„In Deutschland spricht man Hochdeutsch, die richtigen Wörter stehen im Duden, und wer in Deutschland leben will, muss Deutsch können“: So oder so ähnlich klingen jene grundsätzlichen Aussagen, die Linguist*innen als
Dabei fordern Schneider und Rostom besonders die Idee eines sprachlichen Purismus heraus. Denn unsere gemeinsame Sprache, die wir zusammenfassend „Deutsch“ nennen und die manche gerne eingrenzen möchten, ist facettenreicher als oft angenommen: Wir sprechen nicht immer alle gleich; die deutsche Sprachlandschaft ist geprägt von regionalen und soziokulturellen Unterschieden. Menschen passen ihre Sprachpraxis je nach Situation und Gesprächspartner*in intuitiv an – auch, um damit etwas über sich selbst auszudrücken. „Es ist unvermeidlich, dass wir durch unsere Sprache markieren, wer wir sein wollen und mit wem wir zusammen sein wollen. Wir haben keine andere Wahl“, sagt Britta Schneider. Diese Art von „Mehrsprachigkeit“ erfülle mehrere Zwecke: Freund*innen gegenüber zeigen wir durch ähnlichen Sprachgebrauch Nähe und Intimität, während z.B. das Sprechen von Dialekt Zugehörigkeit zu einer regionalen Gruppe markiert.
Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt: Was unterscheidet eigentlich einen Dialekt von einer Sprache? Aus linguistischer Sicht sei die Standardsprache nur einer von vielen Dialekten und nicht per se besser oder schlechter, erklärt Schneider. Hochdeutsch, so wie es in der Schule gelehrt wird, sei „historisch gesehen die Sprache der nationalen Elite“ – die Entscheidung, ob etwas „Sprache“ oder „Dialekt“ genannt wird, somit eine rein politische. Problematisch sei es daher, wenn eine sprachpuristische Ideologie dazu führt, dass jede Abweichung von der Hochsprache als falsch angesehen wird. Wie schon der Sprachwissenschaftler Max Weinreich auf den Punkt brachte: „Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee und einer Marine“. Deshalb nutzen Schneider und Rostom den Begriff „Repertoire“ für jegliche Arten von Sprachen und Dialekten.
Bräuchte die Welt eine gemeinsame, globale Sprache, um diese Ausgrenzungen zu bewältigen? Dies würde nicht die Lösung sein, erklärt May Rostom und appelliert stattdessen dafür, Diversität zu akzeptieren und weniger Angst zu haben, Sprachen „falsch“ zu benutzen. Die Linguistin betrachtet Sprachen in diesem Sinne „als eine gemeinsame Sache, als ein Sprachenlernen“. Denn, so lautet ihre utopische Vision, „wenn wir das als Gemeinsamkeit haben, können wir die Unterschiede und Vermischungen leichter akzeptieren“.