato-Mitgliedschaft anstrebte, hat Russland die Krim eingenommen, weil es das Risiko, den Hafen in Sewastopol zu verlieren, als zu groß einschätzte. Ob eine Neutralität auch nach 2014 den Frieden hätte sichern können, kann man — das gebe ich zu — auch anzweifeln. Aber es ist offensichtlich, dass die Aufgabe der Neutralität nicht den Frieden gesichert hat.

In den 1950er Jahren agierte der jugoslawische Präsident Tito anders: Er hatte kein Interesse daran, ein Juniorpartner von Stalin zu sein, und  hat sich über die Bündnisfreiheit Stück für Stück politisch von der Sowjetunion gelöst, ohne sie sich jedoch zum Feind zu machen. Im Moment gilt dasselbe für die blockfreien Staaten in Südamerika, Afrika und Südostasien.  Sie positionieren sich ganz klar außerhalb des Konflikts und wollen das auch so verstanden wissen. Hinzu kommt, dass viele dieser Länder sehen, wie sehr der Westen und die USA ihre wirtschaftliche Macht einsetzen und wie schnell man von Wirtschaftssanktionen getroffen werden kann. Insofern ist das auch eine Bewegung gegen Sanktionen als Machtinstrument. 

Blockfreiheit ist auch eine Bewegung gegen Sanktionen als Machtinstrument.


AS: Welche Staaten können wir heutzutage im klassischen Sinne überhaupt als neutral bezeichnen und in Bezug auf was oder wen? 

PL: Einerseits haben wir Länder, die Neutralität als Maxime ihrer Außenpolitik verwenden: die Schweiz, Österreich, Irland, Malta. Serbien hat seit 2007 die sogenannte militärische Neutralität als außenpolitische Leitlinie. Wir haben die Republik Moldau, die Neutralität offiziell in ihrer Verfassung stehen hat. Wir haben die Mongolei, die 2015 in der UN-Vollversammlung gesagt hat, sie habe eine neutrale Außenpolitik, auch wenn das nirgendwo formal festgeschrieben ist.

Dann gibt es Länder und Regionen, auf die man den Begriff Neutralität als ein analytisches Instrument anwenden kann. Damit meine ich Lateinamerika, Afrika und Südostasien. Im Moment scheinen einige Staaten die Blockfreiheitsbewegung zu reaktivieren. Sollte der Krieg weitergehen und sich die Konfrontation zwischen Russland und dem Westen sowie China und dem Westen zuspitzen, könnte sich diese Bewegung intensivieren und öffentlicher auftreten. China und Russland verstehen viel besser als der Westen, dass diese Länder kein Interesse daran haben, Teil dieses Konfliktes zu sein.

China und Russland verstehen viel besser als der Westen, dass der Globale Süden kein Interesse daran hat, Teil dieses Konfliktes zu sein.


AS: Das heißt, die neue Blockbildung zwischen den USA und der EU auf der einen sowie Russland und China auf der anderen Seite sorgt für eine Renaissance der Neutralität und Blockfreiheit? 

PL: Hätten wir Weltfrieden, bräuchten wir keine Neutralität. Die Unipolarität, wie wir sie in den letzten dreißig Jahren mit den USA als Großmacht hatten, hilft der Neutralität überhaupt nicht, weil nur einer die Regeln macht, an die sich dann alle anderen halten. Unter solchen Bedingungen ist Neutralität überflüssig. Mit der Bi- oder Multipolarität haben wir hingegen ein Umfeld, in dem kleinere oder mittlere Staaten in einem Konflikt nichts zu gewinnen haben. Meine Prognose ist daher, dass die Neutralität zurückkommen wird. Es wird allerdings viele Jahre brauchen, um sie wieder völkerrechtlich zu verankern. 

Es wird viele Jahre brauchen, um die Neutralität wieder völkerrechtlich zu verankern.


Man kann sich eine multipolare Konstellation mit den USA, Russland und China vorstellen. Diese Länder führen Stellvertreterkriege, bei denen andere Staaten gezwungen sein werden, sich zu positionieren oder eben zu sagen, sie bleiben neutral. Das sieht man gerade am Beispiel Indiens. Indien hat eigentlich ein Interesse, die USA an sich zu binden im Konflikt gegen China, hat aber überhaupt keine Lust, von den USA in einen Krieg gegen Russland hineingezogen zu werden oder sich den Kauf von günstigem Öl absprechen zu lassen. Aus solchen Konstellationen könnte sich erneut eine Art völkerrechtliches Neutralitätsverständnis herausbilden. Ich habe das Gefühl, wir gehen nicht auf einen neuen Kalten Krieg zu, sondern auf ein neues weltweites Konzert der Mächte, wie im 19. Jahrhundert, in dem Neutralität wieder wichtiger wird. 

AS: Die ehemals blockfreien Staaten Indien und Südafrika gehören zur Brics-Gruppe. Mehrere Staaten haben Interesse bekundet, dem Format beizutreten. Wie ordnen Sie diese Entwicklung aus einer Neutralitätsperspektive ein?

PL: Das Agieren dieser Staaten betrachte ich vor allem aus einer strategischen Perspektive. Die Brics-Staaten sind eine Gruppierung, die ein Interesse daran hat, ein Gegengewicht zu der seit Beginn des Kalten Krieges vorherrschenden wirtschaftlichen Macht der USA und des Westens zu bilden. Es geht darum, eine alternative globale Infrastruktur im Bankenwesen, der Kommunikation und der Währungspolitik zu schaffen. Bis vor Kurzem hatten wir noch ein relativ klares wirtschaftliches Gefälle, in dem ein Großteil der globalen wirtschaftlichen Infrastruktur von den USA, Europa und Japan bereitgestellt wurde. Diese Macht wurde eingesetzt, um politischen Druck auf Staaten wie Venezuela, Kuba oder den Iran auszuüben und sie durch Sanktionen von dieser globalen Infrastruktur abzukoppeln. Dem wollen die Brics entgegenwirken.  

AS: Sie sprechen auch vom Dilemma der Neutralität: Von beiden Konfliktparteien werden neutrale Staaten als „Verräter“ angesehen, weil sie jeweils mit dem Gegner kooperieren. Ist Neutralität lediglich eine taktische Maßnahme, die es erlaubt, sich Vorteile zu verschaffen, oder steckt dahinter auch die Erwartung an einen friedensstiftenden Effekt? Wieso hat Neutralität einen schlechten Ruf? 

PL: Neutralität hat vor allem in Kriegszeiten einen schlechten Ruf. Aus Sicht der kriegführenden Länder wollen neutrale Staaten lediglich profitieren. Das stimmt auch, denn wer neutral ist, hat natürlich auch wirtschaftliche Vorteile. Die Neutralität entstand vor 500 bis 600 Jahren im Mittelmeerraum, weil es immer wieder Stadtstaaten gab, die mit allen kriegführenden Parteien weiter Handel trieben. Aus diesem praktischen Grund hat man Stück für Stück Regeln festgeschrieben. Zum Beispiel wurde im 19. Jahrhundert diskutiert, womit man als neutraler Staat handeln darf. Es wurde das Kontrabande-Konzept entwickelt: Wenn ich versuche, Munition an die Engländer zu verkaufen, die in einem Krieg mit Russland sind, dürfen mir die Russen die Munition wegnehmen. Wenn ich aber Schweinefleisch nach England bringen möchte, das von Zivilisten konsumiert wird, ist das keine Konterbande und darf gehandelt werden. 

Die Frage der Handelsbeziehungen ist im Kern der Neutralität verankert. Es geht dabei nicht um einen Profit oder einen Missbrauch der Neutralität. Es ist Sinn und Zweck der Neutralität, Handel mit beiden Seiten weiterhin zu ermöglichen. Exakt das wollen die blockfreien Staaten gegenwärtig verteidigen. 

AS: Könnten neutrale Staaten heute eine stabilisierende Rolle in der globalen Sicherheitsarchitektur spielen, zum Beispiel als vertrauensschaffende Mediatoren?

PL: Staaten, die sich in Konflikten glaubhaft neutral gegenüber beiden Seiten verhalten, haben die beste Möglichkeit, irgendwann als Vermittler eingesetzt zu werden. Der einzige Vorstoß für einen Friedensplan zwischen Russland und der Ukraine kommt von China, weil weder Russland noch die Ukraine den Chinesen prinzipiell misstrauen.2 Selenskyj hat zu diesem Vorschlag zwar nicht „Ja“ gesagt, ihn aber auch nicht abgelehnt. Der Plan wurde von Washington und von Berlin abgelehnt. Auch die Russen haben nicht „Nein“ gesagt. Interessanterweise wurde die Rolle des Mediators im März letzten Jahres von der Türkei gespielt, weil die Türkei innerhalb der Nato das neutralste Land in diesem Konflikt ist. 

AS: Wobei die Türkei offiziell nicht neutral ist.

PL: Politisch wie ideologisch ist die Position der Türkei am weitesten entfernt vom Rest der Nato. Die Türkei hat auch keine Sanktionen gegen Russland verhängt. Das wird in Russland auch so wahrgenommen. Die Schweiz verhält sich im Moment ideologisch viel parteiischer als die Türkei. 

Langfristig haben offiziell neutrale Staaten eine gute Ausgangslage, um zum Beispiel Verhandlungsort zu sein. Das russische Außenministerium hat kürzlich vorgeschlagen, den UN-Hauptsitz nach Genf zu verschieben, weil die USA den russischen Journalisten Einreisevisa zur Sitzung des UN-Sicherheitsrates verweigert haben.3 Die USA dürfen das eigentlich nicht machen, weil die UN ein unparteiisches, neutrales Gremium sein soll. Der Umstand, dass die Russen Genf vorgeschlagen haben, zeigt, dass sie glauben, die Schweiz wäre langfristig ein zuverlässigerer Standort als Istanbul. Die Türkei ist im Moment politisch zwar etwas abseits vom Nato-Block, aber das könnte sich sehr schnell ändern. Die Schweiz hingegen hat seit 200 Jahren offiziell eine Neutralitätspolitik. 

AS: Sie leiten gemeinsam mit Heinz Gärtner ein Forschungsprojekt zur Neutralität und  haben zahlreiche Bücher zu dem Thema publiziert. Welche Rolle spielt ihre Forschung in den derzeitigen Diskussionen? 

PL: Es gibt keine Neutralitätsstudien innerhalb des Fachgebietes der Internationalen Beziehungen. Unser Projekt will die Neutralität tiefer studieren, mit dem Ziel, sie einzusetzen, um friedliche Beziehungen zwischen Ländern zu ermöglichen. 

Ich sehe die Neutralität als ein Alternativkonstrukt zum Weltfrieden durch eine Organisation wie die UN. Diese versucht den Krieg top-down auszumerzen, weil er illegal ist. Der Neutralitätsansatz funktioniert bottom-up. Die Annahme: Je mehr neutrale Länder wir haben und je mehr Länder bei Kriegen nicht mitmachen, umso mehr Chancen haben wir auf eine friedlichere Welt. Wir wollen erforschen, unter welchen Bedingungen die Neutralität diesen friedensstiftenden Zweck erfüllt und unter welchen nicht, wann sie gefährlich ist oder scheitert. Sie scheitert nämlich häufig, nicht nur in der Ukraine. Sie ist auch gescheitert in Kambodscha, in Laos, in Deutschland 1955/56. Die zugrundeliegenden Mechanismen sollten wir verstehen. Wenn man all die Elemente von Neutralität analysiert und zusammenbringt, haben wir am Ende vielleicht ein Instrument mehr in unserer diplomatischen Toolbox.

Fußnoten
3

Jack F. Matlock: Superpower Illusions. How Myths and False Ideologies Led America Astray - and How to Return to Reality. Yale University Press, New Haven, CT 2010, ISBN 9780300155969.

Auch die Ukraine ist ein strategischer Partner Chinas. Die Ukraine soll in der Vergangenheit bei militärisch-technologischen Transfers an China großzügiger als Russland gewesen sein.  Im Jahr 2019 überholte China Russland und wurde zum größten Handelspartner der Ukraine. Für eine detaillierte Erläuterung der chinesischen Position siehe: https://cc.pacforum.org/2022/05/ukraine-conflict-deja-vu-and-chinas-principled-neutrality/

Am 24. April 2023 sagte der Direktor der Abteilung für internationale Organisationen im russischen Außenministerium Pjotr Iljtschew, Russland würde es vorziehen, den UN-Hauptsitz an einen neutraleren Ort wie Genf oder Wien zu verlegen. Am Vortag verweigerte die US-Seite russischen Journalisten, die den Außenminister Sergej Lawrow zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats begleiten sollten, das Visum.

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