Während der ersten beiden Amtszeiten Putins (2000-2008) vermochte es der Kreml, ob zum Guten oder Schlechten sei dahingestellt, Russland wieder als geopolitischen Akteur zu etablieren. Gleichzeitig expandierten in enger Abstimmung mit dem Staat auch zahlreiche russische Unternehmen, manche von ihnen in globalem Maßstab.
Diese Symbiose, so Matveev, kam spätestens mit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 zu einem Ende. Seitdem intensiviere sich Russlands geopolitischer Imperialismus, während gleichzeitig die ökonomische Expansionsdynamik nachlasse. Im Jahr 2022 sind russische Unternehmen aufgrund der politischen Expansionsabsichten des Kreml sogar mit einem massiven Rückgang ihrer Möglichkeiten auf internationalen Märkten konfrontiert. Ist Putin nicht mehr auf die Unterstützung der Wirtschaftselite angewiesen?
Matveev analysiert diesen Widerspruch im Rückgriff auf die Unterscheidung zwischen territorialer und ökonomischer Expansion des Wirtschaftsgeographen David Harvey.
Die Krim-Annexion war ein spatial fix par excellence. Dennoch scheint seitdem die Eintracht zwischen Wirtschaft und Politik in Russland zu bröckeln. Verantwortlich hierfür ist laut Matveev, dass einerseits die russische Wirtschaft bereits seit 2012 Zeichen von Stagnation zeigte und an internationaler Attraktivität verlor. Andererseits führten (territoriale) Integrationsprojekte wie die geplante Eurasische Wirtschaftsunion aufgrund fehlender ökonomischer Attraktivität nicht zur angestrebten Kontrolle über die Nachbarländer, insbesondere nicht über die Ukraine. Seitdem, so Matveev, folge Putin einer sowjetischen (geo-)strategischen Kultur, die vor allem auf das Militär setzt und wahrgenommene Bedrohungen der territorialen Integrität durch energiewirtschaftlichen Druck („energy weapon“) abzuwenden versucht.
Matveevs Analyse weist auf ein oft unterschlagenes Paradox in der Diskussion um einen wiedererstarkten russischen Imperialismus hin: Die vor allem in den Medien häufig verwendete Chiffre der imperialen Expansionsabsichten des Kreml verdeckt, dass sich Russland im Hinblick auf seine wirtschaftliche Expansion selbstschädigend verhält. Sowohl klassische