SPECIAL INPUT: Martin Heidenreich

„Soziale Ungleichheit ist eine europäische Angelegenheit.“ Ein Gespräch mit dem Soziologen Martin Heidenreich

Die Europäische Union ist wirtschaftlich so integriert wie noch nie. Gleichzeitig durchziehen Europa weiterhin tiefe gesellschaftliche und zwischenstaatliche Ungleichheiten. Wie diese zusammenhängen und was dagegen getan werden kann, erklärt der Soziologe Martin Heidenreich im Gespräch mit te.ma.

Umbruch | Krieg | Europa

Die Fragen stellte Sebastian Hoppe aus der Kuration des Themenkanals Umbruch | Krieg | Europa.

Sebastian Hoppe: Herr Heidenreich, steht Europa heute mit Blick auf die Ungleichheit besser oder schlechter da als vor der Gründung der Europäischen Union durch den Vertrag von Maastricht 1992?

Martin Heidenreich: Wir sollten uns vergegenwärtigen, wie Osteuropa nach dem Fall der Berliner Mauer aussah: verarmte Länder mit nicht mehr funktionierenden, kollabierten Planwirtschaften. Nationale Grenzen waren in erheblichem Maße umstritten. Die politischen Systeme waren zusammengebrochen.1 Anfang der 1990er Jahre standen diese Länder vor der dreifachen Aufgabe, gleichzeitig eine funktionierende Wirtschaft aufzubauen, nationalstaatliche Grenzen festzulegen und entsprechende internationale Konflikte zu lösen sowie eine demokratische Ordnung zu etablieren.2 In Jugoslawien ist das bekanntlich nicht gelungen. Im Vergleich zu diesem Negativbeispiel ist die Situation jetzt traumhaft, auch im Hinblick auf soziale Ungleichheiten. Es ist ein riesiges Verdienst der EU, diese einst armen Länder wirtschaftlich entwickelt, Rechtsstaatlichkeit eingeführt und die Übernahme der europäischen Regeln, des sog. Acquis communautaire, gewährleistet zu haben. Die ehemaligen sozialistischen Länder sind teilweise wohlhabender als einige ältere EU-Mitglieder in Südeuropa.3 Darüber hinaus haben sich insgesamt die Ungleichheiten innerhalb Europas dramatisch verringert, auch wenn sie natürlich nicht verschwunden sind.4

SH: Wie verändert sich die Bilanz, wenn wir den zeitlichen Rahmen auf die Jahre nach der globalen Finanzkrise 2008/2009 verschieben?

MH: Sehr. Eine zentrale Entscheidung im Vertrag von Maastricht war die Einführung des Euro. Zwar kann man den Euro trotz aller Probleme als Erfolgsgeschichte betrachten, allerdings waren die Folgen aus südeuropäischer Sicht deutlich zwiespältiger.


Der Euro ist trotz aller Probleme eine Erfolgsgeschichte. Allerdings waren die Folgen aus südeuropäischer Sicht deutlich zwiespältiger.


Zunächst bedeutete die Einführung des Euro auch für Südeuropa eine Phase der Prosperität. Vorher mussten die Länder deutlich höhere Zinsen als Deutschland zahlen, ab 1999 lediglich so viel wie Deutschland. Die Folge war ein Boom, in Spanien etwa hat man in gigantischem Ausmaß Wohnungen gebaut. In anderen Ländern, zum Beispiel in Italien, hat man den öffentlichen Dienst ausgebaut oder, getrieben von populistischen Parteien, die Sozialausgaben erhöht. Dazu gehört, dass deutsche und französische Banken riesige Summen in Ost- und Südeuropa investierten. 

Diese Phase endete abrupt mit der zunächst in den USA begonnenen Rezession.5 In der Krise stieg der sog. Spread, der Abstand zwischen den deutschen und beispielsweise griechischen oder italienischen Zinsen, dann Ende 2009 erheblich an. Zur selben Zeit wurden europäische Banken unsicher. Sie warfen einen etwas genaueren Blick in den Vertrag von Maastricht und entdeckten einen Paragraphen, die sog. No-Bailout-Klausel. Er besagt, dass es keine Beistandspflicht innerhalb der Eurozone gibt, wenn ein Land in eine finanzielle Schieflage gerät. Die Konsequenz war, dass ab 2009 die Zinsdifferenz etwa zwischen Griechenland und Deutschland abrupt anstieg und Gelder insbesondere aus Südeuropa abgezogen wurden. Seitdem hat sich die wirtschaftliche Entwicklung in Südeuropa verlangsamt und die Ungleichheiten zwischen Nord- und Südeuropa sind angestiegen, während sie sich zwischen Ost- und Westeuropa verringert haben.

SH: Diese Trends beziehen sich hauptsächlich auf zwischenstaatliche Ungleichheiten. Um die Verschränkung verschiedener Ungleichheiten in Europa zu beschreiben, verwenden Sie in Ihrem Buch Territorial and Social Inequalities in Europe. Challenges of European Integration den Begriff der „doppelten Dualisierung“. Was meinen Sie damit?

MH: Die EU ist ein Bündnis von 27 Nationalstaaten. Innerhalb dieser Länder gibt es innerstaatliche Unterschiede zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, aber auch zwischenstaatliche Ungleichheiten. Nun hat sich die EU aber zu einem transnationalen politischen Raum entwickelt, der durch zunehmend bedeutsamer werdende grenzübergreifende Gleichheitsstandards gekennzeichnet ist. Plastisch formuliert: Viele Bulgaren fühlen sich nicht nur arm, weil sie weniger verdienen als ihre reicheren Landsleute, sondern weil ihr Einkommen deutlich geringer ist als beispielsweise das Durchschnittseinkommen der Luxemburger. Soziale und territoriale Ungleichheiten prägen also beide die subjektiv wahrgenommenen Ungleichheiten und den wirtschaftlichen Stress.

SH: Sie nennen das die „Europäisierung der Ungleichheit“. 

MH: Genau. Allerdings ist die Europäisierungsthese in der Forschung heftig umstritten. Die Kritik an ihr lautet, dass nur der Nationalstaat der entscheidende Referenzpunkt ist. Ich würde dagegen einwenden, dass bei einer konstanten innerstaatlichen Ungleichheit, gemessen anhand des Gini-Koeffizienten, auch das durchschnittliche Zufriedenheitsniveau in allen Ländern etwa gleich sein müsste. Die armen Bulgaren würden sich dann mit den reichen Bulgaren vergleichen und die armen Deutschen mit den reichen Deutschen. Der subjektive wirtschaftliche Stress müsste in diesem Fall in Deutschland und Bulgarien ungefähr gleich sein. Das ist jedoch nicht der Fall, er ist viel höher in ärmeren Ländern. Kritiker wie Wolfgang Streeck haben natürlich recht, dass der Nationalstaat nach wie vor die entscheidende Größe für wohlfahrtsstaatliche Politik ist.6 Mit Sozialpolitik kann man Wähler binden, etwa durch ein höheres Bürgergeld in Deutschland, Kindergeld in Polen oder die Kürzung oder Erhöhung der Unterstützung für Flüchtlinge. Aber zunehmend treten eben europäische Ungleichheitsmaßstäbe in den Vordergrund.

SH: Trotzdem scheint sich der politische Frust über soziale Ungleichheit vor allem in Form von populistischen Parteien auf nationalstaatlicher Ebene niederzuschlagen. Wie erklären Sie sich das?

MH: Ich bin überzeugt, dass soziale Ungleichheit in erheblichem Maße eine europäische Angelegenheit ist, die auch die EU angehen muss, wenn sie den Zusammenhalt des Kontinents sicherstellen will. Das werden wir auch 2024 bei den Wahlen zum Europaparlament sehen. Meine Befürchtung ist, dass die populistischen, euroskeptischen Parteien enorm an Bedeutung gewinnen werden und die bisher tonangebenden Sozialdemokraten und die Volkspartei nicht mehr weiterarbeiten können.7 Beide Parteien haben faktisch eine Koalition gebildet und in den letzten Jahren mit der Kommission um Ursula von der Leyen riesige Projekte durchgesetzt. Ich nenne nur den European Green Deal, die Bewältigung der Corona-Pandemie oder den Umgang mit dem russischen Krieg gegen die Ukraine

Die Frage ist, ob die euroskeptischen Parteien so sehr an Bedeutung gewinnen, dass die europäischen Institutionen – das Parlament, die Kommission und der Europäische Rat – blockiert werden. Es gibt einen massiven Konflikt zwischen den verschiedenen politischen Ebenen und auch eine Diskrepanz zwischen zunehmend grenzübergreifenden europäischen Problemen und der Hoheit der Nationalstaaten.8 

SH: Gibt es einen direkten Zusammenhang von sozialer Ungleichheit auf der einen und dem Aufstieg des Populismus auf der anderen Seite?

MH: Um das zu beantworten, ist die Entwicklung Mittel- und Osteuropas interessant. Diese Länder sind objektiv die Gewinner der letzten Jahrzehnte. Die Polen müssten also die glücklichsten Menschen auf der Welt sein. Aber Ideen und Interessen sind selten deckungsgleich. Dies hat Max Weber mit seiner Weichensteller-Metapher ausgedrückt.9 Populistische Politik kann man also nicht unter Rückgriff auf materielle Interessen erklären; sie läuft ihr oft sogar zuwider. 

Allerdings haben die Menschen in den postsozialistischen Gesellschaften seit dem Ende des Kalten Kriegs einiges durchstehen müssen, ihre gesamte Lebenswelt wurde zerstört. Ganze Generationen haben ihre Selbstverständlichkeiten und ihre Existenzgrundlage eingebüßt. Die radikale Privatisierungspolitik war im Großen und Ganzen ein Erfolg, aber der Preis für viele Menschen war eben sehr hoch.10 Die Arbeitslosigkeit in Polen lag 2002 noch bei 20 Prozent. Den Preis für diese Verwerfungen bezahlt man heute, wobei man das, was heute politisch passiert, nicht unmittelbar aus Ungleichheitsstrukturen ableiten kann. Insgesamt bin ich aber, auch in Anbetracht des erfreulichen Wahlausgangs in Polen 2023, gar nicht so pessimistisch, was Mittel- und Osteuropa angeht. Allerdings befürchte ich, dass der EU Südeuropa um die Ohren fliegen wird.

Ich befürchte, dass der EU Südeuropa um die Ohren fliegen wird.

SH: Können Sie das näher erläutern? Inwiefern unterscheidet sich die Situation in Südeuropa von der im Osten?

MH: Die beiden Peripherien der EU lassen sich gut miteinander vergleichen, denn beide haben ganz unterschiedliche Strategien gewählt. Mittel- und Osteuropa hat sehr stark auf die industrielle Produktion gesetzt. Es ist in der EU zu einem wichtigen Standort für Zulieferbetriebe geworden. Industrielle Tätigkeiten sind in erheblichem Maße verlagert worden, etwa von Deutschland nach Polen. Das Gleiche finden Sie auch in Slowenien oder Tschechien.11 Die Übernahme des acquis communautaire hat den Unternehmen signalisiert: Ihr könnt jetzt problemlos in Tschechien, in Polen, später dann auch in Bulgarien und Rumänien investieren. Und das haben sie gemacht, es kam zu gewaltigen Investitionsströmen, und zwar vor allem in der verarbeitenden Industrie.12

Für Europa bedeutete das einen doppelten Vorteil, denn die westeuropäischen Länder, vor allem Deutschland, konnten sich zum einen auf wissensbasierte oder höherwertige Produktionsprozesse, Forschung und Entwicklung konzentrieren. Zum anderen wurden einfachere Tätigkeiten nicht komplett nach China, Indien oder Vietnam ausgelagert, wie die USA das gemacht haben, sondern konnten in erheblichem Maße in Europa gehalten werden. Das ermöglichte einen raschen Anstieg der Wirtschaftsleistung in Mittel- und Osteuropa von 1993 bis zur EU-Osterweiterung 2004. Seitdem wachsen diese Länder stark – und auch stärker als die südeuropäischen Länder.

SH: Diese Strategie der „peripheren Industrialisierung“, wie Sie es nennen, wird von einigen kritisiert. Es heißt, sie schaffe neue Abhängigkeiten von den europäischen Kernländern, insbesondere Deutschland. Durch diesen „abhängigen Kapitalismus“ werde Osteuropa anfällig für Krisen im europäischen Zentrum.13

MH: Natürlich sind diese Länder abhängig, Krisen der Automobilindustrie werden nicht auf Wolfsburg beschränkt bleiben. Es ist nur so: Viel schlimmer als ein abhängiges Industrialisierungsmodell ist das Ausbleiben von Industrialisierung. Sicherlich hat dieses Modell auch Schwächen, allerdings sehen wir mittlerweile in Mittel- und Osteuropa auch zunehmend wissensbasierte Produktionsprozesse und vor allem auch Dienstleistungen entstehen. 

SH: Warum konnte dieses Modell nicht in Südeuropa Fuß fassen? 

MH: Die Erfolge Mittel- und Osteuropas wurden nicht zuletzt durch die hohe Qualifikation der Arbeiter ermöglicht, die auch eine Folge des sozialistischen Wirtschaftsmodells ist.14 Südeuropa hat diese Voraussetzungen nicht. Das Qualifikationsniveau der Beschäftigten ist sehr gering. Die Bildungsexpansion, die natürlich auch in Südeuropa stattfand, verlief dort viel langsamer als in anderen Teilen Europas. Möglicherweise hat das auch mit dem großen Einfluss der katholischen Kirche in einigen südeuropäischen Ländern zu tun. Aus Irland wissen wir, dass sich die katholische Kirche in den 1950er und 60er Jahren massiv gegen den Ausbau der Schulpflicht gewehrt hat.15 Auch scheint die Wirtschaft höhere Qualifikationen nicht gebrauchen zu können. So kommen etwa höher qualifizierte Migranten nach Südeuropa und deren Qualifikationen werden einfach nicht genutzt. Das diskutiert man in der Forschung als „overeducation“. Denn Südeuropa hat auf Branchen gesetzt, in denen oft nur niedrigere Qualifikationen gebraucht werden, Landwirtschaft, Handwerk, Tourismus, Handel oder andere einfache Dienstleistungen.

SH: Schränkt nicht auch die Architektur des Euro die Länder Südeuropas ein? Früher stand ihnen das Mittel der Abwertung zur Verfügung, um wettbewerbsfähig zu werden. Heute hingegen gibt es keine nationale Währung mehr, die wirtschaftspolitisch eingesetzt werden kann.

MH: Noch vor fünf Jahren hätte ich Ihnen mit voller Überzeugung recht gegeben. Schließlich gibt es die sog. Theorie optimaler Währungsräume:16 Wenn man flexible Wechselkurse abschafft, fehlt einem ein wichtiger Puffer, um auf asymmetrische wirtschaftliche Schocks zu reagieren. Historisch haben die südeuropäischen Länder auf Abwertungen gesetzt, und zwar zum Schutz ihres nachfrageorientierten Wirtschaftsmodells. Denn anders als etwa in Deutschland oder anderen Ländern bis in die 1980er Jahre wurde in den Ländern keine produktivitätsorientierte Lohnpolitik verfolgt. Der Euro bedeutete dann die Abschaffung flexibler Wechselkurse. Statt nominaler Abwertungen über den Wechselkurs kann man dann nur noch real abwerten, indem man die Löhne massiv senkt.

Eine Alternative wären Transfers von wohlhabenden zu weniger wohlhabenden Ländern, um die Ungleichgewichte in einem gemeinsamen Währungsraum auszugleichen. Transfers aber sind laut Vertrag von Maastricht auch verboten, unter anderem, weil Helmut Kohl und die Bundesbank vehement dagegen gekämpft haben.17 Eine weitere Option wäre ein hochgradig flexibler Arbeitsmarkt, aber den gibt es nicht. Spanier kommen nicht im großen Stil nach Belgien, Friesland oder Oldenburg. Es bleiben dann zwei Mechanismen, nämlich die Arbeitslosigkeit oder die bereits erwähnte reale, interne Abwertung.

SH: Ist diese reale Abwertung in Form der Austeritätspolitk für die Dauerkrise in Südeuropa verantwortlich?

MH: Das mag sein, das müssen Wirtschaftswissenschaftler untersuchen.18 Meine Analysen zeigen jedoch, dass Austeritätspolitik keinen Einfluss auf das Niveau der Einkommensungleichheit oder die Erwerbsbeteiligung hatte. Zwar sind die südeuropäischen Arbeitsmärkte in Insider und Outsider gespalten. Mit Outsidern meine ich Arbeitskräfte mit einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko, befristet Beschäftigte, Niedriglohnempfänger, unfreiwillig Teilzeitbeschäftigte und Solo-Selbständige. Insgesamt sind die empirischen Belege für die negative Auswirkung von Austeritätspolitik auf den Arbeitsmarkt jedoch schwach. Schaut man genau hin, ist es vielleicht auch eher ein Mythos, dass die südeuropäischen Krisenländer besonders von Austeritätspolitiken betroffen waren. Faktisch haben die europäischen Institutionen, insbesondere die Europäische Zentralbank, die südeuropäischen Länder mit riesigen Summen und Bürgschaften unterstützt.

SH: Dennoch trifft es ja zu, dass es massive ökonomische und soziale Verwerfungen in Südeuropa im Zuge der Eurokrise gegeben hat. Sind das für Sie alles hausgemachte Probleme?

MH: Davon bin ich zunehmend überzeugt. Die südeuropäischen Staaten haben ein Wachstumsmodell gewählt, das im globalen Maßstab nicht mehr tragbar ist.19 Der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WHO) 2001 ist vermutlich wichtiger für eine Erklärung der desolaten Lage Südeuropas als der Beitritt zur Währungsunion. Die Länder Südeuropas haben sich auf ein Produktspektrum konzentriert, bei dem sie einfach nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Touristische Dienstleistungen können andere, nicht-europäische Länder preiswerter anbieten. Und bei einfacheren industriellen Produkten haben asiatische Länder zunehmend den südeuropäischen Ländern das Wasser abgegraben. Südeuropa ist daher vermutlich eher ein Opfer seines eigenen Wachstumsmodells als ein Opfer des Euro.

Südeuropa ist eher ein Opfer seines eigenen Wachstumsmodells als ein Opfer des Euro.

Die südeuropäische Wirtschaft kann sich nicht auf ein modernes Ausbildungssystem und ein leistungsfähiges Forschungs- und Entwicklungssystem stützen (mit Ausnahme einiger Regionen etwa in Norditalien oder in Spanien). Zudem wird auf dem Arbeitsmarkt immer noch stark auf den Ausschluss mancher Gruppen aus dem Arbeitsmarkt gesetzt: Die Erwerbstätigenquoten von Frauen, Jugendlichen und Älteren sind geringer als in anderen europäischen Ländern. Und Migranten setzt man unterhalb ihres Qualifikationsniveaus ein.

SH: Wir haben jetzt viel über Unterschiede zwischen den europäischen Staaten gesprochen. Welche innerstaatlichen Ungleichheiten halten Sie in Europa für besonders besorgniserregend?

MH: Am wichtigsten ist wohl die zunehmende Bedeutung der sog. meritokratischen Ungleichheiten, also der erworbenen Ungleichheiten. Lange gab es in Europa viele offensichtlich ungerechte Spaltungen, zum Beispiel zwischen Männern und Frauen, zwischen Einheimischen und Migranten oder zwischen Mittelalten und Jugendlichen. Der berühmte Soziologe Talcott Parsons hat das auf zugeschriebene Eigenschaften zurückgeführt, also etwa Geschlecht, Alter und Nationalität.20

In meinem Buch zeige ich, dass sich die Ungleichheiten zunehmend verlagern. Sie beruhen nun auf individuellen schulischen oder beruflichen Verdiensten. Unqualifizierte werden abgehängt. Leute, die in der Schule scheitern oder nicht sehr erfolgreich sind, sind die großen Verlierer. Das sieht man aber nur, wenn man soziale Ungleichheiten breiter betrachtet und weggeht von einer rein wirtschaftlichen, auf Einkommen bezogenen Perspektive. Ich habe das mit einem multidimensionalen Armutsindex versucht. Man sieht ganz deutlich, dass diese meritokratischen Ungleichheiten Deprivation, Bildungsarmut und subjektive Armut verursachen. Zu großen Teilen betrifft das die Verlierer des Bildungssystems.

Zugeschriebene Ungleichheiten sind natürlich immer noch da, denken Sie nur an den Gender Pay Gap. Aber sie treten zunehmend in den Hintergrund. Die Verlierer der meritokratischen Wettbewerbs können dann nicht mehr sagen, dass das irgendwie mit dem Kapitalismus oder dem Patriarchat zusammenhängt, sondern machen sich oft selbst dafür verantwortlich. Das geht mit Scham für das eigene Versagen einher. Demgegenüber steht eine Gesellschaft, in der sich die Erfolgreichen die eigenen Verdienste selbst zuschreiben.

SH: Warum ist diese neue Spaltung Ihrer Meinung nach besorgniserregender als die alten, auf zugeschriebenen Ungleichheiten beruhenden Spaltungen?

MH: In der Arbeitswelt beobachten wir eine Subjektivierung der Arbeit, die mit einer zunehmenden Entgrenzung einhergeht.21 Subjektivierung bedeutet, dass der Einzelne zunehmend auf sich allein gestellt ist, was sein berufliches Fortkommen betrifft – und Entgrenzung, dass dieser Prozess das ganze Leben durchdringt. Man muss sich rund um die Uhr engagieren, immer auf der Suche sein. Zusätzlich nimmt die Bedeutung des Dienstleistungsbereichs und der wissensbasierten Ökonomie zu. Beides untergräbt Formen der Leistungsregulierung, die in der klassischen Industrie funktioniert haben, insbesondere durch Gewerkschaften. Früher, als Student, habe ich immer gedacht: „Akkord ist Mord“. Heute weiß man, dass Akkordarbeit immer auch mit der Regulierung und Begrenzung von Leistung einhergeht. Die soziale Regulierung von Leistung wird durch Entgrenzung immer schwächer. Diese Entwicklung fördert meritokratische Ungleichheiten. Es entsteht eine riesige Gruppe von Verlierern, die ihre Ausgrenzung nicht mehr im Kollektiv verarbeiten kann, sondern sich selbst schuldig fühlt, sich schämt und diese Gefühle gegen sich selbst richtet. Das könnte sich in Ressentiments äußern.

SH: Wie schlägt sich das politisch nieder? 

MH: Meine Befürchtung ist, dass diese Ressentiments immer unkontrollierter explodieren. Steffen Mau beschreibt das in seinem Buch Triggerpunkte.22 Nehmen Sie Corona und schauen Sie sich die Aufregung über Masken an. Oder der Hausbesitzer, der aggressiv wird, weil er zukünftig eine Wärmepumpe einbauen muss. Der Hass kann sich aber auch gegen Klima-Aktivisten richten, die mir vorschreiben wollen, ob ich Autofahren oder Fliegen darf. Es handelt sich also um sozial ganz unterschiedliche Gruppen. Statt geregelt und kollektiv kanalisiert zu werden, führt meritokratische Ungleichheit zu Verachtung und Abwertung zwischen relativ zufälligen Gruppen. In puncto gesellschaftlicher Zusammenhalt bereitet mir das am meisten Sorgen.  

SH: Sie sprechen den gesellschaftlichen Zusammenhalt an. Wie wirken sich Migrationsströme auf Ungleichheitsstrukturen in Europa aus? Sehen Sie eine Überforderung oder zeichnen sich zukünftige Lösungen ab?

MH: Die etwa eine Million Ukrainer, die in Deutschland leben, sind volkswirtschaftlich ein riesiger Gewinn. Drei Viertel von ihnen haben einen akademischen Abschluss. Viele wollen natürlich nach dem Krieg zurückkehren. Aber es wird ohne Frage Klebeeffekte geben. Das heißt, Hunderttausende werden in der EU bleiben, wenn sie vernünftig integriert sind. Bereits jetzt ist ein Fünftel der hier lebenden Ukrainer erwerbstätig. Bei Schutzsuchenden aus anderen Ländern, die schon länger in der EU sind, sieht es noch besser aus. Die Hälfte der 2015 Immigrierten hat Jobs, wenn auch meistens solche mit niedrigen Qualifikationsanforderungen.23 Für eine alternde Gesellschaft ist das ein riesiger Vorteil, daher muss man in Integration und die notwendigen Institutionen investieren. Vor allem die Kommunen sind hier enorm belastet.

Ein großes Thema bei der Integration von Migranten ist die bereits erwähnte overeducation, also der unterwertige Einsatz von Migranten in der Wirtschaft. Gemeinsam mit meinem Kollegen Sven Broschinski habe ich untersucht, wie Migranten und Einheimische eingesetzt werden und ob ihre Ausbildungen richtig genutzt werden. Wir sehen deutlich, dass overeducation insbesondere bei Migranten weit verbreitet ist. Wenn wir auf die EU blicken, sehen wir eine interessante Spaltung: EU-Bürger werden unterwertig eingesetzt, weil es ein Defizit bei der Sprachkompetenz gibt, etwa wenn ein Italiener versucht, in Deutschland zu arbeiten. Zwar gibt es auch einen unterwertigen Einsatz von Einheimischen, aber der dramatischste Unterschied besteht zwischen Einheimischen und Drittstaatsangehörigen.

SH: Wie kann die EU hier gegensteuern?

MH: Die EU-Regeln tragen bereits jetzt in erheblichem Maße dazu bei, dass innereuropäische Migranten adäquat eingesetzt werden, wenn man die Sprachbarriere ausklammert. Die EU bietet in dieser Hinsicht viele Vorteile. Es gibt zum Beispiel bestimmte Regeln, die im Rahmen des gemeinsamen Binnenmarktes dafür sorgen, dass Qualifikationen anerkannt werden. Das gilt jedoch in deutlich geringerem Maße für Drittstaatsangehörige. Auf die Frage, warum bei Letzteren sprachliche Defizite mehr ins Gewicht fallen als bei EU-Bürgern, haben wir in unserer Forschung auch eine Erklärung vorgeschlagen: Drittstaatsangehörige können ihren Aufenthalt in einem bestimmten Land der EU nicht planen, da sie als Schutzsuchende kommen. Welche Sprache konkret benötigt wird, ist zunächst nicht vorhersehbar. Auch Antidiskriminierungspolitik, die oft belächelt wird, aber in der Praxis Vorurteile abbaut, hilft ungemein. Das kann man empirisch zeigen. 

SH: Weiten wir zum Schluss noch mal den Blick. Inwiefern unterscheiden sich die Ungleichheiten, die Europa kennzeichnen, von jenen in den USA oder China? Wo zeigen sich in Europa globale Trends und was ist spezifisch europäisch?

MH: Im globalen Maßstab ist Europa eine Insel der Seligen. Betrachtet man die EU als ein einheitliches Gebiet, ist der Gini-Koeffizient mit ungefähr 0,32 weit geringer als in den USA oder China. Auch die zwischenstaatlichen Ungleichheiten sind, wie eingangs beschrieben, in Europa deutlich zurückgegangen. Die USA haben einen Gini-Koeffizienten von 0,38, sind also deutlich ungleicher als Europa. Die tatsächliche Ungleichheit in China ist ein großes Rätsel, es gibt nur Schätzungen. Der Gini-Koeffizient liegt wohl bei etwa 0,50. Es gibt eine dramatische Ungleichheit zwischen den entwickelten südchinesischen Regionen und den westlichen und nördlichen abgehängten Regionen.24 Auch Indien hat einen Wert, der ungefähr dem der USA entspricht. Diese riesigen Flächenländer sind also mit enormen Ungleichheiten und Herausforderungen konfrontiert. In den USA sehen Sie als Konsequenz die dramatische Spaltung des politischen Systems, wobei man auch hier keine direkte Linie von der materiellen Situation der Bevölkerung zur Politik ziehen sollte.25 Zwar haben, wie unter anderem Branko Milanovic gezeigt hat, die rasche wirtschaftliche Entwicklung in China und auch in Indien dazu beigetragen, dass die globale Ungleichheit in den letzten Jahrzehnten gesunken ist.26 Das ist ein riesiger Erfolg. Aber innerstaatlich bleibt die Ungleichheit dramatisch hoch.

Europa hat viel bessere Voraussetzungen, um gezielt Politik gegen Ungleichheiten zu machen. Und es passiert ja auch viel: Denken Sie an das riesige Investitionsprogramm Next Generation der Von-der-Leyen-Kommission. Man versucht, mit einem gigantischen finanziellen Aufwand von 800 Milliarden Euro insbesondere Ungleichheiten zwischen Nord- und Südeuropa zu reduzieren. Die größten Profiteure sind Italien und Spanien. Es freut mich enorm, dass sich die EU damit ein neues Politikfeld erschlossen hat.

Fußnoten
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Eine Kritik der in seiner Analyse neoliberalen EU sowie ein Plädoyer für die Rückkehr zum Nationalstaat bietet Wolfgang Streeck: Zwischen Globalismus und Demokratie. Politische Ökonomie im ausgehenden Neoliberalismus. Suhrkamp, Berlin 2021, ISBN 9783518766279. Eine Erwiderung findet sich bei Martin Heidenreich: Rezension. Wolfgang Streeck, Zwischen Globalismus und Demokratie: Politische Ökonomie im ausgehenden Neoliberalismus, Berlin: Suhrkamp 2021, 538 S., gb., 28,00 €. In: Soziologische Revue. Band 45, Nr. 2 2022, S. 283–287. https://doi.org/10.1515/srsr-2022-0039

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Quelle:
https://climate.ec.europa.eu/eu-action/european-green-deal_en

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Der Gini-Koeffizient misst den Grad der Ungleichheit der Einkommensverteilung in einer Region oder einem Land. Die Grundlage des Gini-Koeffizienten ist das Haushaltsnettoeinkommen. Konkret stellt er dar, wie viel Einkommen einer Gesellschaft auf wie viel Prozent der Gesellschaft entfallen.

Maximilian Weber (1864-1920) war ein deutscher Soziologe und Nationalökonom. Er gilt als Klassiker und zuweilen auch als Gründungsvater der deutschen Soziologie, hat aber auch großen Einfluss auf Nachbardisziplinen wie die Politik- und Geschichtswissenschaft gehabt.

Als Abwertung bezeichnet man einen Vorgang, in dessen Zuge der Außenwert einer Währung zurückgeht. Das bedeutet, dass der Wechselkurs der abgewerteten Währung im Verhältnis zu anderen Fremdwährungen geringer wird. Hat man ein flexibles Wechselkursregime, so geht eine Abwertung meist aus einer Erhöhung des Angebots der abgewerteten Währung am Devisenmarkt hervor. In einem sog. festen Wechselkursregime geht eine Abwertung hingegen auf eine gezielte Entscheidung der Regierung zurück. Diese reagiert damit oft auf ein strukturelles Zahlungsbilanzdefizit, also eine Situation, in der der Geldwert der Importe höher ist als der Geldwert der Exporte.

Das Paradigma der growth models (Wachstumsmodelle) versucht, vergleichend Unterschiede in den Institutionen, den Strukturen des Unternehmenssektors, der makroökonomischen Angebots- und Nachfragefaktoren sowie der Zusammensetzung bestimmter Wachstumskoalitionen zu analysieren.

Als Meritokratie bezeichnet man ein Herrschaftsmodell, das auf der Vorherrschaft jener beruht, die sich durch Leistung und Verdienst auszeichnen.

Als Gender Pay Gap bezeichnet man die Unterschiede in der Entlohnung von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit und bei gleicher Qualifikation.

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Du antwortest auf den Beitrag: "„Soziale Ungleichheit ist eine europäische Angelegenheit.“ Ein Gespräch mit dem Soziologen Martin Heidenreich".

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Die Überschrift des Artikels ist etwas irreführend, denn am Ende steht ja richtig “Im globalen Maßstab ist Europa (mit Blick auf die Ungleichheit) eine Insel der Seligen.”

In der Mitte des Artikels wird jedoch diskutiert, wie meritokratische (als durch Leistung erworbene) Ungleichheiten in Kombination mit Entgrenzung und Subjektivierung der Leistung zum gesellschaftlichen Sprengsatz werden. Diesen Gedanken, eventuelle Gegenthesen und -maßnahmen halte ich für sehr verfolgenswert, denn es betrifft den Kern unseres Gesellschaftsmodells und erklärt zugleich die aufkommende Verachtung für Eliten.

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