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Metamorphosen ukrainischer Erinnerung

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Yulia Yurchuk2021
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Metamorphosen ukrainischer Erinnerung

»The Political Cult of the Dead in Ukraine«

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Geschrieben von Hera Shokohi

Bei te.ma veröffentlicht 16.03.2023

te.ma DOI 10.57964/3r2d-0s36

Geschrieben von Hera Shokohi
Bei te.ma veröffentlicht 16.03.2023
te.ma DOI 10.57964/3r2d-0s36

Die Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und die dazugehörige Ukrainische Aufständische Armee (UPA) sind für verschiedene Milieus in der Ukraine wichtige Bezugspunkte. Gerade nach der Unabhängigkeit der Ukraine gab es in der Gesellschaft einen großen Drang zur Memorialisierung, da dies in der Sowjetunion tabu war. Yuliya Yurchuk analysiert anhand der Schlacht von Hurby, wie sich die Erinnerung an die OUN und die UPA im Laufe der Jahre verändert hat.

Die Schlacht von Hurby war die größte Schlacht der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA). Dort stellte sie sich dem NKWD. Die Erinnerung an die Schlacht von Hurby sei, so die Historikerin Yuliya Yurchuk, ein Beispiel dafür, wie verschiedene Gemeinschaften die Geschichte für sich vereinnahmen. 

Die ersten Erinnerungen an die Schlacht von Hurby seien subversiv und spontan gewesen: Die Menschen aus Nachbardörfern fingen damit an, die Landschaft mit religiösen Symbolen wie Kreuzen zu markieren, um einen Ort zum Trauern zu schaffen. Dieser Akt der Erinnerung ist für Yurchuk auf ein menschliches Bedürfnis zurückzuführen, es handele sich dabei nicht um ein Zeichen anti-sowjetischer Gesinnung. 1965 wurde von der sowjetischen Führung unter Leonid Breschnew im Ort ein Denkmal für gefallene Rotarmisten des Zweiten Weltkriegs errichtet. Es war den Menschen aus einem Nachbardorf gewidmet. 

Ab 1991, als die Ukraine unabhängig wurde, wurde Hurby immer mehr zum Schauplatz konkurrierender Erinnerungen: Die Diaspora, die Kirchen, die Innenpolitik und NGOs machten die Erinnerung an die dortige Schlacht zu ihrer Aufgabe. Den Drang zur Memorialisierung der Ereignisse von Hurby in der unabhängigen Ukraine begründet Yurchuk damit, dass das Erinnern an die UPA-Soldaten in der Sowjetunion tabu war. Da es sich um eine nationale Form der Erinnerung handelt und man sich an die UPA als nationale Freiheitskämpfer erinnert, sei diese Erinnerung auch stark mit dem christlichen Glauben verknüpft.

Die Erinnerungslandschaft von Hurby, wo mehrere politische Denkmäler und religiöse Bauten (Kapelle, Kloster, Kreuze) aufeinandertreffen, sei maßgeblich von der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kyjiwer Patriarchats beeinflusst. Die Verbindung von Glauben und nationaler Erinnerung trage zum Narrativ bei, die UPA-Soldaten hätten ein heroisches Selbstopfer für ein größeres Gut erbracht. Nationalismus äußere sich hierbei stets durch religiöse Rituale und Symbole. Neben der religiösen Nutzung des Ortes durch das Kloster ist Hurby auch zu einem (politischen) Bildungsort geworden. Schulklassen und nationalistische Jugendorganisationen besuchen das Dorf. Dort finden ebenfalls „terrain games“, historische Rollenspiele, statt. Die Kirche betone aber stets, dass sie mit diesen Organisationen und ihren Events nichts zu tun habe.

Die Erinnerung an die UPA-Soldaten werde mit der Erinnerung an die Kosaken verbunden und solle dadurch ein Narrativ des selbstaufopfernden Heldentums konstruieren, so Yurchuk. Dies begründet sie damit, dass im Pantheon of Heroes, einem Denkmal, das sich ebenfalls in der Nähe befindet, symbolische Gräber für die UPA-Soldaten stehen, die den symbolischen Kosakengräbern in benachbarten Ortschaften ähneln. Die Geschichte der Kosaken und der UPA stelle man so als eine glorifizierte Geschichte von Freiheitskämpfern dar. Die Vielfalt des Erinnerungsortes Hurby – ein Ort des Glaubens durch das Kloster, ein Ort der Bildung durch Schulausflüge, ein Ort der Politik durch nationalistische Organisationen – ist für Yurchuk ein Sinnbild dafür, dass ein einzelner Erinnerungsort mehrere „Besitzer“ haben kann.

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Die Ukrainische Aufständische Armee (UPA) war die militärische Gruppe der Organisation Ukrainischer Nationalisten.

Das Volkskommissariat für Innere Angelgenheiten (NKWD) agierte als Geheimpolizei und führte im Stalinismus Repressionen und politische Verfolgung durch. Zudem war das NKWD zuständig für die Verwaltung des sowjetischen Lagersystems (GULAG).

Im April 1944 kämpften UPA-Truppen gegen NKWD-Leute und Rotarmisten im Dorf Hurby. Angeblich kämpfte die UPA mit 5000 Soldaten, das NKWD und die Rote Armee mit 30.000. Hurby wurde durch die Schlacht komplett zerstört. Die Infrastruktur des Dorfes existierte nicht mehr und stattdessen ist Hurby zu einer lebendingen Erinnerungslandschaft geworden.

Kosaken waren freie Gemeinschaften, denen sich Menschen aus osteuropäischen Steppengebieten anschlossen. Es gab viele unterschiedliche Kosaken-Zusammenschlüsse. Im Falle der Ukraine geht es um die Saporoger Kosaken, die in einem Steppengebiet in der Nähe des Dnepr siedelten.  Unter Bohdan Chmelnyzkyjis Führung begann eine kriegerische Auseinandersetzung gegen Polen-Litauen, die dazu führte, dass das Kosaken-Hetmanat gegründet wurde. Das Hetmanat war das Herrschaftsgebiet der Kosaken und war ein protostaatlichlicher Zusammenschluss. In der Geschichtsschreibung der Ukraine werden diese Ereignisse als einer der vielen Kämpfe für die nationale Befreiung der Ukraine gedeutet.

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