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Der Aufsatz von Heidrun Zinecker ist in der Detailliertheit seiner Argumentation beeindruckend und bestechend. Wenn man einen solchen Text gelesen hat, wird einem erst richtig bewusst, wie viel in der öffentlichen Debatte über Krieg und Frieden schief läuft - eine Debatte, die zu oft Amateuren überlassen wird: Wer gute Romane schreibt, muss von Frieden noch lange nichts verstehen. 

Zinecker widerlegt in meinen Augen kleinschrittig und sehr überzeugend eine Reihe zentraler Argumente gegen die militärische Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. Sie bekundet dabei zugleich ihren Respekt vor einer pazifistischen Grundhaltung - ich verstehe das im Sinne des Respekts vor der persönlichen Entscheidung, keine Waffen tragen zu wollen. Ein Gedanke, der mit in Zineckers Text anzuklingen scheint, ohne dass er vertieft diskutiert wird, scheint mir für die Debatte sehr wichtig zu sein: Der Ukraine-Pazifismus geht schnell (und umso stärker, je schneller die Inflation steigt) eine ungute Verbindung mit der Idee ein, dass uns dieser Krieg eigentlich nicht viel angehe. Hier gilt nicht nur zu bedenken, was Zinecker schreibt, dass der Krieg auch ein Krieg zwischen Demokratie und Autokratie ist und die Ukraine ihrer Selbstwahrnehmung nach für Europa die Demokratie verteidigt. Hier gilt vor allem, dass eine Nicht-Hilfe nicht einfach ein Sich-Heraushalten, sondern eine bewusste Entscheidung ist. Dies scheint mir bei manchen Verteidigern einer pazifistischen oder aus ökonomischen Gründen besorgten Haltung noch nicht angekommen zu sein: Auch die Entscheidung, stumm am Rand zu stehen, muss verantwortet werden, ist eine Handlung, die der Rechtfertigung bedarf. Gute Gründe dafür sind m. E. nicht in Sicht. 

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Lieber Herr Müller-Salo,

ich sehe das genauso. Der große Pluspunkt des Textes ist der Respekt, den Zinecker für die Gegenposition zeigt. Dadurch ist ihre Auseinandersetzung mit den Argumenten des Pazifismus wesentlich feinteiliger als die oft reflexhafte Zurückweisung, die wir medial erleben.

Zwei Gedanken meinerseits zu Ihrem Kommentar: Gerade für die deutsche Debatte (Stichwort: Panzerlieferungen, Staatsbesuche, Finanzhilfen) scheint mir wichtig zu sein, dass eben auch Nicht-Entscheidungen Konsequenzen haben, im Kern also auch eine Form der Entscheidung darstellen. Dasselbe gilt bspw. für die vermeintlich neutrale Schweiz, die ja die Ausfuhr von Munition für deutsche Waffen mit Verweis auf ihre Neutralität verweigert.

Zudem finde ich Ihren Hinweis auf sich verändernde Diskurskoalitionen interessant. Wirtschaftskrise und Haltung zum Krieg scheinen miteinander verbunden zu sein, wenn auch vermutlich nicht in linearer und direkter Art und Weise. Einige Forscher*innen (etwa am Wissenschaftszentrum Berlin) haben versucht, diese Diskurskoalitionen grob mit Kosmopolitismus vs. Kommuntarismus zu überschreiben, und argumentieren, dass sich entlang dieser beiden Achsen Konflikte über Migration, EU, COVID und andere Themen gruppieren lasen. Ich frage mich, ob solche Unterscheidungen auch sinnvoll sein könnten, die Haltungen zum Krieg gegen die Ukraine und die westlichen Sanktionen zu fassen. Oder greifen hier andere Logiken?

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