Vielfalt und Verlust: Sprachkarten weltweit

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Vielfalt und Verlust: Sprachkarten weltweit

»Sprachvielfalt in Karten«

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Geschrieben von Dennis Yücel

Bei te.ma veröffentlicht 26.09.2023

te.ma DOI 10.57964/03cy-h602

Geschrieben von Dennis Yücel
Bei te.ma veröffentlicht 26.09.2023
te.ma DOI 10.57964/03cy-h602

Sprachatlanten und linguistische Karten führen die weltweite Sprachenvielfalt vor Augen. Sie zeigen, dass Staaten und Regionen in den seltensten Fällen homogene Gebiete sind – egal ob Schleswig-Holstein, New York oder Somalia. Ersichtlich wird auch, wie viele der weltweit rund 7.000 gesprochenen Sprachen inzwischen gefährdet sind.

Sprachen und ihre Varietäten werden spätestens seit Beginn der modernen Sprachwissenschaften Mitte des 19. Jahrhunderts kartographiert. Der sogenannte Wenker Atlas – einer der ältesten und bis heute größten Sprachatlanten der Welt – geht auf den Sprachwissenschaftler Georg Wenker zurück. Der Atlas liegt heute vollständig digital vor und kann auf der Webseite des Projekts regionalsprache.de (REDE) des Forschungszentrums Deutscher Sprachtatlas neben einer Reihe von weiteren Karten eingesehen werden. Das Projekt zeigt die Vielfalt der Dialekte, die im deutschsprachigen Raum gesprochen werden, ebenso wie die Verbreitung von regionalen Minderheitensprachen. Aufgrund des Umfangs und der Dichte ist das Material jedoch vor allem für die Forschungsarbeit interessant. 

Darüber hinaus bieten zahlreiche weitere Webseiten moderne digitale Karten, die einen kompakteren Einblick in die sprachliche Vielfalt von Regionen und Städten geben. Besonders eindrücklich ist etwa die Karte Languages of New York City, in der die enorme Sprachvielfalt New Yorks abgebildet wird. In Anlehnung an das Projekt ist am Institut für deutsche Sprache und Linguistik der Humboldt-Universität zu Berlin die Karte Berlin Spricht! entstanden. Parallel dazu gibt ein YouTube-Kanal Einblicke in die Sprachen, die in Berlin gesprochen werden.

Weitere Beispiele bieten die Atlanten des französischen Forschungszentrums Limsi. Hier lassen sich zahlreiche Länder weltweit ansteuern. Einige Regionen, in Deutschland etwa die Bundesländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein, lassen sich auch im Detail ansehen und -hören. Zudem bietet der Atlas Aufnahmen von „nicht-territorialen“ Sprachen wie Yiddish und verschiedenen Berbersprachen

Schließlich stellen auch einige nationale Behörden eigene Karten zur Verfügung, etwa in Großbritannien. Die NGO Translators without Borders bietet einen Zugang zu Karten von Regionen, die in den letzten Jahren von Naturkatastrophen getroffen wurden. In diesen Gegenden waren internationale Einsatzkräfte aufgrund der regionalen Vielsprachigkeit auf die Unterstützung von Dolmetscher*innen angewiesen, die auch Sprachen mit weniger Sprecher*innen beherrschen.

Wer einen weltweiten Überblick sucht, findet auf der Webseite der Publikation Ethnologue eine der größten Datenbanken der Welt mit einem Verzeichnis von 7.168 gesprochenen Sprachen – inklusive einer interaktiven Globuskarte. Hervorzuheben ist der Atlas der gefährdeten Sprachen, den die Seite bietet. 

Ein Blick in die vielen Sprachkarten der Welt verdeutlicht: Selten handelt es sich bei Städten, Regionen und Staaten um sprachlich homogene Territorien. Während jedoch die „großen“ Sprachen mit vielen Millionen Sprecher*innen immer weiter wachsen, schwindet die sprachliche Vielfalt stetig. Soziale Verschiebungen, etwa Verstädterung, Globalisierung und digitale Vernetzung sorgen weltweit dafür, dass eine Vielzahl von „kleineren“ Sprachen verloren geht. Nach Angaben der Vereinten Nationen könnten bis zum Ende des Jahrhunderts 50 bis 95 Prozent aller heute gesprochenen Sprachen ausgestorben sein. Auf den Atlanten der Zukunft könnten sich statt 7.000 so nur noch einige Hundert Sprachen finden.

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Offener Zugang
Offener Zugang bedeutet, dass das Material öffentlich zugänglich ist.
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Ein Begriff, der häufig benutzt wird, um ein sprachliches System zu bezeichnen, ohne einen der wertenden Begriffe „Dialekt“ oder „Sprache“ zu benutzen.

Georg Wenker (1852-1911) begründete mit seiner Arbeit den „Sprachatlas des Deutschen Reichs“. Der Sprachwissenschaftler sammelte von 1878 bis 1888 über 48.000 von Lehrern ausgefüllte Fragebögen, in denen er standardsprachliche Sätze in regionale Dialekte übersetzen ließ. Die Daten werden bis heute von der Sprachwissenschaft genutzt.

Als Berber werden indigene Bevölkerungsgruppen in Nordafrika bezeichnet. Etwa 40 Millionen Menschen sprechen heute Berbersprachen wie das Kabylische (etwa Algerien) oder Tuareg (etwa im Niger und in Mali).

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