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Anti-Faschismus im Dienste des Diktators

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Violeta Davoliūtė2022

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Geschrieben von Hera Shokohi

Bei te.ma veröffentlicht 24.11.2022

Geschrieben von Hera Shokohi
Bei te.ma veröffentlicht 24.11.2022

Violeta Davoliūtė stellt den russischen Überfall auf die Ukraine in den Kontext des Antifaschismus-Diskurses des Putin-Regimes. Dieser habe seine Wurzeln in der sowjetischen Popkultur der 1970er Jahre.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine sei ein Ausdruck von „life imitating art“, so die Historikerin Violeta Davoliūtė. Für den Krieg und dessen ideologische Vorbereitung habe der Antifaschismus-Diskurs der Sowjetunion eine große Bedeutung. So diente der sowjetische Sieg über das nationalsozialistische Deutschland bereits der UdSSR als Legitimation und  diskursiver Rahmen gegenüber der Gesellschaft. Bis heute löse die Fixierung auf den Zweiten Weltkrieg eine dynamische Gefühlsmischung in der Gesellschaft aus. Nostalgie, das Selbstverständnis einer historischen Sonderrolle der eigenen Nation und nicht zuletzt das Bedürfnis, Russland erneut als große geopolitische Macht etablieren zu wollen, seien hierbei die dominierenden Gefühle. Diese Gefühlsrealität spiegelte sich, so Davoliūtė, bereits in der sowjetischen Film- und Medienindustrie wider. Viele sowjetische Filmproduktionen ließen eine „kryptische Faszination mit dem Nationalsozialismus“ erkennen: Ein Leitmotiv dieser Filme seien etwa sowjetische Spione, die undercover bei den Nationalsozialisten ermitteln.

Dieser Umgang der sowjetischen Medienkultur mit dem Nationalsozialismus habe zu einer Konstruktion des faschistischen „absolut Anderen“ geführt – einem radikalen Gegenentwurf zur sowjetischen Identität. Davoliūtė sieht im Putinismus eine Wiederbelebung dieses Umgangs mit dem Nationalsozialismus. In diesen Filmen kehrt kontinuierlich das Motiv des starken Mannes wieder, der den Feind „von innen“ zerstört. Folglich sei der Putinismus von männlicher Dominanz und einem imperialen Machtbedürfnis gekennzeichnet.

In ihrer vergleichenden Analyse der Film- und Medienkultur der späten Sowjetunion und des putinistischen Russlands kommt Davoliūtė zum Schluss, dass der Putinismus die Ästhetik der 1970er Jahre wieder aufgreift und Russland als Bekämpfer des Faschismus darstellt. In diesen Kontext lasse sich auch der Krieg in der Ukraine einbetten: Die Ukraine werde zum „faschistischen Anderen“ stilisiert, während Russland an eine antifaschistische Tradition anknüpfen könne, die bereits die geopolitische Bedeutung der Sowjetunion begründet habe.


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