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Die beiden Autoren haben da, soweit ich mich erinnere, schon einen halbwegs weit gefassten Bildungsbegriff, es geht nicht nur um Sachwissen, sondern auch um politische Bildung. Trotzdem kommen sie zu dem Schluss (mit empirischer Unterstützung – wie belastbar die allerdings ist?), dass diese Bildung in den Dienst der “Werte” gestellt wird.
Ich würde im Gegenteil deine Idee challengen, dass es vor allem “erkenntnisgeleitete Wahrnehmung” wäre, die Abhilfe schaffen könnte, @dennis_yuecel. Für mich liegt die Stärke des Buches (kenne es von früher) gerade darin, dass die Autoren einen gut dosierten Mittelweg zwischen Fakten-Realismus (“man kann erkennen, wie die Dinge wirklich sind, wenn man sich nur bemüht”) und dem radikalen Konstruktivismus finden, von dem @tobias_müller in seinem Intro auch spricht (“alles ist Ansichtssache”). Und das fehlt mir sonst in der politischen Epistemologie und auch in der öffentlichen Debatte. Da finden man eigentlich immer nur diese Extrempunkte: Entweder “Fakten, Fakten, Fakten” oder “alles ist Machtkampf, Interessen, Identitäten”.
Für mich wäre der stärkere Begriff als “Wahrnehmung” (wie bei den Autoren): Interpretation. Natürlich ist der Korridor für taugliche, valide Interpretation je nach “Issue” unterschiedlich weit. Aber selbst beim Klima kann man ja 100% einig über die gemessenen Daten (=Fakten) sein und sogar in den Modellierungen und Szenarien konform gehen, und dennoch zu unterschiedlichen Massnahmen kommen. Die einen sagen “Degrowth”, die anderen “Adaption”, die nächsten “Technology” und so weiter.
In der Philosophie wird dieser Kampf der Epistemologien ja schon seit Jahrtausenden ausgefochten, und es zeigt sich, wie unheimlich schwierig es ist, das jeweils ja durchaus Treffende am Realismus und am Konstruktivismus unter einen Hut zu bringen. Als eine der wenigen schafft das m. E. Susan Haack mit ihrem “Foundheretism”, der “foundation” und “coherence” miteinander in Verhältnis setzt. Ein wenig in diese Richtung – nur politischer, soziologischer, und sozialpsychologischer – geht das ja auch bei Marietta und Barker hier in diesem Buch.
Aber selbst, wenn man mit ihnen mitgeht, bleibt natürlich die Frage: Was tun? Wie kann die Gesellschaft ihren Zusammenhang und ihre produktiven Interaktionen bewahren, wenn “deep disagreements” prinzipiell unvermeidlich sein sollten, selbst bei existenziellen Fragestellungen?
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