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Wie viele Bäume stehen in Afrika? Eine KI zählt nach

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Compton Tucker, Martin Brandt, Pierre Hiernaux, et al.2023
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Wie viele Bäume stehen in Afrika? Eine KI zählt nach

»Sub-continental-scale carbon stocks of individual trees in African drylands«

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Geschrieben von Solveig Klepper

Bei te.ma veröffentlicht 27.06.2023

te.ma DOI https://doi.org/10.57964/dx87-gx45

Geschrieben von Solveig Klepper
Bei te.ma veröffentlicht 27.06.2023
te.ma DOI https://doi.org/10.57964/dx87-gx45

Bäume können eine große Menge Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden und speichern. Die Autor*innen des Papers analysieren mit Hilfe von Deep Learning die Speicherkapazität von Bäumen in großen Trockengebieten. Dabei errechnet ihr Modell weniger Kohlenstoffbestand als die bisherigen Modelle. Auch wenn sie dem Modell eine gewisse Unsicherheit einräumen, könnte das bedeuten, dass der Kohlenstoffbestand von Trockengebieten bisher überschätzt wurde.

Bäume spielen eine essentielle Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Sie nehmen Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre auf und wandeln dieses durch Photosynthese in Kohlen- und Sauerstoff um. Den Kohlenstoff speichern sie in der Erde sowie in ihrem Holz, den Wurzeln und im Laub. Den Sauerstoff geben sie in die Atmosphäre ab. Da sie dabei den CO2-Gehalt in der Luft senken, haben sie das Potential, den Klimawandel zu verlangsamen. 

Projekte wie „Afrikas grüne Mauer“ oder andere Aufforstungsinitiativen werden konzipiert, um wachsende Probleme wie Desertifikation, Dürren und damit einhergehende Hungersnöte und Armut infolge des Klimawandels zu bekämpfen. Dennoch bleibt die Nachverfolgung ihres Fortschritts und Erfolgs herausfordernd. Obwohl es bereits (KI-)Systeme gibt, die Prozesse wie Abholzung und Aufforstung akkurat kartieren können, sind diese für Trockengebiete nicht anwendbar. Denn für ihr Training nutzen sie Daten aus Waldökosystemen und können daher unter Umständen mit Wüstenbildern, auf denen nur einzelne Bäume zu sehen sind, überhaupt nichts anfangen. 

Die Autor*innen verfolgen nun einen Ansatz, der nicht Waldgebiete, sondern einzelne Bäume kartieren soll. Um isolierte Baumkronen auf hochauflösenden Satellitenbildern zu markieren, nutzen sie Deep Learning. Danach schätzen Sie mit Hilfe allometrischer Gleichungen auf Basis der Größe der Baumkrone die Masse jedes einzelnen Baums. Aus der Masse errechnet sich dann die Menge an Kohlenstoff, die der Baum speichert. Die Gleichungen werden mit Hilfe von Regression hergeleitet. Sie sollen auf Basis der Baumkrone die Masse von Holz, Wurzeln und Laub berechnen. Um die Speicherkapazität der Bäume zu ermitteln und eine Informationsgrundlage für die allometrischen Gleichungen zu schaffen, werden mehrere Proben genommen und gemittelt. Der durchschnittliche Kohlenstoffbestand, also die gespeicherte Menge Kohlenstoff, in den jeweiligen (Trocken-)Zonen beträgt 51, 63, 72 und 98 kg pro Baum. Zum Vergleich: Ein einzelner Flug von Stuttgart nach Berlin stößt etwa 150 kg CO2 in die Atmosphäre aus – gerechnet auf einen einzelnen Economy-Passagier.

Auf mehr als 300.000 Satellitenbildern aus Afrika – südlich der Sahara und nördlich des Äquators – mit einer räumlichen Auflösung von 50 cm erkannte das neuronale Netz mehr als 9 Milliarden Bäume auf einer Fläche von fast 10 Millionen Quadratkilometern. Auf dieser Basis wurde dann der Kohlenstoffbestand in einem festen Bereich berechnet. Die Forscher*innen betonen, dass ihr Modell weniger Kohlenstoffbestand errechnete als die bisherigen Modelle, welche nicht speziell für die Anwendung in Trockengebieten konzipiert sind und einzelne Bäume nicht individuell in Betracht ziehen. Das bisherige Modell mit der größten Abweichung schätzte hierbei das 2,7-fache der spezifischen Methode der Autor*innen. Das könnte bedeuten, dass die Speicherkapazität der Trockengebiete bisher deutlich überschätzt wurde.

Es sollte jedoch auch beachtet werden, dass kein Modell perfekt ist. Die Autor*innen bemessen die Unsicherheit in ihrer Kohlenstoff-Berechnung auf plus/minus 19,8 Prozent. Hierbei spielen zwei Komponenten eine Rolle: die Unsicherheit in der Markierung der Baumkronen und die Unsicherheit in der Schätzung der Baummasse. Die Fehlerrate des neuronalen Netzes wird experimentell mit Testdaten bestimmt und liegt wiederum bei ca. 2,2 Prozent. Der Fehler in den allometrischen Formeln wird ebenfalls mithilfe von Testdaten bestimmt und beträgt ca. 19,5 Prozent und trägt somit viel stärker als die Fehlerrate des neuronalen Netzes zur Gesamtungenauigkeit bei. Möglicherweise sind die Informationen über die Größe der Baumkrone nicht aussagekräftig genug, um den Kohlenstoffbestand präzise zu schätzen. Vielleicht könnte aber auch hier die Verwendung eines (komplexeren) KI-Modells zu genaueren und zuverlässigen Vorhersagen führen.

Überwachung von einzelnen Bäumen in Khombole, Senegal, in den Jahren 2002 und 2021. So sieht die Kartierung durch das neuronale Netz aus. Man erkennt die vergrößerten Baumkronen im rechten Teil der Grafik deutlich. Der errechnete Kohlenstoffbestand ist in Grautönen pro Flächeneinheit und in Farbe pro Baum erkennbar.

Das neuronale Netz zur Kartierung von Bäumen hat aber auch noch andere Vorteile. So können beispielsweise Fortschritt, Erfolg oder Versagen von Baumpflanzinitiativen besser verstanden und evaluiert werden. Die Technologie bietet zudem die Möglichkeit zur besseren Überwachung des Holzbestandes und ermöglicht somit eine optimierte Organisation von Holzressourcen. Außerdem entstand aus dem Programm eine öffentliche Software, die Landwirt*innen die Überwachung von Bäumen über große Flächen bequem mit ihren Mobilgeräten erlaubt. KI-Modelle wie neuronale Netze bieten für die Forschung sowie für Forst- und Landwirtschaft ein großes Potential, sonst wenig oder schwierig zugängliche Naturgebiete besser zu analysieren und zu verstehen.

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Sehr interessant! Bei der Interpretation der Ergebnisse finde ich wichtig zu bedenken, dass es neben der Speicherung von Kohlenstoff auch weitere Vorteile hat, Bäume in Trockengebieten zu pflanzen. Beispielsweise hilft Aufforstung zu verhindern, dass Böden degenerieren und für die Bevölkerung landwirtschaftlich unbrauchbar werden. Die Bäume können außerdem als Schattenspender und Habitat für seltene Tierarten dienen. 

Ich bin gespannt, ob auf Grundlage des Modells komplexere KI-Systeme realisiert werden können, die beispielsweise auch die Darrdichte verschiedener Holzarten einbeziehen. 

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Spannender Artikel!
Dass ähnliche Techniken bereits angewendet werden, habe ich nun bei einem Vortrag des CO2-Removal-Unternehmens TREEO gelernt. Es vermittelt zwischen großen Unternehmen des globalen Nordens und Landbesitzern im globalen Süden. Die Unternehmen zahlen an TREEO für ihren CO2-Ausstoß und die Landbesitzer, meist Bauern, werden von TREEO für das Anpflanzen und auch Pflegen von neuen Bäumen auf ihrem Land vergütet.
Um den genauen CO2-Abbau zu berechnen, machen die Bauern Bilder der Baumstämme mit dem Smartphone, sodass die Baumstammdicke sowie die Baumart zur Berechnung verwendet werden kann. Satellitenbilder werden bisher (noch?) nicht zur CO2-Messung genutzt, dafür aber für das Überprüfen der Anzahl neu angepflanzter Bäume.

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