In den Leitlinien zur geschlechtergerechten Sprache werden die Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter der Stadt Hannover dazu verpflichtet, in allen ihren Schreiben, wenn möglich, geschlechtsneutrale Formulierungen zu gebrauchen. In Anschreiben solle beispielsweise die Anrede mit Herr und Frau durch Nennung der Vor- und Nachnamen vermieden werden (Frau Schulz → Anita Schulz). Statt Personen zu benennen, sollen Institutions- und Kollektivbezeichnungen (der Personalvertreter → die Personalvertretung) oder Konstruktionen mit Verben (Bewerber sollten → Wer sich bewirbt, sollte …) zur Anwendung kommen.
In Fällen, in denen eine geschlechtsneutrale Formulierung nicht möglich sei, soll den Empfehlungen zufolge auf den Genderstern zurückgegriffen werden (Liebe Kolleginnen und Kollegen → Liebe Kolleg*innen). Er dient als sprachliches Darstellungsmittel aller sozialen Geschlechter und Geschlechtsidentitäten. Mit dieser Vorgabe waren die Leitlinien der Stadt Hannover die ersten ihrer Art, die Menschen aller Geschlechtsidentitäten berücksichtigten.
Die Veröffentlichung der Leitlinien rief besonders aus zwei Gründen eine heftige Diskussion hervor: Erstens berief sich die Stadt Hannover in ihrer Begründung auf die im Dezember 2018 vorgenommene Änderung im Personenstandsgesetz, derzufolge intergeschlechtliche Personen ihren Geschlechtseintrag im Geburtenregister nachträglich in „divers“ ändern lassen können. Zuvor war es nur möglich gewesen, zwischen „männlich“ und „weiblich“ zu wählen oder den Geschlechtseintrag offen zu lassen. Diese Gesetzesänderung bedeutete die rechtliche Anerkennung eines dritten Geschlechts. Zweitens wurde für die Stadtverwaltung Hannover erstmals eine Sprachregelung verpflichtend gemacht, die auf viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Sprachgemeinschaft befremdlich wirkte und deshalb Widerstand hervorrief.
In einem Beitrag in der Zeit setzt sich der Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch, der selbst ein engagierter Vertreter geschlechtsneutraler Sprache ist, eingehend mit den Empfehlungen der Stadt Hannover auseinander. Er weist darauf hin, dass die Stadtverwaltung trotz der rechtlichen Anerkennung eines dritten Geschlechts auf das generische Maskulinum hätte beharren und darauf verweisen können, dass sowohl Frauen als auch „diverse“ Personen mitgemeint seien. Schließlich habe der Bundesgerichtshof im Mai 2018, so Stefanowitsch, festgestellt, dass „die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen keine Benachteiligung im Sinne von § 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes“ sei. Damit wäre die Verwaltung allerdings hinter den Status quo zurückgefallen, da es inzwischen üblich sei, Frauen ausdrücklich mit anzusprechen. Stefanowitsch hält es nur für folgerichtig, dass, wenn man es zwei Geschlechtern zugestehe, sich in der Verwaltungssprache wiederzufinden, man dies einem dritten Geschlecht nicht verweigern könne.
Die Verwaltung der Stadt Hannover möchte aber nicht nur intersexuelle, sondern auch nicht-binäre und trans-Personen ansprechen, deren Geschlecht auf einer Selbstdefinition beruht. Das ist der Grund, warum sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf den Genderstern verpflichtet, worin Stefanowitsch allerdings ein Problem sieht. Er legt dar, dass es sich bei orthographischen Konventionen wie dem Genderstern um sogenannte „soziolinguistische Marker“ handele. Das seien „sprachliche Merkmale, die von der Sprachgemeinschaft mit bestimmten sozialen Gruppen assoziiert werden“. So werden der Genderstern, das Binnen-I oder andere orthographische Besonderheiten jeweils mit einer bestimmten „Community of Practice“ in Verbindung gebracht: „Gruppen von Menschen mit ähnlichen Zielen und Wertvorstellungen, wie eben die queere Community, die Frauenbewegung und andere.“ Indem man die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung zum Genderstern verpflichte, so Stefanowitsch, zwinge man sie in die queere Community of Practice. Dadurch verliere der Genderstern seine Fähigkeit, die Weltsicht derjenigen zu vermitteln, die ihn verwenden.
Stefanowitsch gibt schließlich zu bedenken, ob die Stadtverwaltung Hannover durch ihre Verpflichtung zum Genderstern der queeren Community letztlich nicht mehr schade als nutze. Sie unterschätze die soziolinguistische Komplexität der Problematik und laufe Gefahr, nicht dem tatsächlich empfundenen Willen zu sprachlicher Inklusion Ausdruck zu verleihen, sondern nur ihrer „behördlichen Simulation“. Eine tragfähige Bedeutung orthografischer Zeichen wie des Gendersterns könne sich nur im allgemeinen Sprachgebrauch herauskristallisieren.