Die Hypothese erscheint zunächst einleuchtend: Sprache A nimmt Wörter und grammatische Strukturen aus Sprache B auf und infiziert sich so metaphorisch mit „Strukturitis“. Im nächsten Schritt sind die Sprachen vermischt und im übernächsten ist Sprache A vergessen und nur noch Sprache B wird gesprochen. Das Problem dabei: Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass diese Sprachmischung, bei der nur eine Sprache übrig bleibt, tatsächlich passiert. In der Geschichte der Sprachwissenschaft sind schon viele Sprachen ausgestorben, aber ein Prozess des Sprachtodes durch graduellen Strukturwandel ist laut Johanson noch nicht beobachtet worden.
Wenn eine Sprache ausstirbt, sind die Gründe dafür meistens sozialer und politischer Natur, erklärt der Autor. In einer Umgebung, in der eine dominante Sprache B vorherrschend ist, kann sozialer Druck entstehen und zu einer negativen Einstellung gegenüber Sprache A führen. Wenn diese als „primitiv“ oder „Bauernsprache“ bezeichnet wird, vermeiden Eltern möglicherweise, Sprache A an ihre Kinder weiterzugeben, oder tun dies nur unvollständig in der Annahme, Sprache B sei nützlicher, wirtschaftlich sinnvoller oder allgemein besser. Dies beobachten wir zurzeit in Norddeutschland am Beispiel der niederdeutschen Sprache.
Der Prozess des graduellen Rückgangs der Sprachnutzung und die Unterbrechung der Sprachweitergabe an die nächste Generation wird oftmals begleitet von Sprachkontakt mit einer dominanten Sprache, der sich in Entlehnungen und
Tatsächlich verwendet Johanson die Worte „Loan“ oder „Borrowing“ nur, um die dahinterstehende Metapher des Leihens zu kritisieren. In seiner Theorie werden Wörter nicht geliehen oder übernommen, sondern kopiert. Beim sogenannten Code-Copying wird eine Kopie des Wortes erstellt, die niemals komplett identisch mit dem Original ist. Die Kopien werden sowohl
Viele Sprachen haben vom Code-Copying intensiv Gebrauch gemacht. Laut Johanson ist jede Sprache der Welt im Laufe ihrer Geschichte von anderen Sprachen beeinflusst worden. Es wurde bisher jedoch nicht beobachtet, dass eine Sprache durch massives Code-Copying in ihrer Grundstruktur angegriffen und dadurch bedroht wird. Hinzu kommt, dass einige Elemente einer Sprache fast nie durch Kopien aus anderen Sprachen ersetzt werden. Dazu gehören grammatische Elemente wie
Mit seinem Artikel liefert Johanson stichhaltige Argumente dafür, dass die Phänomene Sprachkontakt und Sprachtod getrennt voneinander analysiert werden müssen. Das Modell des Code-Copying unterstützt dies, indem es eine Alternative zu den in der Kontaktlinguistik gängigen Metaphern des Leihens („loanword“, „borrowing“) bzw. Spendens und Empfangens („donor-“ oder „recipient language“) bietet.