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Gender and Race: (What) Are They? (What) Do We Want Them To Be?

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Gender and Race: (What) Are They? (What) Do We Want Them To Be?

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Geschrieben von Dennis Yücel

Bei te.ma veröffentlicht 24.03.2023

te.ma DOI 10.57964/ft9q-mw05

Geschrieben von Dennis Yücel
Bei te.ma veröffentlicht 24.03.2023
te.ma DOI 10.57964/ft9q-mw05

Was genau bedeutet eigentlich Gender? Die Philosophin Sally Haslanger nimmt eine radikal politische Begriffsbestimmung vor. Für sie hat der Begriff dann einen Sinn, wenn er auf soziale Ungleichheiten verweist – und dazu beiträgt, diese zu bekämpfen.

Sex und Gender. Die Unterscheidung zwischen dem sogenannten „biologischen Geschlecht“ und dem sogenannten „sozialen Geschlecht“ leuchtet intuitiv zunächst ein. Doch auf den zweiten Blick verkompliziert sich die Lage schnell. Die zeitgenössische Biologie ist sich über die Frage, wie sich Geschlecht bestimmen lässt, keineswegs so einig, wie es einige konservative Stimmen gerne hätten. Sozialwissenschaftliche Studien weisen zudem darauf hin, dass auch der Blick der Naturwissenschaften sozial geprägt ist

Nicht minder kompliziert stehen die Dinge in Hinblick auf Gender. Der Hinweis, dass etwas „sozial konstruiert“ sei, kann allein noch keine Antwort darauf liefern, was dieses „Etwas“ sein möge. Was können, sollten, müssen wir unter Gender verstehen? 

Den Versuch einer Antwort formuliert Sally Haslanger im Jahr 2000, zu einer Zeit, als, wie sie bemerkt, der Begriff aus der akademischen Welt zunehmend in Alltagskonversationen schwappt, ohne dass dabei Einigkeit über dessen Bedeutung bestünde. Für einige ist Gender Ausdruck subjektiver Identität. Für andere meint der Begriff hingegen eine Sammlung von Attributen, die als gesellschaftliche Ideale für „Maskulinität“ beziehungsweise „Feminität“ gelten. Wieder anderen kommt der Begriff als eine höfliche oder mondäne Art gelegen, über Geschlecht zu sprechen – „Gender“ ersetzt dann lediglich den Begriff „Sex“.

Gegen diese Unbestimmtheit wendet sich Haslanger in ihrem Aufsatz mit einer entschiedenen Definition. Sie definiert Gender als soziale Position, als Ausdruck eines Zwei-Klassen-Systems, in dem Männern die dominante und Frauen die untergeordnete Stellung zukommt. 

Haslanger will damit keine allgemeingültige Begriffsbestimmung vorlegen. Sie verfolgt einen pragmatistischen Ansatz und fragt nicht, woher Begriffe kommen oder worauf sie verweisen – sondern welchem Zweck sie dienen (können). Wozu haben wir bestimmte Begriffe und wie können wir sie nutzen, damit sie unseren Zwecken dienlich sind? 

Aus ganz unterschiedlichen Möglichkeiten, wie sich Gender definieren und begreifen ließe, wählt Haslanger deswegen gezielt diejenige aus, die ihr am zweckdienlichsten erscheint. Der Zweck, den ihr Gender-Begriff erfüllen soll, ist dabei ein explizit politischer. Haslanger reiht sich in eine feministische und antirassistische Sozialtheorie ein und fragt von dort aus: Was kann ein bestimmter Begriff von Gender im Kampf gegen soziale Ungleichheiten leisten? Welche Definition von Gender kann als Werkzeug für Geschlechtergerechtigkeit dienen? 

Gender bezeichnet für Haslanger daher nicht lediglich den Umstand, dass Geschlecht auch sozial kodiert und konstruiert wird. Ihr Genderbegriff soll sichtbar machen, wie verschiedene Körper aufgrund geschlechtlicher Merkmale in einer sozialen Hierarchie positioniert werden. 

Eine „Frau“ ist in Haslangers Perspektive vor allem eine Person, die ökonomisch, politisch, legal, sozial benachteiligt wird und zwar auf Grundlage von beobachteten oder unterstellten Merkmalen, die als Hinweis auf eine biologisch weibliche Rolle in der Fortpflanzung gelesen werden. Ein „Mann“ ist umgekehrt eine Person, die auf Grundlage dieser Merkmale gesellschaftlich privilegiert wird. 

Es lässt sich einer solchen Perspektive entgegnen, dass Gender weitaus mehr Facetten habe. Man könnte etwa einwenden, dass Frau-Sein mehr bedeutet, als soziale Benachteiligung zu erfahren, oder dass es Frauen gibt oder geben könnte, die nicht in solcher Weise unterdrückt oder benachteiligt werden, dass sie nach Haslangers Definition als Frau gelten könnten. 

Doch beide Einwände zielten an Haslangers Anliegen vorbei: Gender ist für die Philosophin eine Kategorie, die ausschließlich in Hinblick auf eine feministische Kritik an bestehenden Machtverhältnissen sinnhaft ist. Wenn diese Verhältnisse überwunden sind, gibt und braucht es kein Gender, kein „Mann“ und „Frau“ mehr. In der Tat wäre eine weibliche Person, die aufgrund ihrer Weiblichkeit keinerlei Benachteiligung erfährt, für Haslanger keine „Frau“ mehr. Am Horizont erscheint die Möglichkeit einer non-binären Gesellschaft, die für Haslanger immer auch non-hierarchisch ist.

Man muss Haslanger in dieser Zuspitzung nicht folgen. Doch gerade in seiner radikal politischen Bestimmung kann ihr Genderbegriff auch in der heutigen Debatte eine produktive Rolle spielen. Haslanger unterstreicht, dass „sozial konstruiert“ eben nicht bedeutet, dass es sich um Beliebigkeiten handelt, sondern – im Gegenteil – um sehr reale Machtverhältnisse, die unsere Gesellschaft hierarchisch prägen. Der Aufbruch des zweigeschlechtlichen Systems ist für sie keine Frage von Identität und Anerkennung, sondern eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Zugleich eröffnet ihr Werk auch methodisch neue Perspektiven, wie etwa der ZEIT-Journalist Lars Weisbrod anlässlich eines 2022 erschienenen deutschen Sammelbandes herausstellt. Ihr politischer Konstruktivismus verbindet sich mit einer analytischen Strenge, die über gegenwärtige Kulturkämpfe und einen blinden Relativismus hinausweist. 

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