Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen untersuchen zunehmend, welche Auswirkungen das menschliche Handeln auf die ökologischen Systeme der Erde hat. Unter der Prämisse, dass sämtliches Leben untrennbar miteinander verbunden ist, streben sie eine ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen Systeme und deren wechselseitiger Beziehungen an, um daraus Empfehlungen für eine nachhaltigere Lebensweise abzuleiten. Dabei ist schnelles Handeln so gefragt wie noch nie. Wie krank ist unser Planet bereits? Welche Maßnahmen sind nötig, um weiteren Schaden abzuwenden? Und in welchem Verhältnis stehen sie zu den Interessen von Politik und Gesellschaft? Um diese Fragen zu beantworten, überlegen wir zunächst, welche ökologischen Systeme für die Gesundheit des Planeten essentiell sind und wo deren Belastungsgrenzen liegen. Dann schauen wir uns an, wie menschliche Eingriffe die Umwelt verändern und wo dies zu einem Übertreten der planetaren Belastungsgrenzen führt. Danach geht es um die vielfältigen negativen Effekte, die sich daraus für uns ergeben. Außerdem betrachten wir das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Geht es beim Thema Umweltschutz am Ende doch nur um menschliche Bedürfnisse? Und welche Rechte sollten wir ihr zusprechen? Zuletzt soll besprochen werden, wie wir auf politischer und gesellschaftlicher Ebene mit den gewonnenen Erkenntnissen umgehen und mit ihrer Hilfe neue Strategien zur Abmilderung und Bewältigung der Klimakrise entwickeln können.
1. Ökologische Systeme
Die Ressourcen unseres Planeten sind endlich. In gleicher Weise existieren Grenzen, bis zu denen die ökologischen Systeme Veränderungen tolerieren, ohne dadurch aus dem Gleichgewicht zu geraten. Doch wie geht es unserer Erde aktuell? Wann erreichen wir sogenannte Kipppunkte, die möglicherweise irreversible Umweltveränderungen mit sich bringen?
Planetare Belastungsgrenzen
Als planetare Belastungsgrenzen werden bestimmte Schwellenwerte für neun zentrale biophysikalische Systeme und Prozesse der Erde bezeichnet, bei deren Überschreitung sie aus dem ökologischen Gleichgewicht gerät. Das Konzept wurde von Johan Rockström und seinem Team am Stockholm Resilience Center entwickelt. Sie zeigen, dass von den neun quantifizierten Belastungsgrenzen bereits sechs überschritten wurden: die globale Erwärmung, der Eintrag neuartiger Stoffe in die Umwelt (z.B. Mikroplastik, Farbstoffe oder Pestizide), die Veränderung der biogeochemischen Kreisläufe (Stickstoff- und Phosphor-Kreisläufe), der Süßwasser-Systeme und der Landnutzung sowie die Integrität der Biosphäre.
Points of no return – was verkraftet die Erde?
Werden die Belastungsgrenzen dieser Systeme noch weiter überschritten und dadurch bestimmte Kipppunkte erreicht, erhöht sich das Risiko für großflächige, irreversible Umweltveränderungen. Einmal losgetreten, können solche globalen Ereignisse Rückkopplungseffekte (engl. positive feedback loops) nach sich ziehen, die zu einer weiteren Verschärfung der Ursachen führen. Beispiele sind das Absterben des Amazonas-Regenwaldes und das Schmelzen des antarktischen Eisschildes, welche eine zusätzliche Freisetzung von Kohlendioxid bzw. einem Anstieg des Meeresspiegels und eine Veränderung des Salzgehaltes im Meer verursachen würden. Gerade deshalb ist es wichtig, potentielle Kipppunkte frühzeitig zu ermitteln. Dies funktioniert mithilfe von Computermodellen und Simulationen, die verschiedene Parameter wie Temperatur, Niederschlag und Landnutzung mit Wissen über prähistorische Ereignisse und den damaligen Zuständen auf der Erde kombinieren, um zu verstehen, wann das System aus der Balance gerät. Die bisher identifizierten Kipppunkte wurden von über 200 internationalen Forscher*innen aus über 90 Organisationen im Global Tipping Points Report veröffentlicht.
Die planetaren Grenzen wurden nach dem Vorsorgeprinzip formuliert. Das bedeutet, sie bieten uns einen sicheren Handlungsspielraum, innerhalb dessen wir uns bewegen können. Daher werden sie manchmal auch als Leitplanken bezeichnet. Verlassen wir diesen Raum jedoch, sind wir auf unsicherem Terrain unterwegs. Darüber, wann genau die Kipppunkte erreicht sind und was bei deren Überschreitung passiert, besteht in der Forschung teilweise noch große Unsicherheit, was unter anderem an den komplexen Zusammenhängen zwischen den einzelnen biophysikalischen Systemen liegt.
Angekommen im Anthropozän
Dass wir Menschen unsere Umgebung gestalten und dabei tiefgreifende Veränderungen verursachen, ist anerkannt. Ob man deswegen schon von einem „Zeitalter des Menschen“, dem Anthropozän, sprechen sollte, ist jedoch sowohl in der Geologie als auch in den Geisteswissenschaften umstritten. Trotzdem hat der durch den Chemiker Paul Crutzen erfundene Begriff mittlerweile Eingang in Wissenschaft, Politik und Kultur gefunden. Das Konzept des Anthropozäns lässt sich jedoch sehr unterschiedlich auslegen. Viele sehen in ihm eine ungute Fixierung auf den Menschen, die dazu führen könnte, dass wir uns weiterhin als Herrscher über die Natur verstehen und auf der Suche nach technologischen Lösungen für den Klimawandel weitere zerstörerische Eingriffe in die Natur rechtfertigen. Auch die durch den Begriff Anthropozän implizierte Verallgemeinerung – alle Menschen seien in gleichem Maße an den destruktiven Prozessen wie dem Klimawandel und der Zerstörung der Natur beteiligt – stößt auf Kritik, da dies überwiegend auf die Menschen im Globalen Norden zutrifft, während der Rest der Menschheit unverhältnismäßig stark unter den Folgen leidet.
Andere wiederum sehen im Anthropozän eine Chance, insofern es der Beginn eines tiefgreifenden Umdenkens in der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt ist. Das Anthropozän kann demnach als Aufruf verstanden werden, unsere Einflüsse auf das Erdsystem zu reflektieren und dafür Verantwortung zu übernehmen. Es ermöglicht eine neue Perspektive, aus der die Menschheits- und Erdgeschichte als untrennbar miteinander verbunden betrachtet und ein tieferes Verständnis für die langfristigen Konsequenzen unseres Handelns entwickelt werden kann.
2. Menschliche Gesundheit
Die negativen Auswirkungen der planetaren Krise auf unsere Gesundheit sind vielfältig und sehr oft erst auf den zweiten Blick erkennbar. Klimawandel und Artenschwund fördern die Ausbreitung von Infektionskrankheiten in neuen Regionen. Die klimatischen Veränderungen führen zu häufigeren Extremwetterereignissen, die unsere Lebensgrundlagen bedrohen. Die zunehmende Luftverschmutzung verursacht jährlich Millionen vorzeitiger Todesfälle und trägt zu einer Vielzahl von Gesundheitsproblemen bei. Wie komplex und verwoben die Zusammenhänge tatsächlich sind, zeigt ein Blick auf unser Ernährungssystem, die Entstehung und Verbreitung von Infektionskrankheiten und auf die psychischen Folgen des Klimawandels.
Ernährung
Steigende CO2-Konzentrationen in der Luft verändern nicht nur das Klima, sondern können auch das Wachstum und den Nährstoffgehalt von Pflanzen beeinflussen. In einer Vielzahl von Studien konnte mittlerweile belegt werden, dass der Gehalt an Mineralien und Proteinen in einigen unserer wichtigsten Nutzpflanzen, wie Reis oder Weizen, unter erhöhten CO2-Konzentrationen signifikant sinkt. In manchen Teilen der Erde trägt dies schon jetzt zur Mangelernährung in der Bevölkerung bei. Ein Problem, das sich in Zukunft noch verschärfen könnte und dabei nicht nur menschliche Lebensgrundlagen, sondern auch tierische Ökosysteme gefährdet. Allerdings trägt unsere Nahrungsmittelproduktion durch ihren hohen Land- und Wasserverbrauch, Treibhausgasemissionen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln selbst in enormem Maße zur Umweltzerstörung und zum Klimawandel bei. Leider ist sich die Öffentlichkeit dieser Zusammenhänge oft nicht bewusst und zeigt wenig Handlungsbereitschaft. Dabei könnten eine nachhaltige Ernährung und ein vorausschauendes Konsumverhalten zum Schutz des Planeten beitragen.
Ernährungssysteme sind komplex und von sozioökonomischen, politischen, technologischen und kulturellen Faktoren beeinflusst. Eine gesteigerte Risikowahrnehmung und ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen unserer Ernährungsweise auf die Gesundheit des Planeten erfordern daher eine gezielte Kommunikation und einen konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten. Um die Motivation zu steigern, etwas an den eigenen Ernährungsgewohnheiten zu ändern, ist es wichtig, mit positiven Narrativen zu arbeiten und konkrete Handlungsanweisungen zu geben.
Erste Ansätze in diese Richtung hat die EAT-Lancet-Kommission mit ihrer „Planetary Health Diet“ geschaffen. Sie propagiert eine ausgewogene Ernährung, die reich an Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und Nüssen ist und wenig Fleisch und Zucker beinhaltet. Eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und ein verantwortungsvoller Konsum sollen die Umweltbelastung reduzieren und gleichzeitig das Risiko für ernährungsbedingte Krankheiten senken. Ein tiefgreifender Wandel kann jedoch nicht vom Individuum allein ausgehen. Er erfordert das Mitwirken von Wissenschaft, Gesellschaft, Industrie und Politik. Nur wer durch partizipative Formate und konkrete Empfehlungen Unterstützung erfährt, wird bereit sein, etwas an seiner Ernährung zu ändern.
Infektionskrankheiten
Eng verknüpft mit unserem Ernährungssystem ist das Auftreten von Antibiotikaresistenzen. In der Nutztierhaltung werden teilweise enorme Mengen Antibiotika eingesetzt, was nachweislich die Entstehung von resistenten Bakterien und deren Verteilung in der Umwelt fördert. Nach aktuellen Schätzungen sterben jährlich fast 5 Millionen Menschen an therapieresistenten bakteriellen Infektionen. Um dem Problem entgegenzutreten, ist neben der Entwicklung neuer Antibiotika auch die Erforschung möglicher Alternativen gefragt. Bakteriophagen – Viren, die Bakterien töten – könnten hier Abhilfe schaffen. Im Gegensatz zu Antibiotika, die auch nützliche Bakterien in unserem Mikrobiom angreifen, ist jeder Phage hochspezifisch für eine bestimmte Bakterienart. Sie lassen sich zudem überall in der Umwelt finden und könnten eine wirksame und relativ sichere Alternative oder zumindest eine Ergänzung zur klassischen Therapie mit Antibiotika sein. Bis es soweit ist, fehlen allerdings weitere aussagekräftige Studienergebnisse und vor allem ein gesetzlicher Rahmen, der die industrielle Herstellung von Phagenpräparaten ermöglicht.
Eine andere Art von Infektionskrankheiten, die zuletzt durch die Corona-Pandemie wieder in den Fokus von Wissenschaft und Gesellschaft gerückt ist, sind Zoonosen – Infektionen, die zwischen Tier und Mensch übertragen werden können. Der Klimawandel ist einer der Haupttreiber für das Entstehen und die Verbreitung von Zoonosen. Durch die globale Erwärmung finden wir bestimmte Krankheitserreger sowie deren tierische Überträger wie zum Beispiel tropische Stechmückenarten plötzlich in Regionen der Welt, in denen sie früher fremd waren. Der Verlust der Biodiversität begünstigt zudem die Vermehrung von Tierarten, die Zoonosen übertragen können. Auf der anderen Seite rücken wir durch Landwirtschaft und Städtebau immer mehr in tierische Lebensräume vor, was den Kontakt zwischen Mensch und Tier erhöht. Auch die Massentierhaltung ist ein idealer Nährboden für die rapide Ausbreitung von Tierseuchen. Kommt es zur Übertragung auf den Menschen, können sich die Erreger an den neuen Wirt anpassen und zu Epidemien führen.
Unsere Psyche
Doch nicht nur unser Körper, sondern auch unsere Psyche leidet unter den Folgen des Klimawandels. Die Erfahrung von Extremwetterereignissen wie Hitzewellen, Stürmen oder Überflutungen führt bei Betroffenen oft zu posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen, während dauerhaft hohe Temperaturen sich negativ auf das Gehirn auswirken können und somit das generelle Risiko für psychische Erkrankungen steigern. Doch auch die bloße gedankliche Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels kann für manche Menschen zu einer großen Belastung werden. In den letzten Jahren sind in der psychologischen Forschung neue Begriffe wie Klimaangst und Solastalgie entstanden, die die krankhaften Sorgen und Ängste beschreiben, die Menschen angesichts der zukünftigen oder bereits entstandenen Umweltzerstörung empfinden. Die Zunahme an klimawandelbedingten psychiatrischen Krankheitsfällen wird die Psychiatrie zukünftig vor neue Herausforderungen stellen und erfordert eine bessere und zielgerichtetere Versorgung mit neuen Behandlungskonzepten.
Planetary Health – Der Mensch im Mittelpunkt?
Da wir ein integraler Bestandteil der natürlichen Systeme auf der Erde sind, hängt unsere Gesundheit unweigerlich von der Gesundheit und Stabilität der Natur ab. Diese Einsichten bilden das zentrale Element des Planetary Health-Konzepts. Dieses Forschungsfeld untersucht, welche Auswirkungen menschliches Handeln auf die ökologischen Systeme der Erde hat. Unter der Prämisse, dass sämtliches Leben untrennbar miteinander verbunden ist, strebt es eine ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen Systeme und deren wechselseitiger Beziehungen an, um daraus Empfehlungen für eine nachhaltige Lebensweise abzuleiten. Wir benötigen saubere Luft, reines Wasser, gesunde Nahrung und stabile Umweltbedingungen für unsere Existenz und unser Wohlergehen. Diese Grundbedürfnisse sind jedoch durch menschliche Aktivitäten erheblich gefährdet.
Unsere Eingriffe in das Ökosystem – wie die massive Nutzung fossiler Brennstoffe, die Abholzung von Wäldern und die extensive Landwirtschaft – haben das globale ökologische Gleichgewicht tiefgreifend gestört. Die daraus folgenden Krisen – Umweltverschmutzung, Klimawandel und Verlust der Biodiversität – haben direkte und indirekte Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Planetary Health versucht, die Erkenntnisse aller relevanten wissenschaftlichen Disziplinen zu bündeln, um Gesundheit nicht mehr innerhalb gesellschaftlicher Grenzen, sondern auf globaler Ebene zu betrachten. Durch die Einbeziehung unserer Umwelt und die ganzheitliche Betrachtung der natürlichen Systeme wird das Konzept oft als wegweisend gelobt, da es die menschliche Gesundheit untrennbar mit der des Planeten verknüpft. Doch es gibt auch Kritik. Denn es stellt sich die Frage, wessen Gesundheit dabei im Vordergrund steht. Dient der vermeintliche Umweltschutz am Ende lediglich dazu, unsere eigenen Lebensbedingungen zu erhalten? Manche Autoren argumentieren, dass die ethische Grundlage des Planetary Health-Konzepts ausschließlich auf der menschlichen Gesundheit und Freiheit beruht, während die Natur oft nur Mittel zum Zweck ist. Dadurch würde Planetary Health zum Ausdruck einer anthropozentrischen Sichtweise, die den intrinsischen Wert der Natur nicht anerkennt.
3. Politik und Gesellschaft
Die planetare Krise stellt uns als Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. Wie können wir wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen und der Natur einen höheren Stellenwert einräumen, ohne dass weniger privilegierte Menschen dabei, beispielsweise durch höhere Lebenshaltungs- oder Produktionskosten, auf der Strecke bleiben? Ein Übergang zu einer nachhaltigen Lebensweise setzt ein hohes Maß an Eigenengagement voraus und ist unter Umständen mit Einschränkungen verbunden, die nicht jeder mittragen kann oder möchte. So wird in manchen Teilen der Politik zunehmend über Regelungen und Gesetze nachgedacht, die umweltschädliche Verhaltensweisen wie das Fliegen, Fleischessen oder die Verwendung von Einwegplastik finanziell sanktionieren. Viele sehen dadurch ihre jetzigen Lebensstandards und damit ihre Freiheit bedroht. Doch welche Art von Freiheit ist auf Dauer erstrebenswert und wie kann sie gewährleistet werden?
Die Rechte der Natur
In Philosophie und Rechtswissenschaft gibt es Strömungen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob die Natur ihre eigenen Rechte haben sollte. Diese Frage beinhaltet einen radikalen Paradigmenwechsel, weg von der Übermacht des Menschen hin zu einer Gleichbehandlung der Natur. Ein Gegenentwurf, bei dem die Natur um ihrer selbst willen geschützt werden soll. Doch es ist genau diese scheinbare Radikalität, die einen wesentlichen Kritikpunkt an den Rechten der Natur darstellt. Gegner*innen der Idee argumentieren, dass die Übertragung von Rechten auf die Natur unpraktisch und unverhältnismäßig sei. Rechte, so die Kritiker*innen, sollten an das Vorhandensein spezifischer Eigenschaften des Rechteinhabers wie Handlungsfähigkeit, Interessen, Schmerzempfinden oder Würde bezogen werden. Die Natur könne diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Damit einhergehend birgt eine Übertragung von Rechten auf die Natur die Gefahr der Trivialisierung. Denn wenn alles Rechte hat, so der Philosoph Patrik Baard, hat letztlich nichts mehr Rechte. Sie sollten demnach eine besondere Bedeutung haben und nicht inflationär auf alles angewendet werden.
Trotz dieser Bedenken gibt es starke Argumente, die für die Natur als eigenständige Rechtsträgerin sprechen. Denn hätte die Natur Rechte, könnte sichergestellt werden, dass sie unabhängig von ihrem Nutzen für den Menschen anerkannt und geschützt wird.
Historisch gesehen hat sich die Gültigkeit allgemein formulierter Rechte kontinuierlich ausgeweitet – von den Rechten europäischer Kolonialisten über die Rechte aller Menschen bis hin zu den Rechten der Tiere. Die Rechte der Natur wären die nächste logische Erweiterung dieser Gruppe von Rechtspersonen, die bei moralischen Überlegungen zu berücksichtigen ist. Befürworter verweisen darauf, dass auch Tiere und andere nicht-menschliche Entitäten wie Gewässer Rechte erhalten haben, obwohl sie nicht dieselben Eigenschaften wie Menschen besitzen. Somit sei es konsequent, auch der Natur Rechte zuzuerkennen. Die Praxis zeigt, dass durch eine Rechtsprechung, die die Natur als ein ebenso schützenswertes Gut betrachtet wie menschliche Interessen, tatsächlich konkrete Verbesserungen erzielt werden können. Beispielsweise hat die Anerkennung der Rechte der spanischen Lagune Mar Menor zu einem Bewusstseinswandel und zu besseren Umweltschutzmaßnahmen geführt. In Ecuador hat die Implementierung der Rechte der Natur in der Verfassung zu zahlreichen Gerichtsurteilen und Gesetzen geführt, die die Umwelt schützen und die Zerstörung von Ökosystemen verhindern sollen. Diese praktischen Erfolge zeigen, dass die Rechte der Natur nicht nur theoretische Konstrukte sind, sondern auch reale Auswirkungen auf den Umweltschutz haben können.
Formen der Freiheit
Einschränkungen unserer körperlichen und seelischen Gesundheit können sich negativ auf unser Freiheitsgefühl auswirken, wenn sie uns an der Ausübung alltäglicher Aufgaben, Hobbies oder der Arbeit hindern. Schon jetzt zeichnen sich die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit ab. Unsere Freiheit ist also nicht nur von menschlichen Handlungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig, sondern zunehmend auch von den Folgen des Klimawandels.
Der traditionelle, liberale Freiheitsbegriff stellt die Freiheit der*des Einzelnen – in Form von persönlicher Entfaltung, unbeschränkter Handlung, sowie Besitztum und die Ausübung von Macht über selbigen – in den Vordergrund. Angesichts der heutigen ökologischen Krisen erscheint dies jedoch als ein überholtes Verständnis von Freiheit.
Dabei lassen sich durchaus verschiedene Formen der Freiheit unterscheiden. Definieren wir Freiheit einzig und allein im Sinne eines Maximums an Handlungsoptionen für das Individuum, also als das „Freisein“ von jeglichen Beschränkungen, laufen wir Gefahr, unmittelbar und lokal nützliche Interessen über solche zu stellen, die langfristig und global gut für uns sind. Wäre es daher nicht sinnvoller, anstatt möglichst viele, lieber möglichst gute Optionen zu haben? Die Qualität der Freiheit sollte sich daran bemessen, dass sie nicht nur einen Mehrwert für einzelne, sondern für möglichst viele Menschen mit sich bringt. Diese Form der Freiheit kann nur entstehen, wenn möglichst viele Menschen an Entscheidungsprozessen teilhaben können oder deren Wünsche, im Falle von weit entfernt lebenden Menschen oder zukünftiger Generationen, zumindest ausreichend von Dritten repräsentiert werden. In der Diskussion um Rechte und Freiheiten sollte man außerdem bedenken, dass Regeln und Beschränkungen nicht automatisch eine Beschneidung der eigenen Freiheit darstellen. Zum Beispiel ermöglichen allgemein gültige Verkehrsregeln erst Sicherheit und Freiheit für alle. Derartige Denkansätze finden sich auch in der Idee einer Gemeinwohlökonomie wieder, in der die wirtschaftlichen Ziele und der Erfolg eines Unternehmens nicht (nur) an dessen finanziellem Gewinn, sondern am Nutzen für die Gesamtgesellschaft (dem Gemeinwohl) festgemacht werden.
Ein anderer Gegenentwurf zum (neo-)liberalen Freiheitskonzept stellt die sogenannte „Bleibefreiheit“ dar, die eine gesunde, bewohnbare Umgebung als Voraussetzung für echte Freiheit sieht. Die Bleibefreiheit als ökologischer Freiheitsbegriff besteht somit darin, jedem Individuum eine möglichst sinnerfüllte und schöpferische Lebenszeit zu ermöglichen, deren Hinterlassenschaften einen positiven Effekt auf die Zukunft haben. Eine weitere, mit den zuvor genannten Eigenschaften verbundene Facette der Bleibefreiheit besteht in einer lebendigen und diversen Umwelt. Wirklich frei können wir nur im respektvollen Miteinander mit einer intakten Natur sein, die uns die Möglichkeit bietet, ein erfülltes Leben zu führen.
Politik im Interesse des Planeten
Wir alle tragen die Verantwortung für den Erhalt unseres Planeten mit. Doch wer muss prüfen und sicherstellen, dass wir in unserem Handeln die planetaren Belastungsgrenzen nicht überschreiten? Viele sind sich einig, dass dies Aufgabe der Politik sein sollte. Allzu oft fühlt man sich jedoch, als seien diese Entscheidungen gänzlich dem oder der Einzelnen überlassen. Dabei wünschen sich selbst manche Unternehmen, die zu den größten Verursachern von Treibhausgasemissionen zählen, klarere Vorgaben seitens der Politik, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In den letzten 50 Jahren wurden in vielen Demokratien erste Schritte in Richtung Umweltschutz unternommen. Zum Beispiel mit der Schaffung eigener Umweltbehörden und der Verabschiedung zahlreicher Gesetze für den Schutz der Umwelt. Trotz dieser Bemühungen sind wir mitten in einer Abwärtsspirale und auf dem besten Weg, das 1,5-Grad-Ziel zu verfehlen.
Politikwissenschaftler debattieren in diesem Kontext auch darüber, ob die Demokratie als Staatsform überhaupt in der Lage ist, die Klimakrise zu bewältigen. Kritiker*innen argumentieren, dass kurze Wahlzyklen und Lobbyismus langfristig angelegte Umweltstrategien behindern könnten. Da Umweltprobleme nicht an Staatsgrenzen halt machen, stellt sich zudem die Frage, wie nationale Regierungen die Interessen zukünftiger Generationen und Menschen in anderen Weltregionen angemessen berücksichtigen können. Ohne bindende Verträge und durchsetzungsfähige Institutionen auf internationaler Ebene wird der Klimawandel nur schwer aufzuhalten sein.
Dennoch sollten wir die Demokratie nicht opfern, um ökologische Ziele zu erreichen. Demokratische Systeme können durch kluge Gestaltung und innovative Ansätze effektiver als bisher im Klimaschutz werden. Eine Möglichkeit, den demokratischen Diskurs zu bereichern, sind deliberative Verfahren, bei denen die Öffentlichkeit stärker in die Entscheidungsfindung eingebunden wird. Hierbei kommen Bürger*innen in „Mini-Publics“ aus zufällig ausgewählten Gruppen zusammen, um gesellschaftliche Themen zu diskutieren und Lösungsoptionen zu erarbeiten. Hierdurch könnten sich auch Menschen mit unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnissen einander annähern, was Radikalisierung vorbeugt.
Geht man von der prinzipiellen Möglichkeit eines „grünen Wachstums“ – der Kombination von Wirtschaftswachstum und Umweltschutz – aus, sind es vor allem wirtschaftliche bzw. sozioökonomische Gründe wie Überproduktion und -konsum, die zu einem Übertreten der Belastungsgrenzen führen. Diesen könnte mit einer angepassten politischen Rahmensetzung entgegengewirkt werden. So könnten zum Beispiel Steuern auf umweltschädliche Aktivitäten erhoben werden oder diese anderweitig reguliert oder gar verboten werden. Andere, wie der Volkswirt Nico Paech, stellen die grundsätzliche Idee eines kontinuierlichen Wachstums in Frage und fordern stattdessen eine Postwachstumsökonomie, die vor allem auf Verzicht setzt. Um langfristig den Ressourcenverbrauch zu minimieren und die Menschheit innerhalb der planetaren Grenzen zu halten, bedarf es möglicherweise einer grundlegenden Neustrukturierung unserer politischen und wirtschaftlichen Institutionen. Viele von ihnen stammen aus einer Zeit mit deutlich stabileren Umweltverhätnissen, weshalb sie für die Bewältigung der heutigen Probleme nicht mehr adäquat sind. Um sie zu modernisieren, müssten sie deutlich anpassungsfähiger und reflexiver werden und sich neuen Formen der Zusammenarbeit, wie der oben erwähnten Deliberation, öffnen.
Andere Konzepte wie die „Earth System Governance“, welche auf die Ideen des Politikwissenschaftlers Frank Biermann zurückgehen, beinhalten eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Politik, indem wissenschaftliche Erkenntnisse in politische Entscheidungsprozesse integriert werden, um effektivere und fundierte Maßnahmen zum Schutz des Erdsystems und zur Förderung nachhaltiger Entwicklung zu ermöglichen. Manche sehen jedoch das Risiko, in einer „Expertokratie“, also einer Herrschaft der Wissenschaftler, zu landen, wenn diese eine zu starken Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben. Um die demokratische Mehrheitsfindung nicht einzuschränken, muss es daher einen gleichberechtigten Diskurs zwischen Politik, Naturwissenschaften und Gesellschaft geben. Hierbei könnten die Sozialwissenschaften eine wichtige Rolle übernehmen, indem sie Erkenntnisse zu angemessenen und zielführenden Diskursformen bereitstellen, die ein Aushandeln von Kompromissen ermöglichen.
Visionen für ein gesundes Leben
Ein gesundes Leben bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Krankheiten, sondern auch das Leben in einer gesunden Umwelt. Das Konzept der planetaren Gesundheit erweitert dahingehend die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und fordert funktionierende, resiliente und leistungsfähige Ökosysteme als Basis für menschliches Wohlbefinden. Die Grundbedürfnisse eines gesunden Lebens auf unserem Planeten – saubere Luft, reines Wasser, gesunde Nahrung und stabile Umweltbedingungen – sind durch menschliche Aktivitäten erheblich gefährdet.
Indem wir unser Handeln an den Spielraum anpassen, der uns durch die planetaren Belastungsgrenzen gegeben ist, können wir auch unsere Lebensgrundlage auf Dauer sichern. Dies erfordert die drastische Reduktion der Treibhausgasemissionen und eine nachhaltige Ressourcennutzung. Beispiele wie die erfolgreiche Rettung der Ozonschicht durch das Montrealer Protokoll im Jahr 1989 zeigen, dass gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft, Politik und Industrie positive Veränderungen bewirken können.
Um Wege zu einer nachhaltigen Lebensweise zu finden, hat der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) in seinem jüngsten Gutachten eine Vision für Deutschland veröffentlicht. Auch sie stellt klar, dass es eines umfassenden Wandels in unseren Lebensweisen und zugleich einer Unterstützung durch die Politik bedarf, um konkrete Zielvorgaben für den Umweltschutz, wie sie beispielsweise in der Agenda 2030 festgelegt wurden, umzusetzen. Eine Schlüsselfigur für eine nachhaltige Transformation auf allen Ebenen sieht die WBGU dabei in unseren Gesundheitssystemen. Diese müssten ihren Fokus von einer reinen Symptombehandlung hin zu einer Prävention neuer Gesundheitsrisiken verschieben. Durch die Förderung eines gesunden Lebensstils und eine Gestaltung gesunder Lebensbedingungen können sich die Gesundheitssysteme positiv auf viele andere Sektoren auswirken. Auch gezielte Bildungsmaßnahmen und die Vermittlung von Wissen über die Gesundheit von Natur und Mensch sollen zu einem verstärkten Bewusstsein für klimagerechtes Handeln beitragen. Die Vision beinhaltet auch einen Appell an die Wissenschaft, sich mehr der Erforschung von nachhaltigen Lebensentwürfen zu widmen.
Ein gesundes und freies Leben auf einem intakten Planeten erfordert ein tiefes Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur und einen entschlossenen Einsatz für den Schutz und die Wiederherstellung unserer Umwelt. Nur so können wir die Gesundheit und das Wohlbefinden sowohl für die heutigen als auch für zukünftige Generationen sichern.