Generisches Femininum erregt „Maskulinguisten“, Teil 1 und 2

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Generisches Femininum erregt „Maskulinguisten“, Teil 1 und 2

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Geschrieben von Eva von Grafenstein

Bei te.ma veröffentlicht 26.10.2022

Geschrieben von Eva von Grafenstein
Bei te.ma veröffentlicht 26.10.2022

Die feministische Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch verteidigt in ihrem zweiteiligen Blogbeitrag aus dem Jahr 2013 die Verwendung des generischen Femininums. Diese wurde im selben Jahr in die Grundordnung der Universität Leipzig aufgenommen, was auch in der Linguistik kontroverse Reaktionen hervorgerufen hat. Hans-Martin Gauger und André Meinunger etwa kritisierten die Maßnahme scharf. Pusch überzeugen die Argumente der beiden Linguisten wenig. Sie hält diese für Vertreter der sogenannten „Maskulinguistik“.

Hans-Martin Gauger verteidigt die Vorherrschaft des generischen Maskulinums bei Personenbezeichnungen mit Rekurs auf die Geschichte der Sprachen: „Unsere Welt ist nun einmal von sehr weither durch die männliche Sicht geprägt - und dies muss sich doch in unseren Sprachen, die auch von sehr weither sind, spiegeln.“1 Luise F. Pusch weist dieses Argument im ersten Teil ihres Blogbeitrags zurück: Nur weil etwas einmal so war, müsste es nicht so bleiben. Wäre man Gaugers Denkweise in der Vergangenheit gefolgt, gäbe es heute noch die Feudalherrschaft, Leibeigenschaft und Sklaverei, und Frauen hätten kein Wahlrecht.   

André Meinunger wiederum vertritt die These, dass die deutsche Sprache im Vergleich zu anderen Sprachen besonders „frauenfreundlich“ sei.2 Denn der Plural von Personenbezeichnungen sei zumindest „formal“ in den meisten Fällen weiblich (der Mann - die Männer). Daraus schließt er, dass im Singular eine männliche und im Plural eine weibliche Vorherrschaft bestehe. Luise F. Pusch hält diesen Schluss, wie sie im zweiten Teil ihres Blogbeitrags ausführt, für „ein[en] schlechte[n] Scherz, dumm und bewusst irreführend (demagogisch)“. Sie befürchtet, dass es von Laien so verstanden werden könne, dass der Plural nicht formal, sondern tatsächlich weiblich sei, was falsch ist. Das Wort der Wasserhahn bleibt grammatisch auch in seiner Mehrzahl die Wasserhähne selbstverständlich männlich.

Luise F. Pusch sieht in den beiden Linguisten Vertreter von etwas, das sie als „Maskulinguistik“ bezeichnet. Hierunter fasst sie die etablierte, männlich geprägte Sprachwissenschaft. Sie wirft ihnen vor, dass sie die feministische Sprachkritik über dreißig Jahre ignoriert hätten und sich erst jetzt, nach Einführung des generischen Femininums an der Uni Leipzig, argumentativ mit ihr auseinandersetzen.3 


Fußnoten
3

Hans-Martin Gauger: Wir fahren jetzt vierzehn Nächte in den Sprachurlaub. FAZ vom 10.07.2013. 

André Meinunger: Wie sexistisch ist die deutsche Sprache? Die Welt vom 07.07.2013.

Luise F. Pusch spielt mit dieser Aussage auf ihr im Jahr 1979 erschienenes Buch „Das Deutsche als Männersprache“ an. (Siehe Luise F. Pusch: Das Deutsche als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik. Frankfurt a.M. 1979.) Was die Einführung des generischen Femininums an der Universität Leipzig anbetrifft, so ist in ihrer Grundordnung seit 2013 u.a. von „Professorinnen“ die Rede. Professoren sind mitgemeint. (Vgl. Universität Leipzig: Grundordnung der Universität Leipzig. 06. August 2013, abgerufen am 04. Oktober 2022. Vgl. auch die entsprechende Pressemitteilung der Universität Leipzig, verfasst von Carsten Heckmann: Neue Grundordnung tritt in Kraft. Pressemitteilung 2013/238, 06.08.2013, abgerufen am 04. Oktober 2022.) 

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