In ihrem Gastbeitrag legt Pollatschek dar, dass das Gendern in sich höchst widersprüchlich sei: Zwar diene es der Bekämpfung des Sexismus, sei aber – ohne dass sich die meisten Deutschen dessen bewusst seien – selbst sexistisch. Denn wer gendere, halte die Information, dass jemand eine Frau sei, für so wichtig, dass sie immer mit gesagt werden müsse. Überspitzt formuliert sie, dass derjenige, der aus einem Schriftsteller eine Schriftstellerin mache, auch gleich ‚Vagina‘ rufen könne. Dabei sollte das Geschlecht, so Pollatschek, in den meisten Kontexten wie etwa dem Beruf keine Rolle spielen.
Sie räumt zwar ein, dass die meisten Berufsbezeichnungen mit der Vorstellung eines weißen, christlichen, heterosexuellen Mannes verbunden seien, hält aber die Konsequenz, die Gender-Befürworter*innen daraus ziehen, für problematisch. Ihnen zufolge benötigen wir in unserer Sprache eine Wortform für weibliche Berufsausübende. Pollatschek folgert daraus, dass wir auch eine Wortform für andere gesellschaftlich benachteiligte Gruppen bräuchten, wie etwa für jüdische, schwarze und schwule Berufsausübende mit Behinderung. Wir würden dann nicht nur Schriftstellerin und Gästin sagen, sondern auch Schriftstellerjude und Schwarzgast. An diesen Beispielen tritt ihr zufolge die Diskriminierung zutage, die mit der sprachlichen Sichtbarmachung bestimmter Identitätsmerkmale verbunden ist – sei es nun das Identitätsmerkmal weiblich, jüdisch, schwarz, schwul oder behindert. Allerdings unterschlägt Pollatschek hier den Umstand, dass das Geschlecht eine grammatikalische Entsprechung hat: das Genus. Religion, Rassifizierung oder Sexualität hingegen sind keine Kategorien des Sprachsystems. Das sieht man auch daran, dass sie für ihre polemischen Beispiele Komposita verwenden muss, während der Geschlechtsausdruck über ein etabliertes grammatisches Mittel funktioniert.
Besser als die Deutschen machen es Pollatschek zufolge die Briten. Sie hätten sich gegen gegenderte Berufsbezeichnungen ausgesprochen, nachdem die Berufe nicht mehr nur von Männern, sondern auch von Frauen ausgeübt wurden. Seitdem verwenden sie das generische Maskulinum. Sie verweist auf das Phänomen, dass das Wort Prime Minister für den Großteil der Geschichte zwar tatsächlich einen Mann bezeichnet hatte, weil Frauen weder wählen noch gewählt werden durften. Doch mit der Wahl Margaret Thatchers in das Amt des ranghöchsten Ministers der britischen Regierung wurde das Wort generisch. Dessen Bedeutung habe sich von dem Moment an verschoben, in dem eine Frau dieses Amt ausübte.
Wenn die Deutschen – so ihr Fazit – Angela Merkel von Beginn ihrer Amtszeit an als Bundeskanzler bezeichnet hätten, dann würde heutzutage jeder junge Deutsche das Wort mit einer Frau assoziieren. Weil sie sie aber stattdessen als Bundeskanzlerin titulierten, hätten sie sich um diesen begrüßenswerten Sprachwandel gebracht.