Die Entstehung und der Verlauf des Ukraine-Krieges werden häufig mit der Katastrophe des Ersten Weltkrieges verglichen, über deren Ursachen Historiker/innen bis heute diskutieren.
Um Kriegsdynamiken zu erklären, schlägt Nye vor, zwischen tieferen, mittelfristigen und unmittelbaren Ursachen zu unterscheiden. Seine Idee veranschaulicht der Autor mithilfe einer Lagerfeuer-Metapher: Das Aufschichten der Holzscheite ist eine tiefe Ursache, das Hinzufügen von Anzündholz und Papier ist eine Zwischenursache und das Anzünden eines Streichholzes ist der unmittelbare Auslöser. Aber selbst dann sei das Entzünden des Feuers nicht unvermeidlich. Ein starker Wind kann das Streichholz ausblasen oder ein plötzlicher Regenschauer das Holz durchnässen – es können also Reaktionen anderer Akteure und Zufälle entscheidend sein.
In der Ukraine, so Nye, habe Putin ganz klar das Streichholz entzündet, als er am 24. Februar 2022 den Einmarsch der russischen Truppen befahl. Das war der unmittelbare Auslöser für den Krieg. Wie die Großmächte im Jahr 1914 schien Putin zu glauben, dass es sich um einen kurzen Krieg mit einem schnellen Sieg handeln würde, ähnlich wie bei der
Zu den mittelfristigen Ursachen zählt Nye vor allem die Intention, die Ukraine in die sogenannte „
Die Nato-Erweiterung betrachtet der Autor dagegen als weniger wichtig, womit er seinem Kollegen John Mearsheimer und dem Journalisten Branko Marcetic widerspricht, die die Kriegsursachen ganz klar in den Fehlern des Westens und der Nato-Osterweiterung sehen. Nye schreibt, dass der Nato-Beschluss von 2008 in Bukarest, die Ukraine und Georgien als potenzielle künftige Mitglieder aufzunehmen, Putins schlimmste Erwartungen an den Westen zwar bestätigt habe. Doch zeigte Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007
Tiefere Ursachen hinter Putins Verhalten sind laut Nye der Zerfall der Sowjetunion und die Erfahrungen der stürmischen 1990er Jahre
Nyes These ist im Ergebnis, dass der Krieg in der Ukraine trotz allem nicht unvermeidlich war, mit der Zeit aber immer wahrscheinlicher wurde. Leider macht er keine weiteren Aussagen darüber, warum der Krieg trotz seiner Vermeidbarkeit ausgebrochen ist. Ebenso fehlen tiefergehende Überlegungen zu möglichen Alternativen für den am 24. Februar 2022 entzündeten Flächenbrand in der Ukraine. Sein Text fordert jedoch dazu heraus, eine differenziertere Kausalanalyse vorzunehmen.