Sanktionen gegen Russland: zu langsam, zu schwach

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Peter A. G. van Bergeijk2022

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Geschrieben von Sebastian Hoppe

Bei te.ma veröffentlicht 26.10.2022

te.ma DOI https://doi.org/10.57964/aqxe-5n51

Geschrieben von Sebastian Hoppe
Bei te.ma veröffentlicht 26.10.2022
te.ma DOI https://doi.org/10.57964/aqxe-5n51

Die gegen Russland verhängten Sanktionen infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine gelten als historisch präzedenzlos. Dabei findet man in der Geschichte des 20. Jahrhunderts durchaus vergleichbare Fälle. Peter van Bergeijk analysiert die Probleme demokratischer Staaten, einen Politikwechsel des sanktionierten Staates herbeizuführen, und kommt zu dem Schluss: Die Sanktionen der EU müssten viel weitreichender sein, wollten sie Russland von seiner Kriegspolitik abbringen.

Wirtschaftssanktionen würden durchaus ihre Zwecke erfüllen, sagt van Bergeijk und zeigt zunächst die wesentlichen Voraussetzungen für ihre Effektivität auf.1 Vor allem brauche es bereits vor ihrer Verhängung umfangreiche ökonomische Verbindungen zum Zielland. Zudem sollten Sanktionen schnell verhängt werden, um langfristige Anpassungen der sanktionierten Wirtschaft zu verhindern. Internationale Unterstützung für das Zielland verringere die Durchschlagskraft von Sanktionen. Genauso erschwerend wirke es, wenn das Zielland autokratisch regiert werde. Schließlich seien die Ziele von Sanktionen für sich genommen wichtig: Je begrenzter diese sind, desto wahrscheinlicher ist ihr Erfolg.

Um die Erfolgschancen der gegenwärtigen Russland-Sanktionen auszuloten, lohnt laut van Bergeijk der Blick in die Geschichte. Vier vergleichbare Sanktionspakete drängen sich auf: (1) gegen das südafrikanische Apartheid-Regime in den 1980er Jahren, (2) gegen die Besetzung von Kuwait durch den Irak 1990, (3) gegen das iranische Atomprogramm sowie (4) gegen die russische Annexion der Krim. 

Viele dieser Maßnahmen seien härter gewesen als die derzeitigen Sanktionen gegen Russland: So wurden weder sofort alle Vermögenswerte eingefroren und ein vollständiger Ölboykott inklusive Blockade durchgesetzt (wie gegen den Irak) noch wurde das Land vollkommen vom globalen SWIFT-Bezahlsystem ausgeschlossen (wie gegen den Iran). Auch bezüglich Geschwindigkeit und Anzahl der beteiligten Länder überbieten frühere Sanktionspakete diejenigen von 2014 sowie 2022 gegen Russland.

Sind die Sanktionen gegen Russlands Krieg demnach zu wenig durchgreifend, und sollten sie fallengelassen werden? Oder müssen umgekehrt heutige Demokratien noch umfangreichere Kosten für die eigene Wirtschaft in Kauf nehmen, um die Politik des Kremls zu beeinflussen? Effektiv könnten die Sanktionen erst sein, so van Bergeijk, wenn mindestens ein vollumfängliches Verbot von Kapitalexporten sowie ein komplettes Energieembargo verhängt würden. 

Allerdings würde dies die Wirtschaft womöglich erst zu einer richtigen „Waffe“ machen, wie es Nicholas Mulder in seinem jüngst erschienenen Buch bezeichnet hat.2 Folgt man Mulders Logik, erscheinen die beabsichtigten und unintendierten Folgen eines solchen Schrittes so massiv und der Erfolg so unklar, dass man einem realen Krieg möglicherweise einen Schritt näher käme.

Fußnoten
2

Eine umfassende Darlegung des Forschungsstandes findet man in Peter A. G. van Bergeijk (Hrsg.): Research Handbook on Economic Sanctions. Edward Elgar Publishing Ltd., Cheltenham, Gloucestershire, Northampton (MA) 2021, ISBN 9781839102714.

Nicholas Mulder: The Economic Weapon. The Rise of Sanctions as a Tool of Modern War. Yale University Press, New Haven, Connecticut 2022, ISBN 0300259360. Siehe auch Mark Galeotti: The Weaponisation of Everything: A Field Guide to the New Way of War. Yale University Press, New Haven, CT, London 2022, ISBN 9780300253443.

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