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Beim Schulfach Informatik hinkt Deutschland hinterher

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Beim Schulfach Informatik hinkt Deutschland hinterher

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Geschrieben von Janne Wagner

Bei te.ma veröffentlicht 01.02.2023

Geschrieben von Janne Wagner
Bei te.ma veröffentlicht 01.02.2023

Digitale Anwendungen machen einen immer größeren Teil des Alltags oder Berufslebens aus. In diesem Zuge erhalten informatische Grundkenntnisse steigende Bedeutung – auch für die gesellschaftliche Teilhabe. Im Vordergrund steht mittlerweile ein grundlegendes Verständnis digitaler Prozesse und nicht allein die Fähigkeit, Apps und Programme verwenden zu können. 

Im Artikel „Beim Schulfach Informatik hinkt Deutschland hinterher” reflektiert Dietrich Creutzburg die Tatsache, dass die Mehrheit der europäischen Länder den Bedarf an Informatik als Pflichtbestandteil des Lehrplans erkannt hat und stellt die Frage, wann Deutschland sich anschließen wird. Schüler*innen wachsen heute in einer digitalen Welt, umgeben von Computern, IT-technischen Systemen und Algorithmen auf. Sie können Apps bedienen und entwickeln ein intuitives Nutzungsverständnis für Smartphones und Tablets. Ein tatsächliches Verständnis davon, wie Computer funktionieren, entwickeln hingegen nur wenige1

Creutzburg begründet seine Einschätzung mit einer aktuellen europäische Schulstudie des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft.2 Demnach ist Informatikunterricht mittlerweile in 28 von 37 untersuchten europäischen Ländern flächendeckend verpflichtend – teilweise sogar schon ab der Grundschule. Deutschland zählt nicht zu dieser Gruppe. Informatikunterricht mit entsprechender Kompetenzvermittlung gibt es hier nur als Wahlfach, fächerintegrativ oder gar nicht. Einzig Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben einen ab der fünften bzw. siebten Klasse verbindlichen Informatikunterricht eingeführt. 

Es gehe einerseits um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, rekurriert Creutzburg auf die Studie. Die Nachfrage nach digitalen und informatischen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt steige stetig an: bereits jetzt werden diese laut der Bertelsmann Stiftung in vier von fünf Berufen vorausgesetzt. Und fast 100.000 IT-Stellen seien unbesetzt.3 Andererseits müsse aber auch eine chancengleiche Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben in der digitalisierten Welt als gleichwertiges Ziel feststehen. Digitale Mündigkeit sei in der Gesellschaft, angefangen bei den Schüler*innen zu entwickeln. Voraussetzung hierfür sei ein kompetenter Umgang mit digitalen Anwendungen und IT-Infrastruktur. Nur wer informatische Kompetenzen habe, könne die Chancen und Risiken einer digitalisierten Welt realistisch bewerten, interpretiert Creutzburg den Stifterverband.

Rahmenplan für die Sekundarstufe I Gymnasium, Gesamtschule MV. Informatik und Medienbildung.

Mittlerweile wird auch von Seiten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK der Druck erhöht: Die Vermittlung digitaler Kompetenzen und Informatikinhalte sei noch nicht ausreichend in den Bildungsplänen verankert. Informatik ab dem Schuljahr 2024/25 in allen Ländern von der fünften Klasse an als Pflichtfach einzuführen, wird deshalb empfohlen.4

Mit Mecklenburg-Vorpommern gibt es nun die ersten Erfahrungen. Informatik ist ab der fünften bis zur zehnten Klasse in allen Schulformen mit einer Wochenstunde zu unterrichten. In der Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe kann das Fach zusätzlich als Grund- oder Leistungskurs belegt werden. Thematisch stehen sowohl anwendungsorientierte Kompetenzen und Fachwissen über beispielsweise Algorithmen im Zentrum. Die Schüler*innen sollen lernen, wie ein Computer Daten verarbeitet, fasst Tom Kroll, Autor des ZEIT Artikels „Informatikunterricht: Zu Befehl”5, zusammen. Es gehe um konkrete Fragen wie: Welche Computerprogramme und Befehle stecken hinter einem digitalen Fieberthermometer? Wichtig sei zudem die kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Menschen und der Gesellschaft im digitalen Kontext.  Zu den ersten Erkenntnissen gehört in Mecklenburg-Vorpommern aber auch, dass Schüler*innen überhaupt erst einmal die Bedienung eines Computers mit Maus und Tastatur beibringen müssen.6 Erst dann könne man Schüler*innen Programmiersprachen und Algorithmen näher zu bringen.

Neben der schulorganisatorischen Frage, an welcher Stelle des Lehrplans für Informatik Platz geschaffen werden soll, steht auch die fehlende konkrete Umsetzungsstrategie in der Kritik. Wenn diese Hürden überwunden sind, besteht noch ein rein praktisches Problem: Es fehlen die ausgebildeten Lehrkräfte, nach Hochrechnungen etwa 20.000 Personen.7 Im Gegensatz zur Überwindung bürokratischer Hürden ist die universitäre Ausbildung neuer Lehrkräfte nicht innerhalb weniger Monate realisierbar. 

Fußnoten
7

Tom Kroll: Informatikunterricht: Zu Befehl. Rostock 08.11.2022, https://www.zeit.de/2022/45/informatik-unterricht-schule-mecklenburg-vorpommern.

 Eike Schröder et al.: Informatikunterricht: Deutschland abgehängt in Europa. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. (Hrsg.). Ausgabe 01, Essen 2023, https://www.stifterverband.org/medien/informatikunterricht-europa.

Berg, Achim: Der Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte. Bitkom. Berlin November 2019, https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Erstmals-mehr-als-100000-unbesetzte-Stellen-fuer-IT-Experte.

Dietrich Creutzburg: Beim Schulfach Informatik hinkt Deutschland hinterher. Berlin 12.01.2023, https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/beim-schulfach-informatik-hinkt-deutschland-hinterher-18595059.html.

Tom Kroll: Informatikunterricht: Zu Befehl. Rostock 08.11.2022, https://www.zeit.de/2022/45/informatik-unterricht-schule-mecklenburg-vorpommern.

Ebd.

Eike Schröder et al.: Informatikunterricht: Deutschland abgehängt in Europa. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. (Hrsg.). Ausgabe 01, Essen 2023, https://www.stifterverband.org/medien/informatikunterricht-europa.

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