Aus sprachkonservativer Perspektive kann man die Angst vor zu viel Englisch nachvollziehen: Statt eine Sprache in all ihren Möglichkeiten zu nutzen, springen Sprecher*innen zwischen den Systemen hin und her. Monolingual gedacht verliert die Sprache dadurch in bestimmten Lebensbereichen an Boden. Die Lausanner Junglinguist*innen stellen aber fest: Englisch ist kein monolithischer Player, der die Muttersprachen ersetzt. Stattdessen finden sich im Repertoire der Jugendlichen differenzierte Systeme der Sprachmischung, mit denen sie sich in einem zusehends multilingualen Umfeld positionieren.
Auf junge Menschen in Ländern wie Frankreich, Finnland, Deutschland und Dänemark strömt das Englische gleich auf mehreren Kanälen unaufhaltsam ein, zeigen die Studien. Aus dem Bildungsbereich und der Arbeitswelt ist die englische Sprache mittlerweile kaum mehr wegzudenken: Vielerorts lernen Kinder sie bereits in der Grundschule, während Studierende einiger Fächer bereits verhandlungssichere Sprachkenntnisse mitbringen müssen, die auch im Job immer häufiger vorausgesetzt werden. Englisch als Indikator für Kompetenz in der Erwachsenenwelt. Parallel konsumiert die heranwachsende Generation in nie dagewesener Fülle Inhalte auf Englisch, sowohl in sozialen Netzwerken als auch in Videospielen und über Streamingdienste. Englisch ist somit auch eine Sprache der Freizeit – und nicht zuletzt der Beziehungen: Viel persönlicher Austausch, besonders mit internationalen (Online-)Bekanntschaften und auf Reisen, findet auf Englisch statt.
Da die Jugend eine Zeit besonders intensiver Identitätsfindung ist – die auch eine stark innovative sprachliche Dimension hat –, ist es kein Wunder, dass sich der überall präsente Multilingualismus in den Sprechweisen junger Menschen niederschlägt. Es wird gruppenstiftend
Ebongue und Negash bemerken, dass Untersuchungen dieser Art auch ihre Grenzen haben. Besonders die Weiterentwicklung und Verbreitung des World Wide Webs führe zu einer steigenden Bereitstellung von nicht-englischem Content, sodass die Rolle des Englischen als „Sprache des Internets“ nicht in Stein gemeißelt sei. Die Autor*innen erkennen ebenfalls an, dass die von ihnen untersuchte Dynamik ein gewisses Niveau an Sprachkenntnissen voraussetzt, das weder zwischen Ländern noch innerhalb einer Generation uniform gegeben ist. Mit der wachsenden Präsenz des Englischen beschreiben sie jedoch eine Entwicklung, deren Ausmaß neu ist und nicht den Anschein macht, abzuebben. Offen bleibt die Frage, wie sich die Beziehung zwischen „Schulenglisch“ und „Freizeitenglisch“ in Zukunft entwickeln wird. Für Bildungseinrichtungen stellt der vermehrte private Fremdsprachengebrauch schließlich eine unverkennbare Ressource dar. Insgesamt zeigt die Forschung, dass Englisch nicht mehr nur eine Schulsache ist, sondern einen tiefgreifenden Einfluss auf die Jugendlichen in Europa hat, ihre Sprache prägt und ihre Identität formt.