SPECIAL INPUT: Alexandra Sitenko

Lawrows Reisen. Im Wettstreit um den Globalen Süden

Mit Beginn des Krieges gegen die Ukraine hat Russland seine Reisediplomatie in Afrika, Asien und Lateinamerika intensiviert. Zwar trifft es dort auf viele Partner, die sich den westlichen Sanktionen nicht angeschlossen haben. Gleichzeitig verliert Russland politischen Boden im Globalen Süden – und ist immer mehr von der Innenpolitik der Partnerländer abhängig.

Umbruch | Krieg | Europa

Als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine zeichnen sich zwei grundlegende sicherheits- und geopolitische Umbrüche ab. Zum einen erleben wir eine zunehmende Verlagerung der Sicherheitspolitik in Europa hin zu mehr Abschreckung und territorialer Verteidigung. Das geht mit einem Wiedererstarken der Nato einher: Schweden und Finnland haben im Mai 2022 mit dem Nato-Beitrittsprozess begonnen, am 4. April 2023 trat Finnland der Militärallianz bei. Deutschland kündigte eine „Zeitenwende“ an, die eine Neuausrichtung seiner bisherigen Militär-, Sicherheits- und Energiepolitik bedeutet. Zum anderen erleben wir geopolitisch ein Auseinanderdriften des Westens und des sogenannten Globalen Südens. Während sich der Westen weitgehend hinter die Ukraine stellt, ihr mit Waffenlieferungen hilft und Sanktionen gegen Russland verhängt hat, wird die richtige Antwort auf die russische Invasion in vielen Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika, aber auch in den arabischen Ländern, anders gesehen. Die Vereinigten Arabischen Emirate begründeten ihre neutrale Position etwa damit, dass eine Parteinahme die Gewalt fördern würde, statt eine politische Lösung zu unterstützen. Diese Position stößt auch in anderen Ländern des Globalen Südens auf Resonanz.

In der aktuell fluktuierenden Geopolitik entwickelt sich der Globale Süden Stephan Klingebiel zufolge zu einem „hart umkämpften strategischen Partner“. Das gilt sowohl für China und Russland auf der einen als auch für die westlichen Staaten auf der anderen Seite. 

Die Abstimmung in der UN-Vollversammlung am 12. Oktober 2022, die die illegale Annexion ukrainischer Gebiete durch Russland mit großer Mehrheit verurteilte, wurde in den westlichen Medien als „Zeichen einer internationalen Allianz gegen Putin“ bezeichnet, die eine „klare internationale Isolation Russlands“ bedeute. Am 23. Februar 2023 stimmte erneut eine klare Mehrheit der UN für eine Resolution, die Russland zum Rückzug seiner Truppen forderte. Der ukrainische Präsident Selenskyj bewertete dies als ein „starkes Zeugnis der Solidarität der Weltgemeinschaft“. 

Doch nicht alle sehen das UN-Abstimmungsergebnis als ein Zeichen der globalen Geschlossenheit.1 In der Tat zeigen die meisten Staaten in Asien, Afrika, Nahost und Lateinamerika mit ihrer Position bei der UN-Abstimmung zwar, dass sie den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands grundsätzlich ablehnen. Sie demonstrieren jedoch Zurückhaltung, wenn es darum geht, diese Ablehnung mit konkreten politischen Schritten zu untermauern. 

In Deutschland sorgte Ende Januar 2023 beispielsweise die Position des brasilianischen Präsidenten Lula zum Ukraine-Krieg für Enttäuschung und Unmut. Bei der UN-Abstimmung gehörte Brasilien noch der Mehrheit an, die Russland verurteilte. In der Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz deutete Lula jedoch an, dass die Ukraine für den Krieg mitverantwortlich sei, denn: „Wenn einer nicht will, streiten zwei nicht“. Dem deutschen Wunsch nach Munition für die Gepard-Panzer erteilte der brasilianische Staatschef eine Absage und betonte, dass sein Land sich weder direkt noch indirekt an dem Krieg beteiligen werde. Dem brasilianischen Politikwissenschaftler Giorgio Roman Schutte zufolge hat der Krieg in der Ukraine deutlich gezeigt, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs die Wahrnehmungen und Bestrebungen des Globalen Südens überhaupt nicht verstehen. Dazu gehört, dass die Nato-Staaten und ihre Verbündeten in anderen Teilen der Welt vom Globalen Süden nicht unbedingt als die Stimme einer Weltgemeinschaft, die die regelbasierte internationale Ordnung respektiert, wahrgenommen werden.2  

Die Welt bewegt sich auf eine multipolare Konstellation zu, deren Konturen bislang allerdings nur ansatzweise erkennbar sind: China und Russland fordern die Dominanz des Westens offen heraus, während große regionale Player wie Indien, Brasilien, Indonesien oder Südafrika versuchen, in dieser neuen Konfrontation ihre Autonomie zu bewahren.3 Einen Vorgeschmack darauf, wie das geopolitische Tauziehen aussehen könnte, gibt die Position Ägyptens. Wie aus fünf geleakten US-Geheimdienstdokumenten hervorgeht, soll Kairo geplant haben, heimlich Waffen an Russland zu liefern. Nach Gesprächen mit hochrangigen US-Beamten im April 2023 änderte es seine ursprünglichen Pläne und beschloss stattdessen, Artilleriemunition für die Ukraine zu produzieren.

Auch Russland hat seine Diplomatie in Asien, Afrika und Lateinamerika intensiviert. Die am 31. März 2023 veröffentlichte, aktualisierte Konzeption der Außenpolitik Russlands räumt dem Ausbau der Beziehungen zum Globalen Süden sowie regionalen Dialogplattformen im asiatisch-pazifischen Raum, dem Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika Priorität ein. Bereits im ersten Jahr des Kriegs stattete der russische Außenminister Moskaus regionalen Verbündeten mehrere Besuche ab. Anhand dieser Reisen kann nachgezeichnet werden, wie Russland versucht, sich im Kontext der globalen Veränderungen, die durch den Krieg in der Ukraine beschleunigt wurden, neu zu positionieren. 

Auf multilateraler Mission in Südostasien

Während die Welt am Abend des 2. August 2022 mit Spannung die Taiwan-Reise der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi verfolgte, brach der russische Außenminister zu einem offiziellen Besuch nach Myanmar auf.

Lawrow zufolge nimmt das Land eine „ausgewogene und verantwortungsbewusste Haltung“ zur Ukraine-Krise ein. Myanmar sei sich bewusst, dass die Ursachen für die derzeitige Situation in dem Wunsch des Westens liegen, „allen seinen Willen zu diktieren, indem er sich überall auf der Welt Freizügigkeit zunutze macht.“ Myanmar ist das einzige Mitgliedsland im Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), das das Vorgehen Russlands in der Ukraine rhetorisch unterstützt hat. Am 25. Februar sagte der Militärsprecher General Zaw Min Tun, dass „Russland Maßnahmen ergreift, um, erstens, seine eigene Souveränität zu stärken und, zweitens, der Welt zu zeigen, dass es eine Weltmacht ist“. Dennoch stimmte der UN-Vertreter Myanmars für die Resolution vom 2. März 2022, die das Vorgehen Russlands in der Ukraine verurteilt.

Die Widersprüche in den Positionen des UN-Vertreters und des Militärsprechers lassen sich mit der Innenpolitik des Landes erklären. Myanmars Diplomat Kyaw Moe Tun wurde von der 2021 abgesetzten Regierung – der aktuell im Exil lebenden Regierung der Nationalen Einheit (NUG) – ernannt und ist nach wie vor Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, obwohl es Versuche gegeben haben soll, ihn abzusetzen und sogar physisch zu demontieren. Die NUG hat auch selbst Erklärungen veröffentlicht, in denen sie die russische Invasion verurteilt und erklärt, dass das Volk von Myanmar mit den Menschen der Ukraine solidarisch sei. Da Moskau neben Peking zu den wichtigsten Unterstützern der Militärführung von Myanmar zählt, ist die Verurteilung durch die NUG die logische Konsequenz. An der Haltung zur Ukraine-Frage lässt sich somit die politische Spaltung des Landes ablesen. 

Trotz bestehender Gewalt und innenpolitischer Instabilität ist Myanmar für Russland zum einen ein historischer Partner und zum anderen ein Verbündeter mit kompatiblen Interessen: Ähnlich wie Russland, ist Myanmar von der EU mit umfassenden Sanktionen belegt worden und kann die Unterstützung großer internationaler Akteure gut gebrauchen. Russland hilft militärisch und diplomatisch.4 Im Gegenzug bekommt es politische Loyalität von einem der flächengrößten Länder Südostasiens. 

Aus Naypyidaw ging es für Lawrow nach Kambodscha, wo er an der Sitzung des Außenministerrats Russland-ASEAN, dem Außenministertreffen des Ostasiengipfels (EAS) sowie dem regionalen Sicherheitsforum der ASEAN teilnahm. Die Agenda des Kambodscha-Besuchs veranschaulicht somit den multilateralen Charakter von Lawrows Reise. Wie das russische Außenministerium im Vorfeld des Besuchs erklärte, sollte der Schwerpunkt der Gespräche auf der „Stärkung der Position Russlands in der asiatisch-pazifischen Region und der Förderung russischer Ansätze zur Bildung einer gerechten und umfassenden Sicherheitsarchitektur inmitten wachsender geopolitischer Turbulenzen“ liegen. Die neue außenpolitische Konzeption Russlands bekennt sich klar dazu, der Zusammenarbeit mit den Staaten der Region und der ASEAN in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit, humanitäre Hilfe Priorität einzuräumen sowie die Große Eurasische Partnerschaft auf der Grundlage der Zusammenarbeit zwischen der Eurasischen Union (EAEU), der Shanghai Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und der ASEAN zu etablieren. 

Die Absichten sind also ambitioniert, doch das sind sie schon seit Jahren.5 Die tatsächlichen Ergebnisse blieben bislang hinter den hochgesteckten Zielen zurück. Ein Bericht der Carnegie Stiftung von 2020 spricht zwar von einigen Erfolgen bei der Ausweitung von Waffenexporten, des Handels und der Energiekooperation. Die Beziehungen Moskaus zu seinen wichtigsten regionalen Partnern Vietnam, Indonesien und Myanmar hätten ihr volles Potenzial jedoch nicht entfalten können. Die Beziehungen Russlands zur ASEAN seien schwach, weil keine Seite die andere wirklich brauche.6 

Aus russischer Sicht ist das heute anders. Da die Perspektiven für eine westlich-russische Zusammenarbeit auf absehbare Zeit eher düster sind, ist damit zu rechnen, dass Russland viel entschiedener als zuvor um Präsenz in Asien buhlen wird. Es ist bezeichnend, dass die Reise Lawrows zeitgleich mit der Asien-Tournee (Japan, Südkorea, Malaysia, Singapur) von Nancy Pelosi stattfand, einschließlich des brisanten Taiwan-Besuchs.7 Nach eigenen Angaben wollten die USA dadurch ihr Engagement für ihre regionalen Verbündeten zeigen. Vor diesem Hintergrund schien es für Moskau umso wichtiger, sich als einen zuverlässigen Partner zu präsentieren, der, wie die russische Diplomatie betonte, „Kooperation statt Provokation“ in die Region bringen wolle. 

Die Präsenz in Südostasien spielt aufgrund des wachsenden Potenzials dieser Region eine wichtige Rolle für Russlands Außendarstellung: Während es bei westlich geführten multilateralen Gesprächsformaten wie der OSZE oder der Münchner Sicherheitskonferenz kein willkommener Gast mehr ist und mit Boykotten rechnen muss, fehlt es in Südostasien bei keinem multilateralen Format.8 In Neu-Delhi bekam Lawrow Anfang März 2023 die Gelegenheit9, die russische Perspektive auf den Krieg in der Ukraine einem internationalen Publikum zu präsentieren. Für die Staaten der Region ist das eine Gelegenheit, ihre außenpolitische Souveränität zu demonstrieren, während Asien-Besuche Lawrow selbst dazu dienen, Russlands durchaus vorhandenen diplomatischen Optionen jenseits der USA und Europas sowie im asiatisch-pazifischen Raum jenseits Chinas aufzuzeigen. 

Schulterschluss mit Afrika?

Obwohl Südostasien ganz oben bei den regionalen Prioritäten in der außenpolitischen Konzeption steht, hat Russland seit dem 24. Februar 2022 keiner Region so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie Afrika. Insgesamt elf Ländern10 des Kontinents stattete der russische Außenminister seitdem einen Besuch ab. Wie in Südostasien, musste er dabei teilweise mit den USA, aber auch mit China konkurrieren: Chinas Außenminister Qin Gang besuchte Mitte Januar 2023 Äthiopien, Gabun, Angola, Benin und Ägypten, während die US-Finanzministerin Janet Yellen am 21. Januar 2023 fast zeitgleich mit Lawrow auf eine Reise nach Senegal, Sambia und Südafrika aufbrach.

Dass der russische Außenminister seine zweite Afrika-Reise in Südafrika begann, ist nicht verwunderlich. Im Laufe des Kriegs hat Pretoria mehrfach seine Neutralität demonstriert und sich bei UN-Abstimmungen im Zusammenhang mit der Ukraine jedes Mal der Stimme enthalten. Außerdem haben Russland und Südafrika Gemeinsamkeiten in der Außenpolitik: Beide sind Mitglieder der BRICS, befürworten eine multipolare Welt und haben enge Beziehungen zu China. So eng, dass Südafrika nach einem Jahr Krieg in der Ukraine Ende Februar 2023 eine gemeinsame Militärübung mit Russland und China durchführte. Beim Treffen mit Lawrow kündigte die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor an, dass ihr Land „für eine baldige friedliche Lösung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine mit diplomatischen Mitteln eintritt“, da Konflikte in allen Teilen der Welt negative Auswirkungen auf alle Länder hätten und deren Wirtschaft und Gesellschaften schädigten. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa hat angeboten, zwischen den Parteien zu vermitteln. 

Doch wie in Myanmar ist auch in Südafrika die politische Opposition anderer Meinung. Die größte Oppositionspartei, die Democratic Alliance, reagierte negativ auf den Besuch des russischen Ministers und kritisierte die bevorstehenden Militärübungen. Der Abgeordnete Darren Bergmann forderte den südafrikanischen Außenminister Naledi Pandor auf, sich nicht mit Lawrow zu treffen. Die Partei ist seit dem Ausbruch des Kriegs pro-ukrainisch eingestellt. Der Parteivorsitzende John Steenhuizen besuchte Kiew Anfang Mai und hat die Position Pretorias in der UNO kritisiert. Der Bürgermeister von Kapstadt, Jordin Hill-Lewis, ebenfalls von der Demokratischen Allianz, forderte im Oktober 2022 ein Verbot des Zugangs zum Yachthafen von Kapstadt für die Yacht des russischen Milliardärs Alexei Mordaschow. 

Im Gegensatz zu Südafrika waren die Besuche Lawrows in der Republik Kongo und in Uganda ein Novum, keines der Länder hatte er je zuvor besucht. Die Wahl kann kaum zufällig gewesen sein und hat strategische Gründe. Uganda hat 2022 im Namen Afrikas den Vorsitz der Bewegung der Blockfreien Staaten übernommen und wird 2024 das 19. Gipfeltreffen der Vereinigung ausrichten. Inmitten der Konfrontation mit dem Westen liegt Russland viel daran, sich mit möglichst vielen neutralen Staaten gut zu stellen. Kongo und Russland verbinden seit der Sowjetzeit enge Beziehungen. Der heutige kongolesische Außenminister Jean-Claude Gakosso machte 1983 seinen Abschluss an der Fakultät für Journalismus der Leningrader Staatsuniversität. Außerdem enthielten sich Kongo und Uganda bisher bei allen Abstimmungen der UN-Generalversammlung über die Resolutionen, die Russlands Krieg in der Ukraine verurteilten. Generell scheint es eine Korrelation zwischen der UN-Abstimmung und der Auswahl der besuchten Länder zu geben: Der russische Außenminister ist in die Länder gereist, die sich in der UN neutral verhielten oder gegen die Resolution stimmten. Die Republik Kongo, Eritrea11 und Äthiopien sprachen sich gegen den Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat aus, während sich Ägypten und Uganda bei dieser Abstimmung der Stimme enthielten. Äthiopien forderte Russland und die Ukraine offiziell auf, die Feindseligkeiten einzustellen, verurteilte aber keine der beiden Seiten. Die offizielle Position Ägyptens ist weniger eindeutig: Einerseits unterstützte das Land die Resolution der Generalversammlung vom 2. März 2022 und der ägyptische Präsident Al-Sisi führte mehrere Telefongespräche mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Andererseits baut Ägypten auch seine Beziehungen zu Russland weiter aus und unterhält einen regelmäßigen Dialog.

Mehrere Studien zeichnen nach, weshalb Teile afrikanischer Gesellschaften für die russische „Erinnerungsdiplomatie“12 empfänglich waren und sind, wie die Forscherin Jade McGlynn die russischen Initiativen bezeichnet. Die antikolonialen Gefühle sind in den afrikanischen Ländern bis heute stark ausgeprägt und viele Menschen sind der Sowjetunion für ihre Unterstützung der Befreiungsbewegungen dankbar.13 Neben ideologischen Gemeinsamkeiten erleichtern auch personalistische Regierungspraktiken die bilaterale Interaktion. Hinzu kommt eine historische Tradition afrikanischer Blockfreiheit und das Streben nach einer stärkeren Stimme in internationalen Angelegenheiten, die auch die im Westen verwundert zur Kenntnis genommene afrikanische Vermittlungsinitiative im Krieg in der Ukraine erklären können. Der Umstand, dass weder die Beziehungen zu Russland noch zur Ukraine durch negative historische Erfahrungen vorbelastet sind, könnte erklären, warum sich beide Konfliktparteien darauf eingelassen haben.

Positionsabstimmung in Lateinamerika

Russlands Beziehungen zu lateinamerikanischen Ländern erlebten eine schrittweise Aufwertung in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre – ein Prozess, der sich seit 2000 intensiviert hat. Anstelle des vorwiegend ideologischen Ansatzes der Sowjetunion beim Engagement mit lateinamerikanischen Ländern, insbesondere mit Kuba und später Nicaragua als engsten Verbündeten, erweiterte Moskau die Zahl der Partner im 21. Jahrhundert erheblich und stellte die Beziehungen auf eine pragmatische, entideologisierte und sich an wirtschaftlichen Kriterien orientierende Grundlage um. Eine neue Etappe in den russisch-lateinamerikanischen Beziehungen wurde 2010 vom damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew angekündigt, als dieser sagte, dass Russland nach Lateinamerika „zurückgekehrt“ sei.14 

Aktuell unterhält Moskau diplomatische Kontakte mit allen 33 Staaten der Region, wobei die Beziehungen mit einigen dieser Staaten in den zehn letzten Jahren als strategische Partnerschaften eingestuft wurden. Die Verweise auf den strategischen Charakter der russisch-lateinamerikanischen Zusammenarbeit sind zum festen Bestandteil der gegenseitigen politischen Erklärungen russischer und lateinamerikanischer Amtsträger geworden. „Mit mehreren Ländern, wie zum Beispiel Argentinien, Brasilien, Venezuela, Kuba, Nicaragua, Ecuador erreichten oder erreichen die Beziehungen das Niveau einer strategischen Partnerschaft“, stellte 2015 der russische Außenminister fest.  Zu verstehen ist darunter eine langfristige, multidimensionale und privilegierte Zusammenarbeit, die auf kompatiblen Interessen basiert.15 

Umso überraschender ist, dass in der neuen, 2023 veröffentlichten russischen Konzeption der Außenpolitik lediglich in Bezug auf vier Länder Lateinamerikas von „Freundschaft“ und „Partnerschaft“ die Rede ist – Brasilien, Venezuela, Kuba und Nicaragua. Die Beziehungen zu den restlichen Ländern der Region sollen unter „Berücksichtigung des Niveaus ihrer Selbstständigkeit und konstruktiven Kurses ihrer Politik gegenüber der Russischen Föderation“ gefestigt werden. Es scheint kein Zufall zu sein, dass Sergej Lawrows Reise nach Lateinamerika unmittelbar nach der Verabschiedung der neuen Version des russischen außenpolitischen Konzepts erfolgte und nur die in der Konzeption benannten vier Länder umfasste. 

Bei Lawrows Gesprächen in Brasilien wurden bilaterale und multilaterale Themen angesprochen. Die beiden Außenminister erörterten den Stand der bilateralen Beziehungen und betonten, dass der Handelsumsatz zwischen Russland und Brasilien mit 9,8 Milliarden Dollar einen historischen Höchststand erreicht habe. Russland sei für Brasilien nun der dreizehntgrößte Handelspartner. Gleichzeitig sprachen beide Seiten über die Notwendigkeit, das Handelsvolumen weiter zu erhöhen und mehr Bereiche wie die friedliche Nutzung der Atomkraft zu entwickeln. Eines der Themen bei Lawrows Gesprächen in Brasilia war die Friedensinitiative, die der brasilianische Präsident zuerst während seines Treffens mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Januar und später bei seinem China-Besuch im April wiederholt hatte. Lula zeigte sich besorgt über das Ungleichgewicht in der Weltwirtschaft und im System der internationalen Beziehungen, zu dem der russisch-ukrainische Konflikt und die Sanktionspolitik bereits geführt hätten, und kündigte seinen Wunsch an, einen „Club der Länder, die für den Frieden sind“, zu gründen. Während er russische Gebietszuwächse auf der Basis militärischer Gewalt ablehnte, mahnte er gleichzeitig, dass die Ukraine nicht alles haben könne, was ihn wiederum für Moskau zum akzeptablen Vermittler macht. 

Auch in Nicaragua wurden gemeinsame Wirtschaftsprojekte diskutiert, u.a. die Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke sowie eine gemeinsame Impfstoffproduktion in nicaraguanischen Werken. Insgesamt ist der ökonomische Nutzen für Russland in Nicaragua eher gering. Vielmehr spielen auf russischer und nicaraguanischer Seite geopolitische Erwägungen eine zentrale Rolle. Diese bestehen im Wesentlichen darin, „sich den Versuchen des Westens zu widersetzen, seine Hegemonie zu etablieren“. Beim anschließenden Treffen in Moskau machten die Außenminister beider Länder deutlich, dass ihre beiden Staaten vor gemeinsamen Herausforderungen stünden, nämlich „Sanktionen und anderen Methoden der hybriden Kriegsführung, die von den USA und ihren Verbündeten eingesetzt werden“. 

Beide Länder stehen stark in der Kritik: Russland aufgrund seiner Aggression gegen die Ukraine und Nicaragua aufgrund der massenhaften Schließung von NGOs und des Entzugs der Staatsbürgerschaft von mehr als 300 Dissidenten. Die internationale Isolation von Nicaraguas Staatschef Daniel Ortega wurde durch das jüngste Urteil der UN-Expertengruppe verstärkt, die ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft, während gegen Putin ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vorliegt. Außerdem verbindet Moskau und Managua eine enge militärtechnische Zusammenarbeit. Im Januar 2022, als sich der Konflikt um die Ukraine rasant zuspitzte, drohte Moskau damit, im Falle eines Scheiterns der Gespräche über die von Russland geforderten Sicherheitsgarantien Militärstützpunkte in Kuba, Nicaragua und Venezuela einzurichten. Tatsächlich ist ein russischer Militärstützpunkt auf Kuba unwahrscheinlich: Havanna ist sehr auf seine Autonomie bedacht und erinnert sich an die enttäuschende Erfahrung mit Moskau 1962, als es die Kuba-Krise ohne Rücksprachen mit der kubanischen Regierung beendete. In Venezuela ist das Verbot der Eröffnung ausländischer Militärstützpunkte auf seinem Territorium im Artikel 13 der Verfassung verankert.16 Per Dekret erlaubte die Regierung Nicaraguas allerdings im Sommer 2022 russischen Truppen, Flugzeugen und Schiffen die Einreise zur Teilnahme an gemeinsamen Ausbildungsübungen. An sich handelt es sich dabei um ein routinemäßiges, wiederkehrendes Ereignis, das jedoch im Kontext des Kriegs in der Ukraine in einem neuen Licht erscheint und in Washington für Beunruhigung sorgte.17 

Der Besuch Lawrows in Venezuela erfolgte in einer Situation, in der sich die Beziehungen zwischen Caracas und Washington verändern und die USA das vor vier Jahren verhängte Wirtschaftsembargo gegen Venezuela lockern. Anfang Dezember 2022 unterzeichnete der US-amerikanische Ölkonzern Chevron Vereinbarungen mit dem venezolanischen staatlichen Ölunternehmen PDVSA über die Fortsetzung der Ölförderung in Venezuela. Im Januar schickte der US-Konzern die ersten Schiffe mit in Venezuela gefördertem Öl in die USA. Moskau kommt nicht umhin, diese Wende genau zu beobachten. Denn den USA geht es nicht nur um den Ersatz für die weggefallenen Ölimporte aus Russland, sondern auch darum, den russischen Einfluss in Venezuela zu verringern, indem sie auf Maduro zugehen. Für Venezuela wäre eine positivere Entwicklung der Beziehungen zu den USA durchaus wünschenswert, um seine wirtschaftliche Lage zu verbessern.18 Währenddessen sind die Kapazitäten Russlands, das zu verhindern, seit dem Ukraine-Krieg erheblich reduziert worden. Zumindest rhetorisch versuchte Lawrow Caracas dennoch davor zu warnen, den Vereinigten Staaten zu vertrauen, denn „sehr oft täuschen sie eher, als dass sie ihre eigenen Versprechen einhalten“.

Die Bewegung im Verhältnis USA-Kuba ist Moskau wohl ebenso nicht verborgen geblieben und ist, ähnlich wie bei Venezuela, als eines der Motive für die Visite Lawrows zu vermuten.19 Deswegen strebt Moskau eine stärkere ökonomische Präsenz in Kuba an, u.a. in der Sonderentwicklungszone Mariel.20 Außerdem berät Moskau Havanna bei der marktwirtschaftlichen Transformation der kubanischen Wirtschaft – ein Thema, das während des Besuchs von Lawrow zur Sprache kam. Kuba und Russland unterstützen einander traditionell in vielen Fragen der internationalen Politik bilateral und multilateral innerhalb der UN. Moskau verurteilt konsequent das amerikanische Embargo gegen Kuba, während Kuba die Sanktionen und die Politik der Isolierung gegenüber Russland ablehnt sowie die Sichtweise Russlands auf die Ursachen des Kriegs in der Ukraine teilt: „Wir verurteilen mit Nachdruck die Nato-Erweiterung, die sich weiter auf die Grenzen Russlands zubewegt und die Hauptursache für den derzeitigen Konflikt in Europa ist“, artikulierte der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez die Position Havannas beim Treffen mit Lawrow. Eine Renaissance der russisch-kubanischen Beziehungen wie zu Sowjetzeiten ist jedoch nicht zu erwarten. Denn Kuba stehen heute deutlich mehr außenpolitische Partner und Möglichkeiten zur Auswahl, die eine stärkere Autonomie erlauben. 

Der Besuch des russischen Außenministers in Brasilien, Venezuela, Kuba und Nicaragua zeugt von einer Verschiebung von Moskaus Prioritäten in den Beziehungen zu Lateinamerika: Ähnlich wie im 20. Jahrhundert werden im Zuge der Konfrontation mit dem Westen wieder ideologisch-geopolitische Kriterien hervorgehoben und Länder priorisiert, die die russische Position entweder politisch klar unterstützen oder, wie Brasilien, ein langjähriger strategischer Partner sind, der eine demonstrativ neutrale und konstruktive Haltung einnimmt. Mit Ausnahme der Bahamas hat sich offiziell zwar kein lateinamerikanischer Staat den westlichen Sanktionen angeschlossen. Die meisten Länder der Region haben Russlands Aggression in der UN jedoch verurteilt. Die Ausnahmen sind Kuba, El Salvador, Bolivien und Nicaragua (Venezuela durfte nicht abstimmen). Ein Teil der Wirtschaft in Lateinamerika hält sich auf die eine oder andere Weise an die Sanktionsregelung: Der brasilianische Flugzeughersteller Embraer bestätigte im März 2022, dass er die Lieferung von Flugzeugen und Ersatzteilen an Russland aussetzen werde. Auch haben argentinische und chilenische Unternehmen im April 2022 ihre Lithium-Lieferungen an Russland eingestellt

Möglicherweise spielen auch langjährige enge persönliche Kontakte zwischen den aktuellen Regierungen der vier besuchten Länder und Moskau im aktuellen politischen Kontext eine Rolle: Brasiliens Lula, Nicaraguas Daniel Ortega, Venezuelas Nicolás Maduro (Außenminister unter Hugo Chávez) und Kubas Kommunistische Partei (mit Raúl Castro als ihrem Vorsitzenden bis 2021) waren diejenigen, die die Aufwertung der Beziehungen ihrer Länder zu Moskau seit dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert angeführt oder begleitet haben. Damit gelten sie in Moskau als Vertrauenspartner. 

Globaler Süden als eigenständiger Akteur

Auf den ersten Blick suggeriert die diplomatische Weltreise Lawrows, dass Russland weiterhin viele Partner in der Welt hat und Moskaus internationale Isolation, wie vom Westen angestrebt, nicht funktioniert hat. Das stimmt insofern, als Russland tatsächlich weiterhin Partnerschaften in Asien, Afrika und Lateinamerika pflegt. Bei näherem Hinsehen ergibt sich jedoch ein differenzierteres und ambivalenteres Bild: Erstens sind diese Partnerschaften zum Teil abhängig von der Innenpolitik der jeweiligen Länder. Die politischen Positionen gegenüber Russland unterscheiden sich je nach politischem Lager, in Myanmar und in Südafrika gibt es etwa eine klar pro-ukrainische Opposition. Zweitens ist das Partner-Spektrum Moskaus nach der Invasion auch im Globalen Süden kleiner geworden. Das lässt sich in Lateinamerika am deutlichsten beobachten. Mit Loyalität und Unterstützung kann Russland aktuell vor allem in Afrika rechnen, wovon die drei Reisen Lawrows und insgesamt elf Staatsbesuche zeugen. Nicht zufällig plant das ukrainische Außenministerium, im Rahmen seiner diplomatischen Offensive im Globalen Süden ausgerechnet auf dem afrikanischen Kontinent mit zehn neuen Botschaften seine diplomatische Präsenz zu erhöhen und Russland Konkurrenz zu machen. Für den Sommer 2023 haben sowohl Moskau als auch Kyjiw jeweils eine eigene Konferenz mit afrikanischen Staaten angekündigt. 

Der sich intensivierende Wettbewerb um die Gunst der Länder des Globalen Südens sowie ihre aktivere Beteiligung bei der Suche nach einer Lösung für einen militärischen Konflikt im Herzen Europas führen eine wichtige Trendwende vor Augen: Großmächte sind heute kaum mehr in der Lage, ihre Interessen einseitig und gegen den Willen der Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika durchzusetzen. Vielmehr sind sie auf deren Zustimmung angewiesen. Aus der Corona-Pandemie hat der Globale Süden zudem gelernt, dass er sich auf die Industrienationen, die auf dem Höhepunkt der globalen Gesundheitskrise eigene Impfstoffversorgung vor globaler Solidarität stellte, nicht wirklich verlassen kann. In der Haltung des Globalen Südens zeigt sich allerdings auch die Diskrepanz zwischen einem anti-imperialen Reflex gegen den Westen bei gleichzeitig weniger kritischer Haltung gegenüber russischer imperialer Attitüde. 

Insgesamt kann man jedoch sagen, dass in der aktuellen Neupositionierung auf globaler Ebene die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas eigenständige Akteure und nicht mehr Spielfiguren auf dem geopolitischen Schachbrett oder Schauplätze für Stellvertreterkriege zwischen rivalisierenden Blöcken sind. Das ist einer der zentralen Unterschiede zur Blockkonfrontation im 20. Jahrhundert, der die entstehende multipolare Weltordnung prägen wird. Das neue Privileg, zwischen mehreren großen Akteuren zu lavieren und die außenpolitischen Spielräume zum eigenen Vorteil zu nutzen, wird sich der Globale Süden nicht mehr nehmen lassen.

Fußnoten
20

Laut Johannes Plagemann verdeckt die Einigkeit in den Vereinten Nationen, dass die große Mehrzahl der Staaten im Globalen Süden in Wirklichkeit eine andere Wahrnehmung des Ukraine-Konflikts hat als der Westen. Aufgrund größerer Entfernung wird der Konflikt als ein europäisches Problem gesehen und Russland nicht als Bedrohung wahrgenommen. Ferner spielen die ökonomischen Interessen dieser Länder, von denen viele von russischen Rohstoffen abhängen, eine Rolle. Schließlich wird ihre Position von dem Wunsch geleitet, mehr Autonomie in außenpolitischen Beziehungen zu haben und sich in einer zunehmend multipolaren Welt breiter aufstellen zu können. Siehe Johannes Plagemann: Die Ukraine-Krise im Globalen Süden: kein „Epochenbruch“. In: GIGA Fokus Global, April 2022: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/81224

Der Grund dafür ist zum einen, dass der Westen diese Ordnung selbst mehrmals verletzt hat: z.B. 1999, als Belgrad ohne UN-Mandat bombardiert wurde und die Nato das UN-Mandat in Libyen 2011 unilateral ausweitete, oder auch im Irak-Krieg, der auf einer Lüge basierte und aufgrund des fehlenden UN-Mandats als illegal gilt. Zum anderen wird dem Westen vorgeworfen, gleichgültig gegenüber Konflikten im Süden, wie im Jemen und in der äthiopischen Region Tigray, zu sein.

Auch in der Ukraine selbst wird der Krieg als Vorbote eines globalen Wandels vom westlich dominierten hin zu einem multipolaren internationalen System gesehen. S. dazu Iliya Kusa: Russia-Ukraine War: Harbinger of a Global Shift. A Perspective from Ukraine. In: Policy Perspectives, Bd. 19, Nr.1, 2022, S. 7-12. https://doi.org/10.13169/polipers.19.1.ca2 Laut Biscor/Dessein/Roctus meinte Putin mit der oft geforderten Multipolarität eigentlich bloß das Ende der US-amerikanischen Unipolarität. Was er nicht wollte, mit seinem Krieg jetzt aber provoziert hat, ist eine internationale Arena, die von tatsächlicher Multipolarität beherrscht wird, in der Russland um die Unterstützung anderer Staaten konkurrieren muss: Sven Biscop, Bart Dessein & Jasper Roctus: Putin Is Creating the Multipolar World He (Thought He) Wanted. In: Security Policy Brief, Nr. 156, March 2022: https://www.jstor.org/stable/resrep40097.

Die Zusammenarbeit zwischen Moskau und Naypyidaw basiert auf dem Fundament der sowjetisch-burmesischen Beziehungen. Der Weg wurde durch die militärisch-technische Zusammenarbeit geebnet, die bereits in den 1990er Jahren Gestalt annahm. Aktuell zählt Russland zu den größten Waffenlieferanten für das myanmarische Militär und blockiert regelmäßig im UN-Sicherheitsrat Resolutionen, die den Putsch von 2021 verurteilen: https://www.dw.com/en/will-russian-support-for-myanmar-give-moscow-an-asian-foothold/a-64644348.

Im Jahr 2000 betonte der damalige Außenminister Igor Iwanow, dass eine Wiedereingliederung in den asiatisch-pazifischen Raum für die wirtschaftliche Entwicklung Sibiriens und des Fernen Ostens notwendig sei. Während Putins Präsidentschaft priorisierte Russland vor allem zwei Bereiche: Waffenverkäufe, wobei es auf Vietnam, das mit russischen Waffen vertraut war, sowie auf Malaysien, Indonesien und Thailand abzielte. Die zweite Priorität war die Beteiligung am asiatisch-pazifischen Regionalismus, und zwar nicht nur als Gast, sondern als vollwertiger Teilnehmer. S. dazu Leszek Buszynski: Russia and Southeast Asia: A new relationship. In: Contemporary Southeast Asia, Vol. 28, Nr. 2 August 2006, S. 276-296.

Die Gründe dafür werden unter anderem darin gesehen, dass die russische politische Elite eurozentrisch und auf die USA fixiert sei und in Asien die Beziehungen zu China Priorität hätten. Siehe Eugene Rumer, Richard Sokolsky, Aleksandar Vladicic: Russia in the Asia-Pacific: Less Than Meets the Eye, Carnegie Endowment for International Peace, 2020. http://www.jstor.org/stable/resrep26185

Es war der erste Besuch einer so hochrangigen amerikanischen Politikerin in Taiwan seit 1997. Peking hat Washington wiederholt gewarnt, dass Pelosis Reise, sollte sie stattfinden, nicht ohne Folgen bleiben und harte Maßnahmen ergriffen werden würden: https://www.tagesschau.de/ausland/asien/pelosi-asien-reise-taiwan-101.html

Trotz der Invasion der Ukraine lud Indonesien Russland zum G20-Gipfel im November 2022 auf Bali ein. Der russische Außenminister nahm daran teil. Laut einigen Berichten hat die indonesische Regierung außerdem diplomatische Anstrengungen unternommen und sogar Druck auf westliche Staaten ausgeübt, Russland nicht allzu scharf zu verurteilen, damit eine Abschlusserklärung zutanden kommen kann: https://www.politico.eu/article/g20-indonesia-host-pressure-western-leaders-criticize-russia-war-ukraine-invasion-joint-declaration/

Auf dem Raisina Dialogue Anfang März 2023 – Indiens größter internationaler Konferenz zu Geopolitik und Geoökonomie - wurde Lawrow in einem ca. 30-minütigen Interview zu den möglichen Folgen des russischen Einmarsches in der Ukraine befragt: https://theprint.in/diplomacy/a-combative-russian-fm-sergey-lavrov-gets-called-out-for-being-disrespectful-at-raisina-dialogue/1418142/

Im Sommer 2022 besuchte er Ägypten, Äthiopien und reiste erstmals nach Uganda und in die Republik Kongo. Am 23. Januar 2023 begann er seine zweite Afrikareise mit einem Arbeitsbesuch in der Republik Südafrika. Es folgten Aufenthalte in Angola, Eritrea und - zum ersten Mal in der Geschichte der bilateralen Beziehungen - Eswatini (früher Swasiland). Vom 7. bis 9. Februar 2023 fand die dritte Reise nach Mali, Mauretanien und Sudan statt.

Bei der Abstimmung über die Verurteilung Russlands Aggression am 2. März 2022 war Eritrea neben Belarus, Nordkorea, Syrien und Russland unter den Staaten, die dagegen stimmten.

Als „Erinnerungsdiplomatie“ definiert die Autorin eine Form der öffentlichen Diplomatie, bei der Staaten oder politische Gruppen versuchen, ihre Beziehungen und ihr Ansehen zu verbessern, indem sie Gedenkpraktiken und historische Narrative exportieren und mit denen eines anderen Landes in Einklang bringen. Es geht darum, auf diese Weise Erinnerungsverbündete zu schaffen.

Die USA führten in Staaten wie Mosambik oder Angola blutige Stellvertreterkriege gegen die von der Sowjetunion gestützten Befreiungsbewegungen. Siehe dazu William Minter: The US and the War in Angola. In: Review of African Political Economy, Nr. 50, 1991, S. 135-144 und Stephen Emerson: Mozambican Civil War: Marxist-Apartheid Proxy, 1977–1992. Pen & Sword, 2019.

S. dazu den Sammelband von Rouvinski/Jeifets (Hrsg.), Rethinking Post-Cold War Russian-Latin American Relations, Routledge, 2022. ISBN 9781032021256. S. dazu den Sammelband von Rouvinski/Jeifets (Hrsg.), Rethinking Post-Cold War Russian-Latin American Relations, Routledge, 2022. ISBN 9781032021256.

Für weitere Kriterien einer strategischen Partnerschaft und ihre Rolle in den Beziehungen zwischen Russland und Lateinamerika siehe Alexandra Sitenko: Strategische Partnerschaften in der Außenpolitik. Die Beziehungen zwischen Russland und Lateinamerika im 21. Jahrhundert, Budrich Verlag, 2021.

Der russische Botschafter in Venezuela verwies am 23. Januar 2022 auf die venezolanische Verfassung und sagte, dass russische Militärstützpunkte in diesem Land ausgeschlossen seien: https://tass.com/politics/1391923

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland während eines Konflikts mit dem Westen in Europa Truppen nach Lateinamerika schickt und damit für Aufsehen sorgt. Im Jahr 2008, nach dem Georgien-Krieg, brachen Russische Kriegsschiffe nach Venezuela zu ersten gemeinsamen Übungen in Lateinamerika seit dem Kalten Krieg auf: http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/americas/7628899.stm

Vor dem Ölembargo kauften die US-Raffinerien über 40 Prozent des venezolanischen Schweröls ab. Seitdem und bis vor kurzem hatten sie russisches schweres Rohöl als Ersatz verwendet: https://venezuelanalysis.com/news/15689

Am 15. Mai 2022 genehmigte die Regierung Biden im Rahmen ihrer neuen Politik gegenüber Kuba Linien- und Charterflüge zwischen den Vereinigten Staaten und Zielen außerhalb Havannas. Außerdem wurden Gruppenreisen und Bildungsreisen sowie bestimmte Reisen im Zusammenhang mit beruflichen Treffen und Forschung wieder zugelassen. Die Biden-Administration hob auch die Obergrenze von 1.000 Dollar für Familienüberweisungen pro Quartal und Absender-Empfänger-Paar auf und erlaubte Spendenüberweisungen, die über familiäre Zwecke hinausgehen: https://www.wola.org/analysis/us-cuba-relations-old-new-should-come-next/

Dazu gehört, u.a. die Zusammenarbeit im Bereich der Eisenbahntechnik (Modernisierung der gesamten Eisenbahnindustrie in Kuba), die Zusammenarbeit im Bereich der Energie und der Geologie (die wichtigsten Projekte sind die Erkundung und Erschließung des Blocks L auf dem Schelf, die Produktion und die Steigerung der Ölförderung auf dem Feld Boca de Jaruco, die vom russischen Staatsunternehmen „Zarubezhneft“ durchgeführt werden), Zusammenarbeit im Transportsektor und in Pharmazie (Schaffung gemeinsamer Produktion auf Kuba): https://video.tpprf.ru/novosti/news/7855/

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