Der deutsche Diplomat und ehemalige Chef der Münchner Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger äußerte in einem Interview im Februar 2023 die Annahme, dass sich die Frage „Land für Frieden” für die Ukraine zukünftig stellen könnte. Er betonte, dass man sich bei der Entscheidung zwischen Krieg und Frieden fragen müsse, ob das Wünschbare auch machbar sei.
Vor die Wahl zwischen dem Wünschbaren und dem Machbaren sind laut den Wissenschaftlern des Friedensforschungsinstituts in Oslo vor zweieinhalb Jahrtausenden auch die Herrscher der griechischen Insel Melos gestellt worden: entweder einen ungünstigen Kompromiss mit der athenischen Macht eingehen und ihre Unabhängigkeit aufgeben oder weiterkämpfen und eine vernichtende militärische Niederlage riskieren. Sie stützen sich dabei auf den griechischen Historiker Thukydides und seine Abhandlung zum Peloponnesischen Krieg.
Was Thukydides damit zeigt, ist, dass das Streben nach Gerechtigkeit allein nicht ausreicht. Man braucht auch die Macht, es durchsetzen zu können. Lässt man sich allein vom Glauben an die Richtigkeit der eigenen Sache leiten, kann dies zu einer tödlichen Falle werden.
Im Unterschied zur Antike, wo man dem Recht des Stärkeren kaum entgegentreten konnte, gibt es heute das Völkerrecht
Eine konkrete Handlungsempfehlung für die Ukraine geben die Autoren nicht ab. Es liege an der Ukraine selbst zu entscheiden, welche Strategie ihren Interessen am besten entspricht. Sollte die Verhandlungsoption ernsthaft eruiert werden, sehen die Friedensforscher beispielsweise Indien als einen geeigneten Vermittler. Die Verhandlungen sollten ihrer Ansicht nach mit einem vorübergehenden Waffenstillstand und einer definierten Einigungsfrist beginnen. Der Status der Krim würde wahrscheinlich thematisiert werden, während der Rückzug Russlands aus der Ostukraine bis zu den international anerkannten Grenzen eine sinnvolle Grundforderung an Moskau darstellen könnte.
Denn während auf dem Schlachtfeld nicht die Gerechtigkeit, sondern letztendlich allein die Stärke entscheidend ist, muss ein fairer Verhandlungsprozess den international anerkannten Grundsätzen von Recht und Moral folgen, um konstruktive und nachhaltige Ergebnisse produzieren zu können.