Christiane Ulbrich stellt vor:

Lakoff and Women’s Language: A Critical Overview of the Empirical Evidence for Lakoff’s Thesis

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Lakoff and Women’s Language: A Critical Overview of the Empirical Evidence for Lakoff’s Thesis

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Geschrieben von Christiane Ulbrich

Bei te.ma veröffentlicht 10.10.2022

te.ma DOI 10.57964/jw7b-1h91

Geschrieben von Christiane Ulbrich
Bei te.ma veröffentlicht 10.10.2022
te.ma DOI 10.57964/jw7b-1h91

Robin Lakoffs Studie über die sprachlichen Marker und sozialen Implikationen von sogenannter „Frauensprache“ hat insbesondere in den zwei Jahrzehnten danach viele sprachwissenschaftliche Arbeiten angeregt. Amalie Due Svendsen stellt in ihrem Forschungsbericht vier dieser Studien vor, die Lakoffs Thesen mit sprachwissenschaftlichen Methoden kritisch überprüft haben.

Laut Lakoff enthält die von Frauen genutzte Sprache eine Vielzahl von geschlechtsspezifischen Merkmalen, wie die häufigere Verwendung leerer Adjektive (göttlich, bezaubernd, wunderschön), parenthetische Verben (ich vermute, ich schätze, ich denke, ich glaube, ich bilde mir ein), Heckenausdrücke (vielleicht, zugegebenermaßen, möglicherweise, wahrscheinlich, mutmaßlich)) sowie Bestätigungsfragen oder Anhängsel (oder?, nicht?, nicht wahr? und stimmt’s?) als bei Männern. Die Funktion von Bestätigungsfragen etwa besteht darin, eine klare Aussage oder eine Ja-Nein-Frage zu vermeiden und stattdessen eine Bestätigung der eigenen Aussage durch den Adressaten zu erhalten. Darüber hinaus signalisieren Bestätigungsfragen in Situationen, in denen sie im Sprachkontext nicht legitimiert sind, dem Gegenüber, dass die Sprecherin verunsichert sein muss. Das wirkt nachvollziehbar, aber ist es wirklich so einfach? 

Amalie Due Svendsen stellt in ihrem Paper vier Studien vor, die Lakoffs Generalisierungen in den zwei Jahrzehnten nach Veröffentlichung von „Language and Woman’s Place“ in Frage stellten.1 Sie zeigen, welche unterschiedlichen Funktionen Bestätigungsfragen in sprachlichen Kontexten haben können. Neben einer Vielzahl von sozialen Funktionen sind sie Ausdruck von Höflichkeit oder der Sorge des Sprechers um die Gefühle des Adressaten. 

Sie können etwa die soziale Wucht von persönlicher Kritik entschärfen, wie beispielsweise Janet Holmes in einer Korpusanalyse feststellt.2 Danach seien Bestätigungsfragen nicht nur als Ausdruck für das fehlende Durchsetzungsvermögen einer Sprecherin zu verstehen, sondern im Gegenteil auch als deren Bemühung um sozialen Ausgleich. 

Pamela Fishman bestätigt mit einer Analyse häuslicher Gespräche zwischen Männern und Frauen zunächst Lakoffs Beobachtung, wonach Frauen häufiger Bestätigungsfragen gebrauchen.3 Sie wertet diese jedoch nicht (nur) als Ausdruck weiblicher gesellschaftlich erlernter Unsicherheit, sondern als strategisches Mittel, um Kommunikation überhaupt zu ermöglichen. 

Laut Linda Carli wiederum wirkt der durch zahlreiche Bestätigungsfragen geprägte Sprechstil von Frauen zwar vorsichtig, jedoch wird dieser Stil als subtile und weniger direkte Art genutzt, um auf Männer bewusst Einfluss zu nehmen und die eigenen Ziele zu erreichen.4 

Deborah Cameron, Fiona McAlinden und Kathy O’Leary bestätigen in ihrer Analyse von aufgezeichneten Rundfunkmaterialien, dass deutlich mehr Variablen berücksichtigt werden müssen, um die Komplexität von Bestätigungsfragen zu verstehen.5 In ihren Quellen sind auch  die gesellschaftliche und soziale Machtstellung sowie die Gesprächsrolle der Sprecherposition für die Interpretation von Bestätigungsfragen entscheidend.  

So zeigt sich, dass Bestätigungsfragen viele Funktionen im Sprachgebrauch ausüben können. Sie ermöglichen etwa Formen von vorsichtiger Sprache und respektvollen sozialen Umgang. Der Forschungsbericht von Amelie Due Svendsen zeigt, dass die von Lakoff ausgemachten Merkmale und daraus erwachsenen Generalisierungen aus sprachwissenschaftlicher Sicht bereits in den frühen 1990er Jahren inhaltlich nicht mehr zu halten waren. Heutige Untersuchungen sind insgesamt breiter gefächert und fachspezifischer geworden, was sich vor allem mit der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Methoden erklärt. Sie beziehen sich entsprechend nicht mehr direkt auf Lakoffs Thesen. 

Dennoch war und ist Lakoff’s Buch eine Inspiration für Generationen von Forschern und wurde über die Wissenschaft hinaus breit rezipiert. Robin Lakoff konnte wohl auch kaum anders, als ihre Thesen provokant und generalisiert vorzutragen, um die Botschaft, die Diskriminierung von Frauen auf sprachlicher Ebene, überhaupt versteh- und hörbar zu machen.


Fußnoten
5

Vgl. Robin Lakoff: Language and Woman’s Place. In: Language in Society. Band 2, Nr. 1, 1973, S. 45-80.

 Vgl. Janet Holmes: Hedging your bets and sitting on the fence: Some evidence for hedges as support structures. In: Te Reo. Nr. 27, 1984, S. 47-62.

Vgl. Pamela M. Fishman: Interaction: The work women do. In: Social Problems. Band 25, Nr. 4, 1978, S. 397-406.

Vgl. Linda L. Carli: Gender, language, and influence. In: Journal of Personality and Social Psychology. Band 59, Nr. 5, 1990, S. 941-951.

Vgl. Deborah Cameron, Fiona McAlinden, Kathy O’Leary: Lakoff in context: The social and linguistic functions of tag questions. In: Jennifer Coates, Deborah Cameron (Hrsg.): Women in their speech communities. Longman Group UK Limited, New York 1988, S. 74-93. 

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