Städte als Hubs in der digital-nachhaltigen Transformation
Die digitale und die Nachhaltigkeitstransformation gelten als die zwei maßgeblichen global-gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart, die zudem nicht länger getrennt voneinander betrachtet werden können. An der Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung entwickelt sich zunehmend ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die Potenziale digitaler Technologien für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen evaluiert. Hier gibt es große Hoffnungen: Insbesondere im Bereich erneuerbare Energien oder in der Landwirtschaft gibt es vielversprechende technologische Lösungen, die die Energiewende unterstützen oder die Biodiversität schützen sollen. Allerdings ist Digitalisierung nicht per se positiv: Zahlreiche Beispiele haben in den vergangenen 20 Jahren gezeigt, dass digitale Lösungen neue ökologische und soziale Herausforderungen mit sich bringen, sei es durch den hohen CO2-Ausstoß von Datencentern, den hohen Verbrauch limitierter Ressourcen für Hardware oder die automatisierte Reproduktion von diskriminierenden Stereotypen durch algorithmische Systeme.
In dieser komplexen Debatte um die Fragen, wie die Digitalisierung für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele genutzt werden und wie eine nachhaltige Digitalisierung gelingen kann, nehmen Städte und Kommunen aus mindestens drei Gründen eine besonders interessante Rolle ein:
Erstens kommt mit der anhaltenden Urbanisierung zur sogenannten „
Mit KI zur nachhaltigen Stadt?
Vor dem Hintergrund des fortschreitenden Klimawandels und der anhaltenden Urbanisierung stehen Städte gegenwärtig vor massiven Herausforderungen in verschiedenen Bereichen, wie etwa Energieversorgung, Wohnraum oder Mobilität, die nach technischen und nicht-technischen Lösungen verlangen.
Technologische Innovationen gelten dabei als vielversprechende Lösungen, wobei insbesondere Daten eine entscheidende Rolle zukommt, da diese die maßgebliche Ressource für die Messung und somit Optimierung sämtlicher Abläufe im urbanen Raum darstellen.
Dabei spielt auch künstliche Intelligenz eine maßgebliche Rolle. Insbesondere
Auch hinsichtlich der Nachhaltigkeitsziele bieten maschinelle Lernsysteme vornehmlich bei der Reduktion von CO2-Emissionen einige vielversprechende Ansätze: Milojevic-Dupont und Kaack zeigen auf, dass speziell im Gebäudebereich, der für ein Viertel der weltweiten Emissionen im Energiebereich verantwortlich ist, der Verbrauch mit Hilfe von maschinellen Lernsystemen maßgeblich gesenkt werden kann, indem Geräte und Systeme lernen, sich an Nutzungsmuster anzupassen.
Der mögliche Einsatz von KI in Städten beschränkt sich dabei jedoch nicht auf ökologische Ziele. Auch wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeitsziele werden mit Hilfe von maschinellen Lernsystemen verfolgt: So hat KI das Potenzial, die Abfallsortierung zu optimieren und damit Recyclingquoten etwa von Kunststoffen, Textilien oder Gewerbeabfällen zu erhöhen.
Der Smart-City-Begriff hat über die vergangenen Jahre vielseitige und teils berechtigte Kritik erfahren. Etwa, dass hinter den utopischen Ideen einer vernetzten Stadt vielmehr kapitalistische Interessen und eine Entwicklung hin zu mehr Überwachung und Kontrolle der Bürger:innen stehen als deren tatsächliches Wohl.
Gerade das Training und der Einsatz von KI-Systemen bringen einen sehr hohen und mit der zunehmenden Komplexität der Systeme weiter steigenden Energie- und somit CO2-Aufwand mit sich, insbesondere dann, wenn keine erneuerbaren Energien verwendet werden.
Wie auch in vielen anderen Nachhaltigkeitsdebatten wurde im Kontext „Smart City“ die soziale Dimension von Nachhaltigkeit im Vergleich zur ökologischen und ökonomischen Dimension in der Forschung bislang vernachlässigt.
Konkret haben diverse Fälle in der jüngeren Vergangenheit sichtbar gemacht, wie der Einsatz von künstlicher Intelligenz in sämtlichen Bereichen, die über das Schicksal von Bürger:innen entscheiden, schiefgehen und langfristige Schäden nach sich ziehen kann. So kam es etwa in den Niederlanden im Jahr 2020 zur sogenannten Kindergeldaffäre, bei der durch den Einsatz eines Algorithmus zehntausende, vornehmlich migrantische Familien zu Unrecht des Sozialbetrugs verdächtigt worden waren und die Steuerbehörde fälschlicherweise Rückzahlungen des Kindergelds in teils horrenden Summen eingefordert hatte. Der Algorithmus hatte eine nachweislich rassistische Prägung und trieb viele von staatlicher Unterstützung abhängige Familien in den finanziellen Ruin.
Hinzu kommt, dass digitale Technologien Mechanismen der Überwachung und Kontrolle ermöglichen, durch die es zu folgenreichen Eingriffen in die Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte kommen kann. So können Demokratien bedroht und Autokratien gestärkt werden.
Wie kann die nachhaltig-digitale Transformation in Städten gelingen?
Die Digitalisierung von Städten kann also nicht per se als positiv bewertet werden. Vielmehr bedarf es einer sinnstiftenden Einbettung: eine Digitalisierung im Sinne der Gesellschaft und des Gemeinwohls, um eine Verstärkung von bestehenden Problemen wie sozialer Ungerechtigkeit, Segregation oder Umweltverschmutzung durch den Einsatz von Technologien zu verhindern.
Nachhaltigkeitsziele wie etwa diejenigen der UN bieten einen solchen Orientierungsrahmen. Somit findet das Konzept der Sustainable Smart City, das Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Stadtentwicklung zusammendenkt, seit einigen Jahren zunehmend Erwähnung in der wissenschaftlichen Literatur.
Jedoch ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar, inwieweit Städte in Deutschland und global Digitalisierungsmaßnahmen auf Nachhaltigkeitsziele ausrichten. Zwar stellen einige deutsche Städte ihre Smart-City-Strategien explizit in den Dienst einer nachhaltigen Stadtentwicklung (z.B. Smart City Bochum oder Smart City Berlin), allerdings herrscht aktuell noch Unklarheit über die Messbarkeit von Nachhaltigkeit im Smart City-Kontext. Es ko-existieren zwar diverse Indizes, aber kein einheitliches Messverfahren, das von einem umfassenden Nachhaltigkeitsverständnis ausgeht und mögliche Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Nachhaltigkeitsdimensionen mitdenkt.
Wie kann also die Zukunft der nachhaltigen und zugleich digitalen Stadt aussehen? Ben Green schlägt in seinem Buch The Smart Enough City vor, die „Tech-Brille“ abzunehmen und anzuerkennen, dass Städte als ökologische Systeme zu komplex sind, um perfekt durchrationalisiert und messbar gemacht zu werden, und dass Versuche, Probleme mit technologischen Lösungen zu bekämpfen, in der Vergangenheit eher Schäden verursacht haben.