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Lieber John.Gather,
vielen Dank, das sind in der Tat anregende Kommentare! Lassen Sie mich versuchen, ein paar Gedanken zu formulieren, die, wie ich meine, Ishchenkos Position vielleicht nochmal klarer machen, ohne dass ich die Probleme unter den Tisch kehren will, auf die Sie zurecht hinweisen.
1) Das Interessante bei Ishchenko ist, dass er als Linker seine Analyse nicht mit dem Zwischenstaatlichen (man könnte sagen: “Horizontalen“), sondern der sozialen (“vertikalen“) Dimension des Krieges beginnen lässt. Ihm geht es vor allem darum zu erfahren, wer vom Krieg profitiert - und zwar zunächst in Russland. Warum trägt die Elite den Krieg mit? Diese Profiteure bezeichnet er als politische Kapitalisten. Dieser Begriff geht über “Korruption“ hinaus, wie ich meine.
In der Forschung hat sich mittlerweile ein recht differenziertes Verständnis zur Korruption herauskristallisiert. So gibt es schlechte und gute, kurzfristig und langfristig wirkende Korruption. In einem Aufsehen erregenden Buch hat etwa Yuen Yuen Ang vor Kurzem gezeigt, warum China zwar korrupt, aber dennoch wirtschaftlich erfolgreich ist. Hier bei Interesse der Link zum Buch.
Kurzum: Ich denke, politische Kapitalisten ist dann doch genauer als der Begriff korrupte Elite.
2) Zu ihrer Kritik der “transnationalen kapitalistischen Klasse“: Das ist in der Tat etwas schwammig und man fragt sich a) wer konkret damit gemeint ist und b) ob das denn wirklich der “Hauptgegner“ der politischen Kapitalisten ist. Ich will nur so viel zu Ishchenkos Kapitalismusverständnis sagen: Er geht davon aus, dass es verschiedene Spielarten und Typen des Kapitalismus gibt und dass sich diese nicht nur zwischen Staaten, sondern auch innerhalb von einzelnen Gesellschaften, eben in Klassenform, äußern.
Zugegebenermaßen frage ich mich aber auch, wie wir von dieser Kapitalismuskritik zur Kriegsanalyse kommen, was auf Ihren letzten Kritikpunkt verweist.
Ich selbst sehe tatsächlich gar nicht, dass Ishchenkos Analyse davon ausgeht, dass Russland und die Ukraine eins sind. Wo Sie aber recht haben ist, dass seine Perspektive die nationale bzw. inter-nationale Ebene tendenziell ausblendet oder zumindest vernachlässigt. Die Frage ist also: Wie kriegen wir den Link von der Klassen- zur internationalen Konflikt- und Kriegsanalyse hin? Schließlich stehen sich ja nicht direkt korrupte Kapitalisten mit Geldkoffern auf der einen und Programmierer auf der anderen Seite gegenüber, sondern nationalstaatliche Armeen.
Für mich ist das eine zentrale Problematik, die über die Fragen linker Kriegsanalyse hinausweist und es wäre sehr spannend zu überlegen, wie man diese Verbindung herstellen kann.
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