Die zentrale Botschaft des 2018 veröffentlichten Buches von William H. Hill ist tragisch: Die militärische Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine seit 2014 – und damit das Scheitern gemeinsamer Sicherheitsinstitutionen in Europa – sei das Ergebnis von Entscheidungen, die zwar in ihrer jeweiligen Zeit sinnvoll erschienen, letztendlich aber zur Entfremdung zwischen Russland und den westlichen Staaten geführt haben. Die Institutionen, die Europa und die USA schufen, um Frieden und Stabilität zu wahren, wurden vom Kreml als Versuch aufgefasst, Russland auszuschließen. Der Niedergang einer funktionierenden Sicherheitsordnung in Europa nach 1989 war Hill zufolge ein diplomatischer Prozess voller unintendierter Konsequenzen und zunehmend divergierender Wahrnehmungen.
Weder Russland noch die europäischen Staaten oder die USA hätten es vollbracht, einen Platz für Russland innerhalb einer gemeinsam verwalteten Sicherheitsarchitektur zu schaffen. Hinter diesem Scheitern verberge sich jedoch keine lang angelegte, singuläre Strategie, Russland klein und isoliert zu halten. Auch könne für die Entzweiung kein vermeintlich gebrochenes Ur-Versprechen verantwortlich gemacht werden, demzufolge sich die Nato nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht weiter gen Osten ausdehnen sollte.
Tatsächlich habe es zahlreiche Überlegungen gegeben, Russland zu integrieren, zwischenzeitlich sogar in die Nato oder die EU. Hill argumentiert, dass diese Versuche zwar durchaus ernsthaft in Betracht gezogen wurden, letztendlich aber scheitern mussten. So hätten sich russische Politiker*innen nach dem Ende der Sowjetunion in erster Linie eine neue, pan-europäische Sicherheitsarchitektur gewünscht, die von allen Beteiligten gemeinsam entworfen werden sollte. Stattdessen sei Russland jedoch mit zwei Entwicklungen konfrontiert worden, die langfristig zu neuen Spannungen geführt hätten. Zum einen kam es zum Weiterbestehen und zur Expansion der Nato, obwohl die Ursachen ihrer Gründung mit dem Ende des Kalten Kriegs obsolet geworden waren. Andererseits entstand durch die Gründung und Erweiterung der EU ein neuer mächtiger Akteur im westlichen Institutionengefüge, der zwar militärisch ambitionslos war, aber ökonomische Anziehungskraft entfaltete. Zwar seien beide Prozesse nicht gegen Russland gerichtet gewesen. Sie hätten jedoch innerhalb der russischen Elite zunächst zu Enttäuschung, später zu Entfremdung und letztendlich zu einer deutlich konfrontativen Außenpolitik gegenüber dem Westen geführt.
Hill, ein langjähriger außenpolitischer Berater wie auch Russlandhistoriker, zeigt, dass es durchaus eine Wachstumsdynamik westlicher Institutionen gab, die eine ernstzunehmende Wirkung auf Russland hatte. Die Konsolidierung und Ausweitung exklusiver westlicher Institutionen wurde im Kreml gezielt benutzt, um den „
Dass sich diese Wahrnehmung zu einer harten anti-westlichen Identität verdichtete, könne jedoch nicht einzig der Nato und der EU angelastet werden, so Hill, sondern habe viel mit innerrussischen Entwicklungen zu tun. Das Tragische der vergangenen 25 Jahre sei dabei, dass viele der Abkommen, Gipfel und Organisationen durchaus sinnvoll für alle Beteiligten erschienen. Langfristig seien die Hoffnungen auf beiden Seiten jedoch regelmäßig enttäuscht worden – letztendlich eine Folge unterschiedlicher Ziele und Wahrnehmungen der durchaus vorhandenen gemeinsamen Errungenschaften. Eine vorzeitige Zäsur sei mit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 erreicht worden: Während diese Russlands endgültigen Bruch mit der europäischen Sicherheitsordnung markierte, hauchte sie der Nato und damit der von der russischen Führung als maßgebliches Feindbild dargestellten Organisation neues Leben ein.
Darüber hinaus zeigt Hill, dass sich Sicherheitsorganisationen wie die
Hills detailreiche Studie trägt auf vielfältige Weise zum Verständnis der Vorgeschichte des russisch-ukrainischen Krieges seit 2022 bei.
Diese innenpolitischen Faktoren bleiben jedoch ohne eine Einbettung in den europäischen und globalen sicherheitspolitischen Kontext seit dem Fall der Berliner Mauer unverständlich. Obwohl 2018 der vier Jahre später stattfindende Angriff Russlands noch nicht absehbar war, rekonstruiert No Place for Russia somit einen wichtigen Ausschnitt der internationalen Diplomatiegeschichte, die Teil des Kriegsursachenkomplexes ist.