Hudsons 2015 veröffentlichter Artikel zeichnet einen wichtigen Aspekt der Vorgeschichte des russischen Angriffs auf die Ukraine vom 24. Februar 2022 nach. Zwar ist die Invasion der endgültige Beweis, dass Russlands Versuche, die Ukraine mit nicht-militärischen Mitteln in den eigenen politischen Orbit zu integrieren – etwa im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU)
Der Arbeit liegt das Soft-Power-Konzept des US-amerikanischen Politologen Joseph Nye zugrunde: Die Macht einflussreicher Staaten beruht demnach nicht nur auf ihren militärischen und ökonomischen Fähigkeiten (Hard Power), sondern insbesondere auch auf der kulturellen Attraktivität, die international ausgeübt wird. Diese indirekte Macht führt nicht zu einer unmittelbaren außenpolitischen Verhaltensänderung des Ziellandes, erlaubt aber, Einstellungen, Diskurse und Wahrnehmungen im Zielland zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.
Insbesondere in den Jahren nach der
Für ihre Studie befragte Hudson mehrere Gruppen von ukrainischen Studierenden in Charkiw, Donezk, Kiew und Lwiw, wie sie zu Russland und der Idee einer russischen Zivilisation stehen, die über die Grenzen des gegenwärtigen Russlands hinausreicht. Ihre Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild der ukrainischen Wahrnehmung Russlands. So stimmten die Befragten zwar zu, dass es durchaus so etwas wie eine beachtenswerte russische Zivilisation gebe, deren Werte und Kultur man schätze. Dieser Effekt war in Donezk, Charkiw und auch Kiew ausgeprägter als im westukrainischen Lwiw. Gleichzeitig stand der Wahrnehmung einer attraktiven russischen Zivilisation aber auch ein kritisches Narrativ gegenüber. Für die Befragten stand fest, dass hinter der kulturellen Attraktivität des Russischen ein neo-imperialer Versuch der politischen Einflussnahme stehe. Der Verdacht der versteckten machtpolitischen Agenda verringerte demnach die Wirksamkeit russischer Soft Power erheblich.
Für Nye, den „Erfinder“ des Konzepts der Soft Power, stand bereits 2013 fest, dass Länder wie China und Russland zwar versuchen würden, attraktiver auf ihr internationales Umfeld zu wirken, dabei aber allzu instrumentell und letztendlich doch mit harten machtpolitischen Zielen vorgehen würden.