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Martin Krohs stellt vor:

Die demokratische Pflicht und das Sprachsystem: erneute Diskussion um einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch

Re-Paper

Die demokratische Pflicht und das Sprachsystem: erneute Diskussion um einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch

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Geschrieben von Martin Krohs

Bei te.ma veröffentlicht 24.10.2022

te.ma DOI https://doi.org/10.57964/ph2k-ws11

Geschrieben von Martin Krohs
Bei te.ma veröffentlicht 24.10.2022
te.ma DOI https://doi.org/10.57964/ph2k-ws11

Sie betrachte die Fragen des Genderns aus der „eher kontemplativen Perspektive einer Person im beruflichen Ruhestand“, schreibt die Autorin, und dass für die große Mehrheit von Menschen sowieso „lebensweltlich andere Fragen drängender“ seien. Klingt wenig brisant – doch das täuscht.

Die „demokratische Pflicht“ im Titel stammt aus einem Aufsatz, den Henning Lobin (Leibniz-Institut für Deutsche Sprache Mannheim) und Damaris Nübling (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) im Juni 2018 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten1. Es geht in ihm um die Pflicht, mit Sprache so umzugehen, dass alle Geschlechter inkludiert werden, was für Lobin und Nübling bedeutet: nicht das generische Maskulinum zu verwenden. Mit der Forderung nach Geschlechtsinklusivität ist Gisela Zifonun völlig einverstanden, mit der Verbannung des generischen Maskulinums nicht. 

In ihrem Artikel spaziert sie mit demonstrativen Gleichmut und scharfem analytischen Instrument fast den gesamten Problemkreis des Genderns ab, wie er sich einer der profiliertesten Grammatikerinnen der deutschen Sprache2 präsentiert.

Der Beitrag erschien im Sprachreport, einer sprachwissenschaftlichen Fachzeitschrift, die sich „an Bürger, Lehrer, Politiker und Journalisten [richtet], die wissen möchten, womit sich die Sprachgermanisten dieser Tage beschäftigten.“ In Hinblick auf die zunehmende gesellschaftliche Relevanz sprachlicher Fragen ein sinnvolles Programm, das allerdings nun selbst wieder sprachliche Gerechtigkeitsfragen aufwirft (... an Bürger oder auch an Bürgerinnen?).

Als Grammatikerin ist Zifonun vor allem am inneren Funktionieren der Sprache interessiert, weniger an den gesellschaftlichen und politischen Impulsen, die auf sie einwirken. Sie diskutiert unter anderem Doppelformen (Schüler und Schülerinnen – laut Zifonun je nach Situation mal sinnvoll, mal nicht), Neutralisierungen (Lehrperson und – Arztperson?), die Frage der „Bilder im Kopf“, die in psycholinguistischen Assoziationsexperimenten eine so wichtige Rolle spielt (​​Die Spione kamen aus dem Besprechungsraum – auch Frauen?) und den Genderstern / die Sprechpause (wird damit wirklich eine neue „Silbe“ eingeführt?).

Und natürlich diskutiert sie das generische Maskulinum. Und rügt ihren Kollegen Peter Eisenberg, ganz so unproblematisch, wie er sie darstelle, sei diese Form eben doch nicht, sie bleibe ein androzentrisch geprägtes „Ärgernis“.

Zifonuns frei zugänglicher Artikel ist kein Forschungspaper, sondern eine exemplarische Zusammenschau verschiedener – vor allem grammatikalischer –  Argumente. Insofern eignet er sich weniger zur zusammenfassenden Darstellung, umso besser aber zur Lektüre. Er bezieht nur bedingt Position, klar ist dennoch: Aus psycho- oder soziolinguistischer Warte würde eine ähnliche Synthese zu anderen Ergebnissen kommen.

Fußnoten
2

https://www.sueddeutsche.de/kultur/genderdebatte-tief-in-der-sprache-lebt-die-alte-geschlechterordnung-fort-1.4003975 – es lässt sich nicht mehr ganz rekonstruieren, aber es scheint, dass der Aufsatz zunächst (oder in der Print-Fassung) auch den Titel trug Geschlechtergerechte Sprache ist demokratische Pflicht, siehe https://geschicktgendern.de/gendergerechte-sprache-demokratische-pflicht/

Zifonun et al. 1997, Grammatik der deutschen Sprache, 3 Bde; Zifonun et al. 2017 Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich, Das Nominal; Zifonun 2021, Das Deutsche als europäische Sprache: Ein Porträt

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