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Im Meinungsnebel

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Heiko Pleines2023

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Geschrieben von Sebastian Hoppe

Bei te.ma veröffentlicht 23.03.2023

Geschrieben von Sebastian Hoppe
Bei te.ma veröffentlicht 23.03.2023

Die Plattform Discuss Data setzt sich mit der Qualität und Nutzung von Forschungsdaten auseinander. Der für Meinungsumfragen zuständige Kurator Prof. Heiko Pleines diskutiert in einem Kommentar für die Russland-Analysen eine Reihe von Umfragen, die das Moskauer Lewada-Zentrum regelmäßig in Russland zum Krieg erhebt. Sein Fazit: Bereits seit 2012 spiegeln die Umfragen nicht wirklich das Denken der russischen Bevölkerung, sondern vielmehr vom Staat erwünschte Aussagen wider. Das mache die Daten für die Forschung jedoch nicht weniger relevant.

Der Anlass für Pleines’ Kommentar ist die anhaltende Diskussion um die Aussagekraft der vom Lewada-Institut durchgeführten Umfragen. Im Mittelpunkt der Kontroverse steht vor allem der Befund aus den ersten Monaten des Krieges, demzufolge mehr als 80 Prozent der russischen Bevölkerung die Politik Wladimir Putins unterstützten. In Anbetracht solch vermeintlich eindeutiger Zahlen sind die Zuverlässigkeit und Durchführbarkeit von Umfragen seit Kriegsbeginn im Februar 2022 immer wieder Gegenstand politikwissenschaftlicher Fachdebatten gewesen, etwa in der renommierten Zeitschrift Post-Soviet Affairs.1 Während einige Wissenschaftler*innen generell daran zweifeln, dass so etwas wie eine öffentliche Meinung in Russland existiert und erhoben werden kann,2 halten andere an der Durchführung von Umfragen fest, wenn auch mit erhöhter methodischer Achtsamkeit und Reflexion.

Die Unsicherheit darüber, wie man Meinungsumfragen durchführen und interpretieren sollte, betrifft dabei nicht nur den Fall des autoritären Russlands. Auch in der ungleich demokratischeren – und damit für Meinungsumfragen wesentlich offeneren – Ukraine erschwert der Krieg die Erhebung des „tatsächlichen“ Stimmungsbildes im Land. In einer Ausgabe der Ukraine-Analysen nimmt sich Pleines auch dieser Debatte an. So beschreibt er vor allem zwei Probleme der Datenerhebung in einem Land im Krieg: die fehlende Zugänglichkeit einiger vom Krieg stark betroffener Regionen sowie die enorm hohe Zahl an Binnenflüchtlingen. Letzteres konfrontiert Meinungsforscher*innen mit hohen Hürden, weil kein Zugriff auf ein zentrales Register besteht, in dem die Flüchtlinge verzeichnet sind.

Weil die Zuverlässigkeit von Meinungsumfragen im Kontext von Autoritarismus und Kriegshandlungen nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politische Relevanz hat, erfüllen Plattformen wie Discuss Data eine wichtige Funktion: Sie machen die von Institutionen wie Lewada erhobenen Daten nicht nur öffentlich zugänglich, sondern erlauben Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Forschungsgebieten, die Daten zu diskutieren. Oft wird bei diesen Diskussionen deutlich, dass Daten nicht einfach gut oder schlecht sind, sondern nur für bestimmte (Teil-)Fragen sinnvolle Antworten generieren können.

Fußnoten
2

Bryn Rosenfeld: Survey research in Russia: in the shadow of war. In: Post-Soviet Affairs. Band 39, Nr. 1-2, 2023, S. 38–48. https://10.1080/1060586X.2022.2151767; William M. Reisinger, Marina Zaloznaya und Byung-Deuk Woo: Fear of punishment as a driver of survey misreporting and item non-response in Russia and its neighbors. In: Post-Soviet Affairs. Band 39, Nr. 1-2 2023, S. 49–59. https://10.1080/1060586X.2022.2150490; Timothy Frye et al. Is Putin’s popularity (still) real? A cautionary note on using list experiments to measure popularity in authoritarian regimes. In: Post-Soviet Affairs. 2023, S. 1–10. https://10.1080/1060586X.2023.2187195

Jeremy Morris: Political ethnography and Russian studies in a time of conflict. In: Post-Soviet Affairs. Band 39, Nr. 1-2, 2022, S. 92–100. https://doi.org/10.1080/1060586X.2022.2151275.

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Offener Zugang
Offener Zugang bedeutet, dass das Material öffentlich zugänglich ist.
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Das Lewada-Institut in Moskau ist das einzige verbliebene Meinungsforschungsinstitut in Russland, das vom Staat unabhängig ist. Es wurde 2016 als „ausländischer Agent“ eingestuft.

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