Intuitiv könnte man annehmen, dass Zweisprachigkeit die Sprachkompetenz stärkt. Wer zusätzlich zur Erstsprache eine weitere Sprache beherrscht, könnte man glauben, erweitert Wortschatz und Horizont, trainiert Sprachgefühl und semantisches Verständnis. Tatsächlich scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein. Zahlreiche psycholinguistische Studien zeigen, dass bilinguale Menschen in ihren beiden Sprachen durchschnittlich schlechter abschneiden als Menschen, die nur eine Sprache beherrschen. In Tests zeigen bilinguale Kinder und Erwachsene etwa durchschnittlich einen kleineren Wortschatz als monolinguale Menschen. Sie reagieren durchschnittlich auch langsamer und weniger präzise, zum Beispiel wenn sie Gegenstände benennen müssen. Selbst alltägliche Wörter kommen zweisprachigen Menschen in diesen Studien durchschnittlich langsamer in den Sinn als einsprachigen Menschen – und das selbst, wenn sie nur in ihrer dominanten Sprache getestet werden.
Gleichzeitig zeigen verschiedene Untersuchungen jedoch auch kognitive Stärken von bilingualen Menschen.
In der vorliegenden Studie haben sich die Psycholog*innen Ellen Bialystok, Fergus Craik und Gigi Luk zahlreiche dieser Studien angesehen. Ihre These: Beide Ergebnisse – sowohl das schlechtere Abschneiden von bilingualen Menschen bei Sprachtests als auch ihr Vorteil bei den
Die Forschung geht nach heutigem Stand nicht davon aus, dass in einem bilingualen Gehirn zwei voneinander getrennte Sprachsysteme vorliegen, die je nach Kontext separat aufgerufen werden können. Stattdessen stützen aktuelle Untersuchungen die These, dass sich beide Sprachsysteme in einer konstanten Interaktion befinden – und zwar selbst dann, wenn eine der Sprachen gerade gar nicht gebraucht wird.
Müssen zwei Sprachen im Kopf konstant auseinandergehalten werden, beansprucht dies zusätzliche kognitive Ressourcen. Dies könnte sowohl der Grund sein, warum bilinguale Menschen in der Regel langsamer Wörter finden als monolinguale Menschen (ihre Gehirne haben mehr zu tun und müssen aus zwei Sprachsystemen auswählen), als auch, warum bilinguale Menschen in anderen kognitiven Tests besser abschneiden. Bialystok, Craik und Luk entwickeln auf Grundlage diverser Studien die These, dass Zweisprachigkeit Anforderungen an das kognitive System stelle und Gehirnregionen beanspruche, die normalerweise nicht für die Sprachverarbeitung genutzt werden. Bilinguale Menschen trainierten diese Systeme somit konstant.
Vor diesem Hintergrund entwickeln die Autor*innen schließlich ihre These, dass Zweisprachigkeit auch das Auftreten von Demenzsymptomen hinauszögern könnte. Eine unter anderem von Bialystok und Craik durchgeführte Studie lieferte hier bereits erste Anhaltspunkte.
Bilingualität verbessert nach der in vorliegender Studie aufgeführten Datenlage also nicht unbedingt die Sprachfähigkeiten