Der Streit um gendergerechte Sprache ist in weiten Teilen ein Streit um Ungesagtes – an wen wird gedacht, wenn Begriffe wie Bäcker oder Professor fallen? Vertreter*innen des
Die
Der Streit geht dennoch weiter, denn nicht alle sind überzeugt von derlei Methoden. Man moniert, sie beruhten noch immer auf den Assoziationen einer relativ kleinen Gruppe von Proband*innen, die zumeist auch noch aus dem spezifischen Bevölkerungskreis junger Akademiker*innen rekrutiert wird. Diese Gruppe ist für Forschende an der Universität am einfachsten verfügbar – und klassischerweise eine eher progressive Kohorte. Auch gesamtgesellschaftliche Klischees darüber, was „männliche“ und was „weibliche“ Berufe sind, würden in diesen Studien oft nicht mitbedacht, sondern lediglich auf die Grammatik geschaut.
Dominic Schmitz, Viktoria Schneider und Janina Esser von der Heinrich Heine Universität Düsseldorf haben versucht, genau diese Kritikpunkte aufzugreifen. Um sich den geschlechtlichen Strukturen unseres Wortschatzes zu nähern, ohne auf die gedanklichen Verknüpfungen einiger weniger zurückgreifen zu müssen, haben sie eine künstliche Intelligenz mit einer großen Menge von Sprachdaten aus Nachrichtentexten des letzten Jahrzehnts gefüttert – insgesamt 830.000 Sätze unzähliger Autor*innen. Die KI errechnete dann eine mathematische Repräsentation der Bedeutungsebenen und lexikalischen Verknüpfungen, sogenannte semantische Vektoren, für 113 Personenbezeichnungen in der generisch maskulinen, der explizit maskulinen und in der explizit femininen Form
Von ihren Ergebnissen berichteten Schmitz et al. heute im Rahmen der #linguistweets Konferenz, die gänzlich auf Twitter stattfand und Forschenden den Raum gibt, in 6 Tweets ihre Arbeit darzustellen
Das Forscher*innenteam konnte zeigen, dass sich die Semantik von generischen Maskulina (also Wörter, die alle mit meinen sollen) und spezifischen Maskulina (denen, die wirklich nur Männer bezeichnen) kaum unterscheidet – sie haben die gleichen Verknüpfungen. Dagegen ist die Semantik von Feminina signifikant anders strukturiert, sie stehen im mentalen Lexikon für sich. Was psycholinguistische Studien aufgedeckt haben, bestätigt sich also auch in einem großen Textkorpus: Wer Lehrer sagt, weckt vorwiegend Bilder von Männern, und weibliche Berufsbezeichnungen sind semantisch eine völlig eigene Kategorie – die sich nicht mit den pseudo-generischen Maskulina deckt. Der Faktor des Stereotypenmaßes hatte dagegen keinen statistisch auswertbaren Effekt, was mit Studien von Gygax et al. (2008) und Garnham et al. (2012) im Einklang steht. Und vielleicht einigen Kritiker*innen etwas Wind aus den Segeln nimmt.
Sicherlich kann man auch hier wieder anmerken, dass die innovative Studie auf einem relativ kleinen Datensatz beruht, „nur“ 113 Wörter betrachtet. Vielleicht auch, dass die Methode sich der Bedeutung von Worten auf eine statistische Weise nähert, die der emotionalen Realität von Frauen und nicht-binären Menschen keine Rechnung trägt. Aber sie zeigt, dass es noch viele unentdeckte Wege gibt, die sprachliche Realität zu erfassen und sie in objektive Maße zu gießen.
Wer Genaueres erfahren möchte, findet auf https://psyarxiv.com/yjuhc einen Pre-Print, in dem Teile der Arbeit genau beleuchtet werden.