Was Bidenomics genau bedeutet, wurde vom Sicherheitsberater des Weißen Hauses Jake Sullivan erstmals in einer Rede am 27. April 2023 in der Washingtoner Brookings Institution dargelegt: Ein „neuer
Mit dem Infrastructure Investment and Jobs Act, dem CHIPS and Science Act und dem Inflation Reduction Act (IRA) hat das Kabinett Biden seit 2021 eine ganze Reihe wirtschaftspolitischer Maßnahmen vorgelegt, die die Bedingungen verändern, unter denen Unternehmen in den USA investieren können. Die Programme vereinfachen und beschleunigen den Bau neuer Infrastruktur, erweitern die nationale Chip- und Hochtechnologie-Produktion und subventionieren auch für Privathaushalte massiv den Weg in nachhaltiges Wohnen und E-Mobilität. Wie Max Krahé, Geschäftsführer des Think Tanks Dezernat Zukunft, argumentiert, hat der „frische Wind in Washington“ aber auch massive Auswirkungen auf die europäische und globale Politik.
Die europäischen Reaktionen auf Bidens Wirtschaftsoffensive nahmen zunächst die Form deutlicher Kritik an. Bidenomics sei vor allem geopolitisch motiviert, gegen China, aber auch gegen Europa gerichtet und schädige die globale Ordnung. Konservative kritisieren den „verschwenderischen“ Umgang mit Steuergeld in Form von massiven Subventionen. Die Wirtschaftsminister Deutschlands und Frankreichs fühlten sich gar gezwungen, im Rahmen eines Besuchs in den USA für mehr Rücksicht auf die europäische Wirtschaft zu werben. Robert Habeck warnte, man dürfe mit den USA nicht in einen neuen „Handelskrieg“ geraten.
Doch statt pauschaler Kritik, fordert Krahé, bedürfe der Paradigmenwechsel in den USA einer ernsthaften Diskussion in Deutschland und der EU. Denn die vier Herausforderungen, auf die Bidenomics reagiere und die Sullivan in seiner Brookings-Rede erläuterte, betreffen die USA und Europa gleichermaßen.
Hier wäre zunächst das Scheitern des marktliberalen Paradigmas zu nennen. Die Liberalisierung der US-amerikanischen Wirtschaft und des Welthandels seit den 1980er Jahren hätten für viele Menschen Arbeitsplatzverlust und sozialen Abstieg bedeutet.
Dass sich die USA als Reaktion auf diese vier Großtrends und insbesondere den Aufstieg Chinas bereits seit Jahren zunehmend auf das Wohlergehen der eigenen Wirtschaft konzentrieren, wurde von einigen Beobachtern als Wandel von einem „Globalismus der offenen Tür“ zu hartem Wirtschaftsnationalismus beschrieben.
Bidenomics hat auf beiden Seiten des Atlantiks in den verschiedenen politischen Lagern kontroverse Debatten ausgelöst. Linke und
Wie Europas Antwort auf Bidenomics letztendlich ausfallen sollte, ist Gegenstand heftiger Debatten und wird auch die Neuausrichtung der EU-Politik beeinflussen. Bereits im Februar 2023 hatte Brüssel aus Angst vor der Abwanderung von Unternehmen die Subventionen für grüne Investitionen erhöht. Doch viele Fragen sind nach wie vor offen: Sollte Europa – gegen den Zeitgeist – an umfassenden multilateralen Freihandelsabkommen festhalten oder doch den eigenen Wirtschaftsprotektionismus ausbauen?
Unabhängig davon, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, macht Bidenomics deutlich: Auch wenn die USA relativ gesehen an Einfluss verlieren und China sowie andere Staaten zunehmend globale Ambitionen entwickeln, sind nach wie vor zahlreiche Länder gezwungen, die in Washington erdachte Wirtschaftspolitik zu berücksichtigen.