Historische Verweise spielen in diesem Krieg eine Schlüsselrolle. Sie dienen als Schablonen des Machtanspruchs, etwa in der Konstruktion der „
Der Krieg ruft täglich neue Traumata hervor, doch auch die bereits bestehenden entfalten weiter ihre Wirkung. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der unbewältigten Vergangenheit des Stalinismus und der russischen Aggression? Macht Politisierung der Geschichte die Erinnerung zur Waffe? Wäre es gar besser, Vergangenheiten zu vergessen? In unserer Online-Veranstaltung führen drei ausgewiesene Experten und Expertinnen ein konstruktives Streitgespräch zu Trauma, Krieg und Politik in der Ukraine und in Russland.
Katja Makhotina ist Osteuropahistorikerin an der Universität Bonn. In ihrer Habilitation analysierte sie die Praxis der Einsperrung und Buße im frühneuzeitlichen Russland. Ihr aktuelles Forschungsprojekt gilt dem Gewissensdiskurs in seiner transkulturellen Verflechtungsgeschichte.
Sie sagt: „Das Ziel historischer Erinnerung in den Kategorien Opfer und Täter ist – aus Staatsräson – nicht eine Überwindung des Traumas, sondern seine ständige Aktualisierung.“
Gasan Gusejnov, ehemals Professor an mehreren russischen Universitäten und heute Gastdozent am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeiten liegt in der Analyse von Sprache und Rhetorik in der russischen Politik und den Massenmedien.
Gusejnov ist der Meinung, dass „in der schrecklichen Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine bereits im Vorhinein sprachlich vorbereitete Traumata stecken, die nun aus dem Virtuellen ins Reelle übergehen.“
Roman Dubasevych ist Juniorprofessor für Ukrainische Kulturwissenschaft an der Universität Greifswald. Seine Forschungsinteressen gelten u.a. Theorien des kulturellen Gedächtnisses, der transgenerationalen Traumavermittlung sowie kulturellen Repräsentationen des Krieges in der Ukraine.
Er vertritt den Standpunkt, wir würden einen „Krieg historischer Traumata“ erleben.
Durch den Abend leitet Hera Shokohi (Universität Bonn und te.ma-Kuratorin) anhand folgender drei Schwerpunktthemen:
Verbinden oder trennen die Traumata der Vergangenheit Aggressor Russland und die überfallene Ukraine?
Echokammer Erinnerung: Geschichtspolitik und nationale Identität. Welche Rolle spielen Begriffe wie Faschismus und Genozid?
Nach dem Krieg: Wohin führen die neuen Traumata? Wird nur der Hass bleiben? Welche Voraussetzungen wären nötig, um ihn zu überwinden?
Die Veranstaltung wird online übertragen. Um den drei Gästen zuzuhören, genügt ein Besuch dieser Seite – das eingebettete Video beginnt am Donnerstag, den 20. April 2023 um 18 Uhr. Um mitzumachen und zu kommentieren, benötigt ihr ein te.ma-Konto (wenige Klicks).
Hinweis: In der folgenden Aufzeichnung beginnt die Veranstaltung bei Minute 1:40. Die Kommentarspalte ist weiter offen. Wir werden Fragen, Bemerkungen und Gedanken an Gasan Gusejnov, Roman Dubasevych und/oder Katja Makhotina weiterleiten und den Dialog so am Laufen halten.
Außerdem befindet sich hier ein vollständiges Transkript des Gesprächs.