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#Ukraine: Schmerz | Macht | Krieg

Ob Trauma oder Machtanspruch: Geschichte formatiert die Emotionen dieses Kriegs. Ein konstruktives Streitgespräch über Fluch und Segen politischer Erinnerung.

Online-Veranstaltung mit den Erinnerungsforschern Katja Makhotina, Gasan Gusejnov und Roman Dubasevych am Donnerstag, den 20. April 2023 um 18 Uhr

Ukraine: Krieg

Historische Verweise spielen in diesem Krieg eine Schlüsselrolle. Sie dienen als Schablonen des Machtanspruchs, etwa in der Konstruktion der „russischen Welt“ durch den Kreml, sie stiften aber auch Identitäten, wie beim Holodomor im politischen Diskurs der Ukraine.

Der Krieg ruft täglich neue Traumata hervor, doch auch die bereits bestehenden entfalten weiter ihre Wirkung. Welcher Zusammenhang besteht zwischen der unbewältigten Vergangenheit des Stalinismus und der russischen Aggression? Macht Politisierung der Geschichte die Erinnerung zur Waffe? Wäre es gar besser, Vergangenheiten zu vergessen? In unserer Online-Veranstaltung führen drei ausgewiesene Experten und Expertinnen ein konstruktives Streitgespräch zu Trauma, Krieg und Politik in der Ukraine und in Russland.

Katja Makhotina ist Osteuropahistorikerin an der Universität Bonn. In ihrer Habilitation analysierte sie die Praxis der Einsperrung und Buße im frühneuzeitlichen Russland. Ihr aktuelles Forschungsprojekt gilt dem Gewissensdiskurs in seiner transkulturellen Verflechtungsgeschichte.

Sie sagt: „Das Ziel historischer Erinnerung in den Kategorien Opfer und Täter ist – aus Staatsräson – nicht eine Überwindung des Traumas, sondern seine ständige Aktualisierung.“

Gasan Gusejnov, ehemals Professor an mehreren russischen Universitäten und heute Gastdozent am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. Ein Schwerpunkt seiner Forschungsarbeiten liegt in der Analyse von Sprache und Rhetorik in der russischen Politik und den Massenmedien.

Gusejnov ist der Meinung, dass „in der schrecklichen Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine bereits im Vorhinein sprachlich vorbereitete Traumata stecken, die nun aus dem Virtuellen ins Reelle übergehen.“

Roman Dubasevych ist Juniorprofessor für Ukrainische Kulturwissenschaft an der Universität Greifswald. Seine Forschungsinteressen gelten u.a. Theorien des kulturellen Gedächtnisses, der transgenerationalen Traumavermittlung sowie kulturellen Repräsentationen des Krieges in der Ukraine.

Er vertritt den Standpunkt, wir würden einen „Krieg historischer Traumata“ erleben.

Durch den Abend leitet Hera Shokohi (Universität Bonn und te.ma-Kuratorin) anhand folgender drei Schwerpunktthemen:

  1. Verbinden oder trennen die Traumata der Vergangenheit Aggressor Russland und die überfallene Ukraine? 

  2. Echokammer Erinnerung: Geschichtspolitik und nationale Identität. Welche Rolle spielen Begriffe wie Faschismus und Genozid?

  3. Nach dem Krieg: Wohin führen die neuen Traumata? Wird nur der Hass bleiben? Welche Voraussetzungen wären nötig, um ihn zu überwinden?

Die Veranstaltung wird online übertragen. Um den drei Gästen zuzuhören, genügt ein Besuch dieser Seite – das eingebettete Video beginnt am Donnerstag, den 20. April 2023 um 18 Uhr. Um mitzumachen und zu kommentieren, benötigt ihr ein te.ma-Konto (wenige Klicks).

Hinweis: In der folgenden Aufzeichnung beginnt die Veranstaltung bei Minute 1:40. Die Kommentarspalte ist weiter offen. Wir werden Fragen, Bemerkungen und Gedanken an Gasan Gusejnov, Roman Dubasevych und/oder Katja Makhotina weiterleiten und den Dialog so am Laufen halten.

Außerdem befindet sich hier ein vollständiges Transkript des Gesprächs.

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Holodomor (dt.: Sterben durch Hunger) bezeichnet die Hungersnot in der Ukraine von 1930-1933. Die Kollektivierungspolitik Stalins sah erhöhte Getreidequoten vor, von denen ein großer Anteil an die sowjetischen Behörden abgegeben werden musste. Im Laufe der Hungersnot und der Agrarkrise durch Zwangskollektivierung traten auch Gesetze in Kraft, die als Grundlage für die Verfolgung und Ermordung der ukrainischen Bauernschaft dienten.

Russki Mir (dt. „Russische Welt“) ist ursprünglich ein Kulturkonzept, das in seiner ideologisierten Form auch zur Legitimierung des russischen Einflusses im postsowjetischen Raum eingesetzt wird. Es betont die soziale Bindungskraft der russischen Sprache und Literatur, der russischen Orthodoxie und eine gemeinsame ostslawische Identität.
Eine wichtige Rolle spielt in dieser Ideologie auch der sowjetische Sieg im Zweiten Weltkrieg, der jeweils am 9. Mai in großen Paraden und darüber hinaus in zahlreichen Produkten der Populärkultur inszeniert wird. Die Russische Welt umfasst ihrem Anspruch nach alle Gebiete, in denen die russische Kultur präsent ist.

Diskussionen
18 Kommentare
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In weniger als 6 Stunden ist es soweit:

Unsere erste Online-Veranstaltung findet statt. Die Gäste (danke für Ihr Vertrauen!) stehen in den Startlöchern, die Technik steht (und wackelt und hat Luft) und unsere Moderation ist auch bereit (tema-Kuratorin @hera_shokohi).

Wir sind gespannt und freuen uns auf euch, auf smarte Kontroversen, auf clevere Nutzerkommentare und auf das Zusammenkommen (wenn auch online) im Allgemeinen.

Bis später! Eure tema-Redaktion

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Liebe Gäste, wenn das Video nicht automatisch startet, bitte ladet einfach die Seite neu! Danke!

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Wie lange wird die Veranstaltung dauern?

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Die Runde mit den drei Diskutierenden bis ca. 19 Uhr, danach haben wir eine offene Diskussion bis 19.30 geplant

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Danke

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Guten Abend, liebe Gäste, auch hier im Kommentarbereich. Ihr könnt an unserer hybriden Veranstaltung aktiv teilnehmen! Bereits während des Livestreams könnt ihr hier Fragen und Gedanken formulieren. Im Diskussionsteil der Veranstaltung wird @hera_shokohi sie dann aufgreifen und an die Diskutierenden weitergeben.

Natürlich könnt ihr auch auf die Kommentare anderer Veranstaltungsbesucher antworten oder ihnen ein „Kudos“ ( ~ Like) hinterlassen.

Wir wünschen einen interessanten und ertragreichen Abend!

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Ein technischer Hinweis: Zum Kommentieren und für Wortmeldungen in der Diskussion, die ungefähr ab 19:00 im Anschluss an das virtuelle Podium beginnen wird, könnt ihr euch mit wenigen Klicks ein te.ma-Konto einrichten (oben rechts auf dem Site oder über diesen Link).

->>>> Wenn ihr die Bestätigungsmail nicht innerhalb von ein paar Augenblicken erhaltet, schaut bitte im Spam-Ordner nach. Sollte es Probleme mit der Kontoeröffnung geben, erreicht ihr uns unter support@te.ma . Auch während der Veranstaltung sind wir für euch unter dieser Adresse erreichbar.

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In einigen Minuten öffnen wir die Bühne – eure Fragen, Gedanken, Bemerkungen geben wir in real time in den Livestream weiter.

Es gab starke und strittige Aussagen heute Abend. Gibt es einen Krieg der Sprachen? Eine Politisierung des Opferbegriffs? Reproduzieren Russland und die Ukraine ein ähnliches Trauma? Welche Rolle spielt das alles für den realen Krieg, für die Zukunft nach dem Krieg?
Einfache Antworten gibt es sicherlich nicht. Euer Input ist willkommen.

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Vielen Dank für die sehr interessante Diskussion. Ich lebe und arbeite seit 2 Jahren in der Ukraine und bin zurzeit in Kyjiw. Ich möchte auf das Argument eingehen, dass sich die Ukrainer:innen ihr “eigenes”, “ukrainisch Russische” aneignen sollten. Könnten Sie dieses Argument ausführen? Wie kann eine “eigene” Aneignung stattfinden, wenn es keine verbale Abgrenzung der Sprache gibt? Was ist der Unterschied zwischen dem “ukrainischen” und dem “russischen” Russischen? Wie kann eine Aneignung aussehen, insbesondere in einer Zeit, in der die russische Sprache bei Millionen von Ukrainer:innen (sowohl im Westen als auch im Osten, sowohl unter ukrainisch Sprechenden als auch unter (früher) russisch Sprechenden) mit dem Aggressor verbunden wird oder gar zu Retraumatisierung führt? Wie kann bei einer “Aneignung” auf die Bedürfnisse von Ukrainer:innen in der Gesellschaft eingegangen werden, die in der jetzigen Aufarbeitung das Russische als historisch aufgezwungen interpretieren? Vielen Dank.

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woher kommt das beleidigende wort für ukrainer "hohol"?
und gibt es ein analoges beleidigendes wort für die russen in ukraine?

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vielleicht
https://en.wikipedia.org/wiki/Moskal

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Wie soll das “Reclaiming” der russischen Sprache in der Ukraine in der Praxis überhaupt funktionieren, wenn die ukr. Politik - bereits vor dem Krieg - das Zurückdrängen der russ. Sprache forciert hat, auf gesellschaftlicher und institutioneller Ebene.

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Immer wieder taucht auf russischer Seite das Narrativ auf, dass die Ukraine kein richtiger Staat sei und wenn überhaupt ihre Existenz der Udssr verdankt.

Wo sieht die Ukraine ihren kulturellen Ursprung und wodurch bildet sich ihr gesellschaftliches Bewusstsein ? Oder ist der Krieg die Geburtsstunde von einer neuen Identität der Ukrainer?

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Wenn ich noch einmal nachfragen darf, warum muss die ukrainische Aufarbeitung/Identitätsfrage nach Beendigung des Krieges über Russland definiert werden? Wenn man den Blick der Ukrainer:innen in den Westen ernst nimmt, und wenn die Ukrainer:innen in ihrer Identitätsfindung unterstützt werden soll, warum muss Russland auch zukünftig der Bezugspunkt für die Ukraine sein, um sich selbst zu definieren (in Abgrenzung, Aneignung, etc.)? Die Geschichte der Ukraine ist doch nicht nur über Russland zu sehen, so erscheint es mir ein wenig in der Diskussion. Vielleicht verstehe ich aber auch Ihre Argumente falsch. Vielen Dank.

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Liebe Gäste, habt vielen Dank für euren Besuch von #Ukraine: Schmerz | Macht | Krieg hier auf te.ma und eure wertvollen Kommentare. Das Video des Livestreams wird hier weiter zugänglich bleiben. Auch Freunde und Kollegen, die heute nicht dabei sein konnten, können die Veranstaltung also jederzeit nachhören und nach-schauen. 

Die Diskussion über diese Fragen bricht sicher mit Ende des heutigen Abends nicht ab. Sie wird uns – bedauerlicherweise – wohl noch lange begleiten, und viele der angesprochenen Themen sind auch über den Zusammenhang dieses Krieges hinaus von Bedeutung. Auch hier auf te.ma kann natürlich weiter diskutiert werden. Ihr könnt uns im Nachhinein mit Fragen oder Bemerkungen taggen (@tema_Redaktion oder @hera_shokohi) und wir werden uns bemühen, sie an Gasan Gusejnov, Roman Dubasevych und/oder Katja Makhotina weiterzuleiten und den Dialog so am Laufen zu halten.

Wir hoffen, dass dieser Abend zu interessanten Gesprächen und Gedanken geführt hat. 

Einen guten Abend an alle, die hier heute hineingeschaut haben!

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Ich möchte mich vorab schonmal bei allen Beteiligten für diese sehr interessante Veranstaltung und Diskussion bedanken. Würde mich sehr freuen, wenn man diese in Zukunft wiederholen könnte. Besonderer Gruß geht an Dr. Roman Dubasevych, bin von seiner Denk- und Geisteshaltung einschleißlich seinen kritischen Ausführungen besonders angetan. Vielen Dank.

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Danke an alle und auch besonders an Hera für die Moderation :)

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