Die (Un-)Möglichkeit eines europäischen China-Konsenses

Europa diskutiert über den zukünftigen Umgang mit China. Zur Debatte steht eine neue Strategie, die China als Handelspartner und geopolitischen Rivalen begreift. Die Historikerin Alice Trinkle und der Politikwissenschaftler Sebastian Hoppe zeigen, was einem europäischen „China-Konsens“ entgegensteht und wie eine politische Neubewertung Chinas gelingen kann.

Umbruch | Krieg | Europa

Stellt man dieser Tage in den Außenministerien europäischer Staaten die Frage, „wie hältst du’s mit China?“, ist die Antwort einhellig: Zu groß sei die Abhängigkeit vom chinesischen Markt, zu anfällig die eigene Infrastruktur für chinesische Technologieinitiativen. China, Anführer einer neuen „autoritären Internationalen“, fordere westliche Demokratien heraus.1 Eine neue Strategie werde gegenüber Beijing benötigt, nur eine gemeinsame europäische Politik könne dem aufsteigenden Hegemon mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern das Wasser reichen.

Ist die Zeit für einen europäischen China-Konsens reif? Der ambitionierte Versuch einer China-Strategie bedeutet im Kern, eine gemeinsame Antwort auf neue strukturelle Bedingungen in der Weltpolitik zu finden: China hat sich über einen Zeitraum von 30 Jahren erneut zu einem weltwirtschaftlichen Schwergewicht entwickelt.2 Aufbauend auf dem Selbstverständnis, dass das Land nun den bis zum Ende der Qing-Dynastie (1644-1911) gehaltenen Großmachtstatus wiederherstellt, meldet Xi Jinping seit seinem Aufstieg in Partei und Staat offen seinen globalen politischen Führungsanspruch an.3

Was die Entwicklung Chinas besonders macht: Sie erfolgte durch eine tiefe Integration in die kapitalistische Weltwirtschaft und nahm damit über Jahrzehnte Einfluss auf die Ausrichtung westlicher Volkswirtschaften. Sei es die De-Industrialisierung in den USA seit Ronald Reagan, der deutsche Aufstieg zum „Exportweltmeister“ seit den 2000ern oder das Auftun wirtschaftlicher Alternativen für den Globalen Süden nach der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 – all das hat viel mit dem historisch beispiellosen und in der Vergangenheit stetigen Wachstum Chinas zu tun.4 

Gleichzeitig haben sich spätestens mit der Machtkonsolidierung von Xi die westlichen Hoffnungen der 1990er Jahre endgültig als illusorisch erwiesen: Weder haben weltwirtschaftliche Integration, Handel und westliche Direktinvestitionen zu politischer Liberalisierung in China geführt, noch hat sich in Anbetracht einer China First-Politik die Forderung zahlreicher europäischer und US-amerikanischer Unternehmen erfüllt, dass man Wirtschaftliches und Politisches trennen solle. Für China-Kenner waren diese Entwicklungen wenig überraschend. Denn die chinesische Führung, inklusive ihrer reformorientierten Fraktionen, hat den absoluten Machtanspruch der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) auf ihrem Weg zu einem „Sozialismus chinesischer Prägung“ nie aufgegeben.5

Chinas Aufstieg – Europas Sollbruchstellen

Doch trotz der Einigkeit über die Herausforderung, die das „Reich der Mitte“ darstellt, werden unter der Oberfläche des China-Konsenses Risse deutlich. Denn Chinas Aufstieg hat sich auf Europa als Ganzes, seine Partner und die europäischen Nationalstaaten ganz unterschiedlich ausgewirkt. Nun werden dementsprechend unterschiedliche Antworten auf die Frage „Wie weiter mit China?“ gegeben. 

Die europäischen Bemühungen um eine China-Strategie spielen sich in einem Spannungsfeld ab: Auf der einen Seite steht die umfangreiche wirtschaftliche Verflechtung fast aller Länder mit China. Auf der anderen Seite muss der Einfluss, den die chinesische Führung unter Xi ausübt, politisch neu bewertet werden. Die politische Herausforderung für die EU besteht darin, die unterschiedlichen Bewertungen der China-Frage nicht zu Sollbruchstellen werden zu lassen. Die Suche nach einer Strategie, welche die EU-Mitgliedstaaten, europäische Unternehmen und auch die Zivilgesellschaft mittragen können, findet dabei auf offener politischer Bühne statt.

In einer gewissen Regelmäßigkeit verkünden EU-Mitgliedstaaten seit Anfang 2023 die Entwicklung neuer China-Strategien. Diese sind vor allem von der Idee des De-Risking geprägt. Trotz Unterschieden in den Nuancen scheint die EU-Kommission eine Marschrichtung vorzugeben: Im Mittelpunkt steht die Risikominimierung bei bleibender wirtschaftlicher Kooperation, gepaart mit diplomatischer Gesprächsbereitschaft. Dabei stellt die EU-Kommission angesichts Chinas Rolle als zweitstärkste Volkswirtschaft der Welt vor allem die Stabilität des europäischen Wirtschaftsraums in den Mittelpunkt. 

Gleichzeitig forderte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer Grundsatzrede im März 2023 eine realistische Einschätzung der Ziele der chinesischen Regierung. China sei intern zu einem System der Kontrolle und Sicherheit übergegangen, untergrabe die Logik freier Märkte und trete für einen systemischen Wandel mit China als zentraler Kraft in internationalen Organisationen ein.6 Dieser Realität, so von der Leyen, sei auf zweierlei Weise zu begegnen: Einerseits sollten wirtschaftliche Abhängigkeiten minimiert werden, andererseits dort auf Diplomatie und Kooperation gesetzt werden, wo gemeinsame Interessen bestünden, etwa beim Schutz der Weltmeere. Die im Sommer veröffentlichte „Strategie zur wirtschaftlichen Sicherheit“ unterstreicht den Fokus auf ökonomische Sicherheit und strategische Autonomie, nicht nur im Verhältnis zu China. Eigene wirtschaftliche Stärken Europas sollen gefördert, die Abhängigkeit von Dritten minimiert und die Kooperation mit verlässlichen Partnern weltweit ausgebaut werden.

Auch die Bundesregierung hat sich vom Mantra „Wandel durch Handel“ der 1990er verabschiedet. So steht die im Juni 2023 veröffentlichte China-Strategie im Einklang mit den Zielen der EU. Lieferketten deutscher Unternehmen sollen diversifiziert werden. Durch eigene intensivierte Investitionen in Forschung und Innovation soll die technologische Abhängigkeit Europas von Drittstaaten verringert werden. Zudem wird eine „werteorientierte“ Chinapolitik angestrebt. Seit Sommer 2023 arbeitet die Bundesregierung auch an einer nationalen Sicherheitsstrategie, die dem zusätzlich Rechnung tragen soll. Die Idee: Dialog und Kooperation sollen nicht komplett der Versicherheitlichung der Beziehungen untergeordnet werden. Auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Kooperation etwa will die Bundesregierung die Wissenschaftsfreiheit für deutsche Forschende auch innerhalb Chinas erhalten. 

Die französische Regierung hingegen fordert, China im Sinne der strategischen Autonomie Europas zu begegnen. Im August 2023 betonte Emmanuel Macron, dass die Rivalität zwischen den USA und China langfristig das Potenzial habe, die internationale Ordnung zu stören und die Welt erneut zu teilen. Im Sinne der eigenen europäischen Interessen müsse eine proaktive Handels- und Industriepolitik entwickelt werden. China selbst, so der französische Präsident, habe im Bereich der natürlichen Ressourcen und der Sicherstellung elementarer Rohstoffe bereits vor Jahren begonnen, sich strategisch aufzustellen. Für die EU gelte es nun aufzuholen. Eine komplette wirtschaftliche Abkopplung von China sei laut der französischen Regierung jedoch illusorisch.

Von einem bereits erlangten China-Konsens kann also schwerlich gesprochen werden. Denn zwischen den Ansätzen der EU, Deutschlands und Frankreichs bestehen durchaus Unterschiede. Während die Kommission vor allem auf den Aufbau einer widerstandsfähigen europäischen Wirtschaft setzt, stellt die Bundesregierung einen werteorientierten Ansatz in den Mittelpunkt. Die französische Regierung hingegen untermauert mit ihrer Herangehensweise an China die seit Jahren formulierte Forderung nach strategischer Autonomie Europas in einer sich wandelnden Welt.

Viele Unstimmigkeiten zwischen den europäischen Akteuren in Bezug auf China haben nicht zuletzt damit zu tun, dass die Neuausrichtung der europäisch-chinesischen Beziehungen zugleich Anpassungen der Beziehungen zu den USA verlangt. Spätestens seit der Amtszeit Donald Trumps sieht sich Europa mit Druck aus Washington konfrontiert, eine härtere Gangart gegenüber China einzuschlagen. Während Frankreich historisch im Verhältnis zu den USA auf einen eigenen europäischen Weg drängt, neigt die Bundesregierung, insbesondere unter dem Eindruck der sicherheitspolitischen Abhängigkeit bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, zum transatlantischen Schulterschluss. Hinter den unterschiedlichen Perspektiven auf China stehen also nicht zuletzt verschiedene Visionen, wie die anvisierte strategische Autonomie Europas und das Verhältnis zu den USA aussehen können. 

Der etwas andere Blick aus dem östlichen Europa

Ein oft unterschätztes Hindernis für eine einheitliche China-Strategie der EU ist die Perspektive der Länder des östlichen Europas. Hier zeigt sich ein diffuses Bild. Zwar haben viele Regierungen in der Region Konzepte zum Umgang mit China entwickelt, offizielle Veröffentlichungen, die sich zu einer Strategie formen, sind jedoch selten. Generell stand China in den vergangenen 15 Jahren vor allem für Hoffnung auf wirtschaftliche Erfolge. Mittlerweile hat sich jedoch eine Ernüchterung über das Ausbleiben der erhofften Investitionen eingestellt, vor allem in Tschechien und Polen. Auch das Austauschformat 14+1 zur Förderung der wirtschaftlichen Kooperation und des Dialogs zwischen Osteuropa und China hat viel von seiner ursprünglichen Strahlkraft eingebüßt. Im Rahmen des Formats finden regelmäßig hochrangige Gipfeltreffen auf Regierungsebene statt, bei denen unter anderem die Umsetzung wirtschaftlicher Projekte der Belt and Road Initiative besprochen werden. Zudem schrecken lokale Betriebe kleinerer Größe angesichts der enormen Herausforderungen vor einem Einstieg in den chinesischen Markt zurück.

Die China-Euphorie im östlichen Europa ist von einem Gefühl der Bedrohung und eines wachsenden Misstrauens abgelöst worden. Estland und Lettland haben unter dem Eindruck der ausbleibenden chinesischen Verurteilung des Angriffs Russlands auf die Ukraine die bis dahin als 16+1-Format (nun 14+1) bekannte Gruppe verlassen. Das Format wurde durch einige Kommentatoren bereits seit längerem als ein Versuch der Spaltung Europas interpretiert. Ausgelöst durch den Ukraine-Krieg und die veränderte geopolitische Lage werden chinesische Investitionen als Vehikel zur politischen Einflussnahme gesehen. Die „Moskauer Schlagseite“ der chinesischen Reaktion auf Russlands Angriffskrieg hat in Osteuropa also insgesamt mehr Türen zugeschlagen als geöffnet.7 

Aufsehen erregende chinesische Großprojekte wie jüngst in Ungarn sind mittlerweile eher die Ausnahme denn die Regel: Dort investiert der chinesische Batteriehersteller CATL in den Aufbau der größten Batteriefabrik für E-Mobilität in Europa. Die ungarische Regierung setzt unbeirrbar auf einen engen Austausch mit China. Auch im Bereich Wissenschaft und Forschung besteht eine enge Verbindung. Ein Forschungsinstitut zur Kooperation zwischen China und Zentral- und Osteuropa hat seinen Hauptsitz in Budapest. Diese Projekte versucht Viktor Orbán zu nutzen, um Ungarn im Konflikt mit westlichen Partnern und der EU-Kommission in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. 

Doch auch das berechnende Vorgehen des innerhalb der EU weitgehend isolierten ungarischen Ministerpräsidenten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in Ungarn wichtige Prestigeprojekte ins Stocken gekommen sind. Die Gründung eines Ablegers der Shanghaier Fudan-Universität in Budapest ist aufgrund des Widerstands der ungarischen Zivilgesellschaft zum Erliegen gekommen. Obwohl also einige Regierungen im östlichen Europa die Beziehungen zu China nutzen, um die eigene Verhandlungsposition im Umgang mit westlichen Partnern zu stärken, fällt insgesamt der Blick auf das Land deutlich kritischer als noch vor wenigen Jahren aus.

Was denkt Beijing? 

In Beijing werden die europäischen Überlegungen mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Gerade China-kritische Ansätze stoßen auf heftige Gegenreaktionen. Chinesische Politiker erklären etwa, dass der De-Risking-Ansatz unnötige Konflikte in laufende Kooperationen hineintrage. Er spiegele eine Mentalität des Kalten Krieges wider, die die USA in die europäisch-chinesischen Beziehungen tragen würden. Eine zu starke Anbindung Europas ins transatlantische Bündnis schade Europa. Die deutsche China-Strategie wird für ihre Politisierung der Beziehungen kritisiert. Zeitgleich bedeutet die stetige Verkleinerung des 16+1 Formats auf nun 14 osteuropäische Teilnehmerstaaten einen Gesichtsverlust für China

Die ablehnende Haltung gegenüber der De-Risking-Strategie bedeutet jedoch nicht, dass mehr europäische Eigenständigkeit gänzlich abgelehnt wird. Im Gegenteil: Der europapolitische Ansatz der französischen Regierung wird als unabhängig angesehen und begrüßt. Letzterer habe das Potenzial, heißt es in Gesprächen mit chinesischen Kolleg*innen oft, zu guten europäisch-chinesischen Beziehungen beizutragen. Das chinesische Kalkül geht im Kern so: Ein souveräneres Europa bedeutet ein Europa, das unabhängig von den USA agiert. Letzteres ist für China vor allem in Bezug auf Taiwan relevant - Xi Jinping erhofft sich hier, bestätigt von Macrons Andeutungen, ein im Vergleich zu der US-Position zurückhaltenderes Europa.

Es liegt gleichzeitig im chinesischen Interesse, Europa als wohlgesinnten wirtschaftlichen Partner zu behalten. Denn China mag zwar globalen Führungsanspruch anmelden, hat aber selbst mit erheblichen internen Problemen zu kämpfen. Die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 20 Prozent und die sozioökonomische Ungleichheit hat ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht.8 Auch die bereits Jahre dauernde strukturelle Krise des Immobiliensektors und eine zunehmend alternde Bevölkerung gefährden den zukünftigen Wachstumspfad. In Zeiten, in denen global militärische Konfrontationen auf dem Vormarsch sind, stellt sich für die EU die Frage, ob sie die Unterstützung langfristiger gesellschaftlicher Entwicklung und den Kampf gegen die Klimakrise leichtfertig einer Sicherheitslogik opfern will. Dies könnte beispielsweise drohen, wenn sich die EU entscheidet, in weit höherem Maße als bisher militärische Präsenz im Pazifik zu zeigen. Die Herausforderung für die EU besteht darin, die eigenen Positionen deutlich zu machen, ohne die Zusammenarbeit mit China, etwa beim globalen Kampf für eine sozial-ökologische Transformation, zu gefährden, denn letztere wird nur mit China zu erreichen sein.9

Europas China-Strategie: Nuancen statt Kohärenz

Mit dem Ende der strikten Covid-Beschränkungen in China ist erneut Bewegung in die europäisch-chinesische Diplomatie gekommen. Europas Entscheidungsträger, darunter Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Ursula von der Leyen, sind allesamt seit Herbst 2022 nach China gereist. Zwar steht fest, dass Beijings offizielles Interesse an einer multilateralen Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ und „mit Respekt“ in Anbetracht der aggressiven Außenpolitik insbesondere im südchinesischen Meer und dem Ausnutzen wirtschaftlicher Abhängigkeiten für politische Einflussnahme immer wieder kritisch zu hinterfragen ist. Die persönlichen Begegnungen mit hochrangigen chinesischen Politikern erlauben es aber, neue Perspektiven mit Nuancen in der Gestaltung der Beziehungen zu entwickeln.

Statt dem Ziel einer China-Strategie „für ganz Europa“, sollte die EU an einer Position arbeiten, die den Unterschieden zwischen den europäischen Staaten gerecht wird. Das bedeutet zum einen, die verschiedenen China-Lager in Europa zu integrieren und die Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Verflechtung mit der Reduzierung von Abhängigkeiten in Einklang zu bringen. Zum anderen sollte die Angst vor der „autoritären Internationalen“ nicht dazu führen, Nuancen in der chinesischen Position, und damit potenziell ähnliche Interessen, zu übersehen. 

Es gibt Anzeichen dafür, dass dies sowohl in China als auch in der EU verstanden wird. Im September 2023 haben wichtige Dialogformate für Wirtschafts- und Finanzfragen zwischen der EU, Deutschland und China ihre Arbeit aufgenommen. Die Gründung einer Arbeitsgruppe zum Thema der Finanzregulierung auf EU-Ebene hat das Potential, neues Vertrauen entstehen zu lassen. Zeitgleich kündigte Deutschland an, China ab 2026 nicht mehr als Entwicklungsland zu behandeln. Zwar schwenkt die Bundesrepublik damit auf die Linie der US-Regierung ein. Der Schritt sollte jedoch auch als Signal an China verstanden werden, dass eine Partnerschaft „auf Augenhöhe“ bedeutet, sich nicht ewig hinter dem Label des Entwicklungslandes verstecken zu können.

Europäische Kohärenz ist in der Chinapolitik also nicht unbedingt auszumachen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten pendeln zwischen enttäuschten Erwartungen, dem Versuch einer realistischen Bewertung chinesischer Aktivitäten und sicherheitspolitischem Druck hin und her. Dem Anspruch des De-Risking stehen die immensen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Europa und China gegenüber. Eine von Deutschland vertretene werteorientierte Außenpolitik trifft auf den französischen Anspruch einer strategischen Autonomie Europas. Und über allem schwebt das Verhältnis Europas zu den USA, das – mal direkter, mal subtiler – eng mit der China-Frage verbunden ist. Wie unabhängig, wie autonom kann und soll der außen- und wirtschaftspolitische Ansatz der EU gegenüber China sein? Realistisch ist eine EU-weite Chinapolitik in naher Zukunft nur, wenn sie Raum für Nuancen und die unterschiedlichen Belange der Mitgliedstaaten lässt.

Fußnoten
9

Stephen G. F. Hall: The Authoritarian International. Tracing How Authoritarian Regimes Learn in the Post-Soviet Space. Cambridge University Press, Cambridge 2023, ISBN 9781009089630; Mark Chou: Have the black knights arisen? China's and Russia's support of autocratic regimes. In: Democratization. Band 24, Nr. 1, 2016, S. 175–184. https://doi.org/10.1080/13510347.2015.1124089 

Christopher A. McNally: Sino-Capitalism. China's Reemergence and the International Political Economy. In: World Politics. Band 64, Nr. 4, 2012, S. 741–776. https://doi.org/10.1017/S0043887112000202; Raymond Lotta: China's Rise in the World Economy. In: Economic and Political Weekly. Band 44, Nr. 8, 2009, S. 29–34; Randall L. Schweller und Xiaoyu Pu: After Unipolarity. China's Visions of International Order in an Era of U.S. Decline. In: International Security. Band 36, Nr. 1, 2011, S. 41–72. https://doi.org/10.1162/ISEC_a_00044 

François Bougon: Inside the Mind of Xi Jinping. Hurst, Oxford 2018, ISBN 9781787381629.

Julian Germann: Beyond ‘Geo-Economics’. Advanced Unevenness and the Anatomy of German Austerity. In: European Journal of International Relations. Band 24, Nr. 3, 2017, 590-613. https://doi.org/10.1177/1354066117720987; Justin Rosenberg und Chris Boyle: Understanding 2016. China, Brexit and Trump in the history of uneven and combined development. In: Journal of Historical Sociology. Band 32, Nr. 1, 2019, e32-e58. https://doi.org/10.1111/johs.12217; Dawn C. Murphy: China's Rise in the Global South. The Middle East, Africa, and Beijing's Alternative World Order. Stanford University Press, Stanford, California 2022, ISBN 9781503630604; Sean Kenji Starrs und Julian Germann: Responding to the China Challenge in Techno‐nationalism. Divergence between Germany and the United States. In: Development and Change. Band 52, Nr. 5, 2021, S. 1122–1146. https://doi.org/10.1111/dech.12683.

Jean-Pierre Cabestan: The Party runs the show. How the CCP controls the state and towers over the government, legislature and judiciary. In: Willy Wo-Lap Lam (Hrsg.). Routledge Handbook of the Chinese Communist Party. Taylor and Francis, Florence 2017, ISBN9781134847440, S. 75–91.

Christopher Layne: The US–Chinese power shift and the end of the Pax Americana. In: International Affairs. Band 94, Nr. 1, 2018, S. 89–111. https://doi.org/10.1093/ia/iix249 

Sebastian Hoppe: Chinas Reaktion auf Russlands Krieg gegen die Ukraine. Strategische Zurückhaltung mit Moskauer Schlagseite. In: Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik. Nr. 15, 2022, S. 125–137. https://doi.org/10.1007/s12399-022-00921-9 

Scott Rozelle und Natalie Hell: Invisible China. How the Urban-Rural Divide Threatens China's Rise. The University of Chicago Press, Chicago, London 2020, ISBN 9780226740515.

Jianfeng Jeffrey Qi und Peter Dauvergne: China’s rising influence on climate governance. Forging a path for the global South. In: Global Environmental Change. Band 73, 2022. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2022.102484 

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