Im Herbst 2023 erscheint im Kulturverlag Kadmos der Sammelband Gendern – auf Teufel*in komm raus?, in dem Linguisten, Journalisten und Aktivisten das kontroverse Thema aus verschiedensten Richtungen beleuchten. Aus dem te.ma-Team sind Julian A. Rott und Martin Krohs mit Beiträgen vertreten, die wir freundlicherweise vorab online veröffentlichen dürfen. Der vorliegende Text ist von Julian A. Rott.
Neopronomen sind, wie der Name eindeutig verrät, innovative Formen von Fürwörtern. Obwohl der Begriff Pronomen streng genommen verschiedenste funktionale Bereiche umfasst, sind mit Neopronomen zumeist spezifisch neue Personalpronomen gemeint. Diesen kommt gleich zweierlei Funktion zu: Einerseits referieren sie auf Personen, für die die Verwendung von binären Formen sachlich unzutreffend wäre; andererseits können sie verwendet werden, um über Menschen unbekannter Identität zu sprechen und keine Annahme über deren Geschlecht zu machen. Ohne Geschlechtsinformationen auszukommen geht bei vielen Pronomen ganz von selbst - wie beim deutschen Reflexivpronomen sich, das man in (1) sieht.
(1)
a. David freut sich.
b. Simone freut sich.
c. Jú freut sich.
David ist ein Mann, Simone eine Frau und Jú eine nicht-binäre Person. Für alle drei wird die Form sich verwendet, ohne dass sich das Sprachgefühl aufbäumt. Nur wenn man die Geschichten in (1a), (1b) und (1c) jetzt fortsetzen wollte, müsste man diese Information auch explizit benennen.
Per Definition sind Personalpronomen eine funktionale Wortklasse, die entweder unmittelbar auf Sprechaktteilnehmende verweist (die deiktischen Personalpronomen der 1. und 2. Person) oder in Bezug auf weitere Entitäten deren substantivische Vollbezeichnung ersetzt (die anaphorischen Personalpronomen, auch 3. Person genannt). Sie stehen also immer in gewisser Weise inhaltlich zweitrangig und erhalten ihre Bedeutung erst aus dem Kontext. Dies könnte mit ein möglicher Grund dafür sein, dass sie im Diskurs um die geschlechtergerechte Sprache, wie er im deutschsprachigen Raum geführt wird, eine gewisse Sonderposition einnehmen: Im Kern der breiten Diskussion stehen dort zumeist diejenigen Wörter, mit denen Personen konkret und unmittelbar bezeichnet werden, im Gespräch, auf Dokumenten, vor Fremden und Vertrauten - die Substantive. Ein illustrativer Blick ins Archiv des Deutschlandfunks zeigt, dass der Sender dem Thema allein von Januar 2020 bis Juni 2022 weit über zehn Stunden Sendezeit gewidmet hat, ohne dass Pronomen dabei überhaupt tiefgehend erörtert wurden.
Es gibt auch Sprachen, wo der Ausdruck der Geschlechtskategorie nicht wie bisher besprochen auf die 3. Person beschränkt ist: auch bei der direkten Anrede des*der Gesprächspartner*in muss je nach Gegenüber eine andere Form gewählt werden. Dies findet sich z.B. im Hausa, im Abchasischen oder im Hebräischen. Noch komplexer ist diese Verflechtung in Sprachen wie dem Vietnamesischen, wo die Pronomen aller Personen je nach Konstellation von Alter, Status und eben Geschlecht variieren können. In wiederum anderen Sprachen sieht das grammatische System dagegen überhaupt keine entsprechende Markierung vor: So können beispielsweise das baskische hura, das finnische hän (eine der Inspirationsquellen für die vorgenannte Neuform im Schwedischen), das türkische o, das georgische ის (is) oder yeye im Swahili allesamt je nach Kontext auf eine Frau, einen Mann oder eine nichtbinäre Person verweisen. Sprachen wie diese sind im globalen Vergleich in der eindeutigen Überzahl: Mehr als zwei Drittel des Samples im World Atlas of Language Structures umschiffen die Diskussion auf dieser Ebene damit von sich aus komplett.
Es zeigt sich also, dass die Tragweite von Pronomen innerhalb einer queerfeministischen Linguistik eine sprachspezifische ist, und je nach den Gegebenheiten des jeweiligen Systems die Frage der Repräsentation aller Geschlechter in diesem grammatischen Bereich von einem Non-Issue bis hin zu einem Rütteln an einer grundlegenden Verankerung reichen kann. Hierbei ist es unabdingbar, anzuerkennen, dass diese Arbeit vor allem den queeren Mitgliedern jeder jeweiligen Sprachgemeinschaft zufällt und auf verschiedenste Weisen durch Vorschläge zur Neuerung, Umdeutung von Altem, oder auch ein Arrangieren mit dem Status Quo gelöst werden kann. Dieser Beitrag möchte genau an der Schnittstelle zwischen sprachstrukturellen Unterschieden und dem einenden Ziel der Geschlechtergerechtigkeit ansetzen, ohne dabei ein Werturteil zu fällen. Viel eher geht es darum, eine wertschätzende und wertschaffende Beschreibung der Strukturen kreativer, queerer Spracharbeit zu vorzunehmen. Die hier versammelten Beispiele sind kursorisch aus dem ohnehin derzeit noch verhältnismäßig kleinen Schatz an Neopronomen in den Sprachen der Welt zusammengetragen. Entsprechend kann die folgende Systematisierung nur ein erster Schritt in Richtung einer queeren Sprachtypologie sein. Sie erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Studienlage für dieses Thema aktuell extrem dünn gesät ist. Daher beruhen die meisten, nicht durch Quellen belegten Feststellungen hier auf den Eigenbeobachtungen des*der Verfasser*in. Und noch eine terminologische Ungenauigkeit ist vorab auszuräumen: Im vorliegenden Beitrag wird der Begriff „Neopronomen“ als übergreifende Kategorie für alle pronominalen Elemente verwendet, mit denen im Rahmen der gendergerechten Sprache repräsentatorisch für nicht-binäre, agender und intersex Menschen sprachplanerisch bzw. sprachneuernd gearbeitet wird, unabhängig davon, ob diese Formen wirklich komplett innovativ oder an Bestehendes angelehnt sind.
Unverbesserlich?
Für eine adäquate Einordnung der strukturellen Mittel, derer sich Neopronomen bedienen, muss man den Kontext verstehen, in den sie sich zu fügen versuchen, wie auch die Widerstände, die bei diesem Versuch entstehen. Pronomen gelten gemeinhin als Funktionswörter.
Wer hieraus jedoch schließen möchte, die pronominale Domäne sei in Stein gemeißelt und soziale Wandelerscheinungen könnten ihr daher nichts anhaben, der irrt. Bleiben wir der Einfachheit halber noch kurz bei den eben besprochenen Sprachen Niederländisch und Englisch. Schaut man sich das Inventar dieser beiden germanischen Sprachen an, so sticht heraus, dass ihre 2. Person Singular stark von den Formen in ihren Schwestersprachen abweicht. Wo Deutsch, Friesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Isländisch und Färöisch eine Variation des Themas du ~ þú ~ tú aufweisen, hat Englisch you und Niederländisch jij. Dies ist keinem Lautwandel geschuldet: In einer Phase des sozioökonomischen Umbruchs verschob sich in diesen Sprachen zwischen etwa dem 14. und dem 17. Jahrhundert der pronominale Usus dahingehend, dass die ursprünglich pluralischen Formen der 2. Person Plural (Deutsch ihr) zunächst auch zur höflichen Anrede höhergesteller Einzelpersonen verwendet werden konnten, so wie man es auch aus älteren Sprachstufen des Deutschen kennt.
Dieser kurze Streifzug durch die Sprachgeschichte soll eines zeigen: Veränderungen bei Pronomen sind alles andere als ein neues Phänomen. Auch vermeintlich geschlossene Klassen sind empfindlich für soziale Umbrüche, und wo die Kategorien des zwischenmenschlichen Umgangs neu arrangiert werden, da verändert sich auch das Sprachsystem. Eine Studie von Wilson & Meyer (2021) zeigt, dass sich derzeit allein in den Vereinigten Staaten 11% der queeren Population
Auch wenn die heutigen queerfeministischen Errungenschaften sicherlich nicht unmittelbar vergleichbar mit dem historischen Zusammenbruch gutsherrschaftlicher Verhältnisse in England oder Niederlanden sind, so befinden wir uns doch in einer Umbruchphase, wo die Kategorie Gender zunehmend hinterfragt wird und in der es immer mehr Menschen möglich wird, sich außerhalb der traditionellen Binarität zu verorten. Nicht alle Personen dieser Population werden Neopronomen benutzen, aber die Zahlen
Die eingangs bereits kurz erwähnte Funktion des genderfreien Verweisens auf Menschen käme ohnehin cis wie trans Menschen zugute, denn jede*r kann im Alltag in die Situation kommen, über eine Person sprechen zu müssen, deren Genderidentität unbekannt ist. Welche der etablierten Formen könnte sich in das Satzpaar in (2) fügen, ohne zu stören?
(2)
Eine ganze Schar Kellner*innen war damit beschäftigt, die Gäste zu bewirten. Eine*r von ihnen stolperte beim Auftischen des Hauptgangs so unglücklich, dass ___ die Soße über den Kopf der Vorsitzenden schüttete.
Mindestens in dieser Verwendung sind geschlechtsneutrale Neopronomen also auch für cis Sprecher*innen relevant, die keine nicht-binären Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld haben, denn hiermit bleibt man nicht nur respektvoll, man vermeidet ggf. sogar eine Falschinformation. Dieser klare Vorteil wird jedoch im deutschsprachigen Diskurs bisher eher außer Acht gelassen.
In vielen Sprachen ist der Findungsprozess für eben solche genderneutralen Pronomen gerade im Gange. Analog zur historisch belegten Übergangsphase der Pronomen im Englischen und Niederländischen gibt es dabei verschiedene Kombinationen und Vorschläge aus den Sprachgemeinschaften, wie innerhalb der Gegebenheiten des jeweiligen Systems für eine adäquate Genderrepräsentation gesorgt werden könnte. Im Rest dieses Beitrags sollen anhand einiger kursorisch ausgewählter Beispiele Ansätze einer Typologie entworfen werden, die zeigt und ordnet, welche strukturellen Mittel hierbei übereinzelsprachlich zur Verfügung stehen.
Gemeinsame Nenner
Die wohl wichtigste typologische Achse ergibt sich aus der Klassifizierung einer neopronominalen Form zwischen Umnutzung und Innovation. Als umgenutzt oder resemantisiert werden solche Formen bezeichnet, die bereits im System vorhanden sind und funktional um die neue, genderneutrale personenbezogene Semantik erweitert werden. Hierbei als erstes zu nennen sind sicherlich die Pronomen des Neutrum, die vor allem in indo-europäischen Sprachen vertreten sind (Deutsch es, Englisch it, Niederländisch het, Isländisch það; Russisch, Polnisch, Tschechisch und Kroatisch оно/ono, Ukrainisch воно (vono), Bulgarisch то (to), Marathi ते (te), uvm.
(3)
a. Das Mädchen lief nach Hause. Es hatte viel zu erzählen.
b. Jú lief nach Hause. #Es hatte viel zu erzählen.
Damit stellt diese Verwendung des Pronomens im Neutrum eine Resemantisierung in unserem Sinne dar. Allerdings wird ein solcher Gebrauch durch den starken Bezug zu unbelebten Entitäten von einer Großzahl von nicht-binären Personen abgelehnt, da eine derartige Referenz als entmenschlichend empfunden wird.
Alternativen zur strukturellen Neuerung können auch aus anderen Kategorien innerhalb des grammatischen Systems bezogen werden. Einige illustrative Beispiele für Neopronomen, die auf diese Weise aus dem Sprachbestand erweitert wurden, sind in Tabelle 1 angegeben.
Diese Strategie zeichnet sich durch widerstrebende Eigenschaften aus: Zwar ist die Integration ins Sprachsystem inhärent gegeben, allerdings müssen die Formen dem Konkurrenzdruck der Ursprungssemantik standhalten. Keines der Beispiele ist bisher in der breiten Sprecher*innenschaft vollständig akzeptiert. Die im Abschnitt Unverbesserlich? diskutierte Entwicklung der Anredepronomen zeigt jedoch, dass dies durchaus gelingen kann, und allen voran die Erweiterung des Englischen they um die neutrale singularische Bedeutung ist von durchschlagendem Erfolg.
Im Kontrast zur Resemantisierung stehen die innovativen Pronomen, also die eigentlich neologistischen Formen, die genuin aus der queeren Community stammen. Eine Kernfrage bei derlei queerfeministischen, sprachplanerischen Ansätzen entspinnt sich um das Problem der formellen Auffälligkeit. Hier schließt sich direkt die zweite typologische Achse an: ein Neopronomen kann versuchen, sich in die Domäne einzufügen, oder bewusst mit dem Kanon der übrigen pronominalen Formen brechen, um z.B. auf eine fehlende außersprachliche (gesellschaftliche, juristische, sozioökonomische, medizinische, etc.) Gleichwertigkeit des referierten Geschlechts als aktivistisches Mittel hinzuweisen. Dies spielt sich vorwiegend auf der phonologischen und/oder orthographischen Ebene ab: Statt sich solcher Phoneme (respektive Grapheme) zu bedienen, die innerhalb des gegebenen Sprachsystems häufig in Elementen aus geschlossenen Klassen auftreten (im Deutschen z.B. alveolare Konsonanten wie /n/, /d/, /t/ oder /s/ sowie hohe Vokale wie /i/ oder /u/ oder auch das Schwa, geschrieben <e>), werden Laute und Zeichen verwendet, die nicht nur stark von dieser Menge abweichen, sondern möglicherweise auch allgemein weniger häufig in der gewählten Position auftreten, also insgesamt markiert sind. Solche Formen sollen hier disruptiv genannt werden und sind in Tabelle 2 illustriert.
Ein wiederkehrendes Element ist hier die Verwendung des Graphems <x>, dem entweder eine sprachspezifische Lautung zugewiesen wird (u.a. z.B. /z/ im Englischen, /ks/ im Deutschen) oder das bewusst unaussprechlich bleibt. Es steht somit als Symbol für die “Durchkreuzung” der traditionellen binären Kategorien und ihrer morphologischen Exponenten und repräsentiert damit häufig einen stark aktivistisch geprägten Ansatz.
Den Gegenentwurf zu solchen Formen bilden entsprechend Pronomen, die eine Schnittmenge zwischen etablierten Formen zu bilden versuchen. Sie können als Mittelweg zwischen resemantisierenden und disruptiven Ansätzen betrachtet werden und sollen hier entsprechend rekombinativ heißen. Einige Beispiele sind in Tabelle 3 zusammengetragen.
Je nach den systemischen Gegebenheiten werden möglichst in ihrer Salienz gleichwertige Elemente der maskulinen und der femininen Form neu zusammengestellt. Wenn die binären Pronomen morphologisch aufeinander bezogen sind (z.B. in den romanischen und den nordgermanischen Sprachen), wird die Neutralität meist über die Beibehaltung der Konsonanten und einen innovativen Vokalismus erreicht. Das Französische iel und seine Beugungsformen erweisen sich hierbei als rekombinative Reinformen, verwenden sie doch alle Laute der beiden binären Formen in neuer Reihenfolge. Beim isländischen hán
Rekombinative Formen haben gegenüber den anderen Strategien den Vorteil, dass sie weder systemisch ambig noch hoch markiert sind. Der bereits besprochene, extrem schnell einsetzende Erfolg der schwedischen Rekombinativform hen zeigt, dass ein solcher Ansatz für die Akzeptanz in der breiteren Sprecher*innenschaft förderlich sein kann. Auch für das Isländische rekombinative hán gibt es erste Anzeichen dafür, dass das Pronomen sich durchsetzen könnte.
Ein spezieller Untertyp der rekombinativen Formen sind solche, die hier denominale Pronomen genannt werden sollen. Ihre Form geht auf meist inhärent genderneutrale Substantive oder andere nominale Wortarten zurück, denen eine Geschlechtsneutralität zugeschrieben wird. Je nachdem, wie transparent der Umbildungsprozess ist und welche Lexeme als Quelle gewählt werden, können diese Pronomen wiederum stärker am disruptiven Ende des sprachplanerisch-aktivistischen Spektrums verortet sein.
Das häufigste morphologische Mittel ist die Apokope, also das Weglassen von Segmenten am Wortende, sodass nur eine Silbe des Wortanlauts erhalten bleibt. Weitere Mittel sind die Kontraktion, also Zusammenziehung von Elementen, wie beim bereits 1858 von Charles Crozat Converse vorgeschlagenen thon, das es 1934 sogar ins Merriam-Webster Wörterbuch schaffte, im Rahmen einer Überarbeitung im Jahre 1961 allerdings aufgrund seines Nichtgebrauchs wieder herausgestrichen wurde.
Im Kontext der denominalen Formen besonders interessant sind die sogenannten nounself-Pronomen wie das oben aufgeführte fae, die vorwiegend im Englischen auftreten. Weitläufig diskutiert werden sie seit etwa 2013. Hier haben sich Sprecher*innen die morphologische Flexibilität der Sprache zu Nutze gemacht, um sich der Geschlossenheit der Klasse quasi vollkommen zu entledigen: Nahezu jedes Nomen kann ad hoc pronominalisiert werden, teils mit den oben genannten Verkürzungen und teils als simple Komposita. Entsprechend ist die Zahl der Formen nicht mehr erschöpfend zu fassen. Im Englischen Nonbinary Wiki werden Stand August 2022 insgesamt 76 solcher Pronomen aufgeführt,
Ein vierter Typus der Neopronomen sind die Lehnformen. Dabei lassen sich aktuell vor allem zwei Quellsprachen identifizieren: das Englische und das Schwedische - eben jene Sprachen, deren neopronominale Ausstattung vermutlich am weitesten fortgeschritten ist. Insofern die Entlehnung ohne eine phonologische Anpassung an das Sprachsystem stattfindet, kann man hier von einer Art der disruptiven Pronomenwahl sprechen. Insbesondere gilt dies für das Englische they, dessen interdentaler Frikativ im Anlaut typologisch höchst selten ist, tritt er doch nur in 7.6% des 567 Sprachen starken Samples in Maddieson (2013) auf.
Letztlich zu erwähnen sind noch zwei weitere Ansätze, die rein technisch gesehen nicht zu den Neopronomen gehören, die aber dennoch grammatisch innovativ sind. So können Personen für sich die Entscheidung treffen, gar keine Pronomen zu verwenden. Die Referenz läuft dann immer über den Vornamen ab, sodass überhaupt keine Zuordnung zu einer Geschlechtskategorie stattfinden muss. Andere Sprecher*innen setzen auf die abwechselnde Verwendung von etablierten gegenderten Pronomen, referieren auf sich also z.B. erst mit er, dann mit sie, dann wieder er, usw. Diese Strategien entstehen als Reaktion aus den Schwierigkeiten der pronominalen Domäne und des grammatischen Genus insgesamt. Sie finden sich daher besonders häufig in Sprachen, in denen sich bisher keine Neopronomen durchgesetzt haben, wie z.B. im Russischen, Hebräischen oder auch im Deutschen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle beschriebenen Mittel formspezifische wie aktivistische Vor- und Nachteile bergen. Die erfolgreichsten Beispiele sind eine resemantisierte Form (Englisch they) und eine rekombinative (Schwedisch hen). Zum jetzigen Zeitpunkt ist es aber kaum möglich, vorherzusagen, welche Form sich in welcher Sprache durchsetzen wird.
Abschluss
Pronomen sind in der genderneutralen Sprache gerade im hiesigen Sprachraum noch eine stark unterrepräsentierte Kategorie. Dies gilt vorwiegend für die Forschung und den gesellschaftlichen Diskurs, haben doch Nutzer*innen ebensolcher Formen schon sehr viel sprachwissenschaftliche und sprachplanerische Grundlagenarbeit geleistet, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Anzuführen sind hier u.a. de Sylvain & Balzer
Der Sammelband Gendern – auf Teufel*in komm raus? erscheint im Herbst 2023 im Kulturverlag Kadmos. Herausgeber sind Ewa Trutkowski und André Meinunger (Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin). 2017 erschien im gleichen Verlag der Vorläuferband Die Teufelin steckt im Detail . Wir danken dem Verlag und den Herausgeber*innen für die Möglichkeit der vorgezogenen online-Veröffentlichung der beiden Texte.
Der Beitrag von Martin Krohs schlägt eine neue Lösung vor, wie mit einfachen Mitteln im Deutschen genderneutral gesprochen werden kann. Er ist ebenfalls auf te.ma bereits zu lesen.