Der Holodomor und die deutsche Genoziddebatte

Ukraine: Krieg
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Am 30.11.2022 erkannte die Bundesregierung den Holodomor, die durch die sowjetische Politik ausgelöste Hungersnot in der Ukraine in den 1930er Jahren, als Genozid an. Als Kurator*innen des te-ma-Kanals Ukraine: Krieg haben auch wir uns mit Forschung zum Holodomor und dem Erinnern an den Holodomor beschäftigt. Zu den von uns besprochenen Texten zählen etwa Alexander Motyls Analyse der Politisierung des Holodomor-Gedenkens in der Ukraine, Robert Kindlers vergleichende Auseinandersetzung mit dem Erinnern des Holodomors  in der Ukraine und in Kasachstan sowie Wilfried Jilges Rekonstruktion der verschiedenen innerukrainischen Interpretationen des Holodomor seit dem Ende der Sowjetunion.

Aus der Resolution, die SPD, Grüne, FDP und CDU/CSU angenommen haben, geht hervor, dass der Holodomor ein Menschheitsverbrechen ist. Während der Bundestag nun mit großer Mehrheit entschieden hat, dieses Verbrechen als Genozid zu bezeichnen, ist die Fachwissenschaft hingegen zurückhaltender. Wir wollen hier kurz darlegen, was unserer Ansicht nach hinter dieser Zurückhaltung steckt, die zuweilen (und fälschlicherweise) als Verharmlosung der ukrainischen Gewalterfahrung dargestellt wird.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen politischen Diskussion ist ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Begriffs Genozid hilfreich. Das Konzept des Genozids geht maßgeblich auf die Bemühungen des polnisch-jüdischen Juristen Raphael Lemkin (1900-1959) zurück. Lemkin stand unter dem Eindruck der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs und war dadurch stark von der Idee der Vernichtung einer Ethnie geprägt. Die UN-Genozidkonvention, die 1948 verabschiedet wurde und bis heute gültig ist, fokussiert sich ebenfalls auf ethnische Gruppen. Soziale oder politische Gruppen finden hingegen keine Erwähnung. Dass politische und soziale Kriterien keinen Eingang in die Definition fanden, ist auf die sowjetischen Bedenken bei der Verhandlung über den Genozidbegriff zurückzuführen. Wären soziale und politische Gruppen in die Definition aufgenommen worden, hätte man es gegenüber der Sowjetunion mit Sanktionen und Rechtsprozessen für stalinistische Verbrechen zu tun gehabt.

Um die USA zur Ratifizierung zu bewegen, sprang Lemkin auf den Zug des Antikommunismus auf und fand in osteuropäischen und baltischen Diaspora-Communities seine größten Unterstützer. Lemkins Parteinahme für antikommunistische Diaspora-Organisationen veranlasste ihn, über die von der UN verabschiedete Genozid-Definition hinauszugehen und auch stalinistische Verbrechen als Genozide zu bezeichnen.

Lemkins begriffliche und völkerrechtliche Pionierarbeit spielt bis heute eine wichtige Rolle, vor allem in der Ukraine: Das Holodomor-Genozid Museum in Kyjiw verweist auf seinen Online-Plattformen auf die Rolle Lemkins und seine Position, der Holodomor sei ein Genozid gewesen. Auch in Westeuropa und Nordamerika ist die Geschichte der ukrainischen Hungersnot in erheblichem Maße durch die Bemühungen einer aktiven ukrainischen Diaspora bekannt geworden. Hier gibt es durchaus Parallelen zur historischen Verbreitung des Arguments eines russischen Kolonialismus in der Ukraine. Auf te.ma haben wir uns anhand einer detaillierten historischen Studie von Stephen Velychenko mit der inner- und exilukrainischen Debatte zum russischen Kolonialismus auseinandergesetzt.

Andererseits ist für die gegenwärtige Debatte um die Einstufung des Holodomor als Genozid relevant, dass es in der viel kleineren kasachischen Diaspora keine vergleichbaren Bemühungen der Anerkennung eines Genozids an den Kasach*innen gegeben hat. Dabei sind in Kasachstan in den Jahren 1930-33 schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen und damit ein Viertel der Bevölkerung der Republik ums Leben gekommen. In der Mehrheit handelte es sich dabei um ethnische Kasach*innen. Die aktuelle Debatte des Jahres 2022 erweckt zuweilen den Anschein, als sei die durch Stalins Politik verursachte Hungersnot ein rein russisch-ukrainisches Phänomen. Die Geschichte der Kasach*innen und anderer betroffener Ethnien der Sowjetunion tritt hingegen in den Hintergrund.

Die hochgradig politische Entstehungsgeschichte des Genozid-Begriffs sowie die Ausklammerung der kasachischen Gewalterfahrung sind nicht zwangsläufig Argumente gegen die Verwendung des Genozidbegriffs. Dass Kasach*innen Ähnliches wie Ukrainer*innen wiederfuhr, könnte gar Anlass sein, auch Kasachstans Hungersnot in den 1930er Jahren als Genozid anzuerkennen. In diesem Zusammenhang kritisiert beispielsweise die US-amerikanische Historikerin Sarah Cameron, dass man im Westen dazu neige, sowjetische Geschichte als europäische Geschichte einzuordnen. Dadurch werde jedoch die Geschichte der östlichen Hälfte der Sowjetunion an den Rand gedrängt und nicht vollständig ins Verständnis der sowjetischen Geschichte einbezogen.

Nicht zuletzt ist jedoch die für die Klassifizierung als Genozid entscheidende Frage, ob Stalin die Hungersnot dazu nutzte, Ukrainier*innen als ethnische Gruppe zu vernichten. Diese Frage ist seit langem Gegenstand der Forschung. Das The Great Famine Project der Harvard University etwa hat herausgearbeitet, dass es Stalin nicht “nur” um die Kollektivierung der Landwirtschaft ging und die Hungersnot in der Ukraine nicht lediglich eine unintendierte Konsequenz dieser brutalen Politik war. Auch die ukrainische Nation selbst und insbesondere Orte des Widerstandes gegen Stalins Herrschaft, allen voran Kyjiw und Charkiw, standen bewusst im Fokus der Maßnahmen, die zur Hungersnot führten. 

Genozidale Intention und unintendierte Konsequenzen fließen demnach ineinander. Das macht es der historischen Forschung schwer, zu einem “eindeutigen” Ergebnis zu kommen. Das unterscheidet die Wissenschaft, die mit Uneindeutigkeit und Widersprüchen leben kann, von der derzeitigen politischen Debatte, die nun mitten in einem Krieg “festgelegt” hat, dass der Holodomor ein Genozid war.

Heute steht in der Ukraine die Idee der genozidalen Gewalt Russlands stark im Mittelpunkt des kollektiven Gedächtnisses. Zweifellos hat dies mit der Entstehung und Konsolidierung einer eigenständigen ukrainischen Identität zu tun, die sich in Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte und seit den 2000ern gegen die Politik Wladimir Putins formiert hat. Die russische Invasion seit Februar 2022 wird folglich und verständlicherweise als ein weiterer Akt dieser Gewalt gesehen und lässt sich in eine Tradition der russischen Aggression einbetten. 

Interessanterweise ist die gegenwärtige Fixierung der ukrainischen Gesellschaft und Politik auf den Genozidbegriff keine Singularität. Die sozialwissenschaftliche Forschung zu Erinnerungskulturen hat jüngst darauf hingewiesen, dass es in zahlreichen Museen der Gegenwart eine postkommunistische Tendenz der Selbstviktimisierung und der Überbetonung des Genozids gebe. Jenseits der Ukraine lässt sich dies etwa auch in den baltischen Staaten beobachten. In Litauen werden die Verbrechen des Stalinismus bereits als Genozid bezeichnet und ebenso auch musealisiert und memorialisiert. Das Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe in Vilnius steht symbolhaft für diese Entwicklung.

Und auch in Russland wird der Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten zunehmend als Genozid bezeichnet, was eine Abkehr von der früheren Betonung des heroischen antifaschistischen Widerstands bedeutet. Die Figur des Genozids wurde zudem von Wladimir Putin bemüht, um die Invasion der Ukraine zu rechtfertigen, wie absurd sie in diesem Kontext auch sein mag. Laut Putin gelte es, den “Genozid an den Russen im Donbass” zu verhindern.

Das Problem an diesem genocide turn ist, dass er die unterschiedlichen Dimensionen von (Mit-)Täterschaft sowie die Bruchstellen von kollektiver Täterschaft und Opferschaft nicht beschreiben kann. Die Kategorien des eigenen Erinnerns schrumpfen auf Schuld, Täter und Opfer zusammen. Genozid – ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit – ist etwas, das man nicht verzeihen kann. 

Der postkommunistische Drang, die Gewaltgeschichte des eigenen Landes im Vokabular des Genozids wiederzugeben, ist eng mit Prozessen der nationalen Identitätsbildung und der Suche nach außenpolitischer Anerkennung und Unterstützung gekoppelt. Die Anerkennung des Holodomor als Genozid durch den Deutschen Bundestag fügt sich in diese Prozesse ein. Das Ernst-Nehmen der Geschichte(n) postkommunistischer Gesellschaften sollte sich jedoch nicht in den erinnerungspolitischen Konflikten der Gegenwart erschöpfen, sondern auch deren historische Komplexitäten, Bruchstellen und Grauzonen anerkennen.

Kuratorium Ukraine: Krieg

Hera Shokohi, Alexandra Sitenko und Sebastian Hoppe


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Das ist wirklich eine extrem gute Zusammenfassung.  Ich sorge mich seit längerem, wie leichtfertig und undifferenziert mit juristischen Begriffen jongliert wird in der Politik- nicht, weil es um Gesetze geht, sondern weil das Recht extrem politisiert wird. Und das ist der erste Schritt in seinen Missbrauch.

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Dieser Beitrag ist das Beste, was man bislang dazu lesen konnte: ausgewogen, historisierend, kontextualisierend und verkomplizierend. Ich bin sehr dankbar, dass darauf hingewiesen wurde, dass die Definition bereits während ihrer Entstehung eine politisierte war: sie ist ohne den Kalten Krieg nicht zu denken.

Diese Zusammenhänge sind nur wenig bekannt: Lemkins Genozid-Konzept schloss im Verlauf des Kalten Krieges dann doch auch Gewalt im Stalinismus, wie Deportationen und Hungersnot in der Ukraine, ein. So argumentierte er im Jahr 1951: „The Soviet Union was the only country that could be indicted for genocide“.[1]

Lemkin sprach vom „russischem Genozid“, also Verbrechen, die von Russen dezidiert gegen die Bevölkerung Ostmitteleuropas ausgetragen wurden. Lemkin tendierte dazu, das Wort „sowjetisch“ durch „russisch“ zu ersetzen, um tatsächlich die ethnische Komponente beizubehalten.

Eine gute Illustration für die mangelhafte Stichfestigkeit der Argumentation von Lemkin ist zum Beispiel seine These, dass es den Kommunisten deswegen gelungen ist, den Genozid gegen die Menschen im Baltikum durchzuführen, weil die Deutschen bereits die politischen und intellektuellen Führungen Estlands, Lettlands und Litauens beseitigt gehabt hätten. Während der stalinistischen antisemitischen Kampagne in der Sowjetunion und Ostmitteleuropa sprach Lemkin über den „kommunistischen Genozid gegen Juden“.

Die treuesten Verbündeten fand Lemkin in den Exil-Gemeinschaften der baltischen Staaten, die seine Kritik an der Sowjetunion auch finanziell unterstützten. Die Exilgemeinschaft der baltischen Länder inkorporierte den Begriff ziemlich bald in ihre politische Sprache. Der Genozid-Begriff wurde alsdann ein fester Bestandteil der Kalten-Kriegs-Rhetorik und entwickelte sich zu einem „Gummi-Wort“ für all die Formen der Repression - vor allem der kommunistischen.

Ich möchte auf die gegenwärtigen Funktionen des Genozidbegriffes hinweisen. Bezeichnenderweise unterscheiden sie sich von Land zu Land, was von ihrer enormen Politisierung zeugt.

  1. In Litauen wies der Begriff des Genozids (1992, in Anwendung auf Deportationen während des Stalinismus) den sowjetischen Verfolgungspraktiken viel expliziter als in Nachbarrepubliken einen verbrecherischen Charakter zu. Hier funktionierte der Genozid-Begriff, um die internationale Staatengemeinschaft davon zu überzeugen, die staatliche Souveränität des nachsowjetischen Staates anzuerkennen.

  2. In der Forschung wird zudem auf die weitere Funktion des Genozid-Begriffes hingewiesen: die Auslagerung der Verantwortung bzw. Schuld für Massenverbrechen. Als Ergebnis oder gar Intention eines solchen Schuldexports wird die zornige Reaktion des angeklagten Staates einkalkuliert, was zu Erinnerungskonflikten und diplomatischen Verstimmungen führt. Diese erinnerungskulturellen Zusammenstöße wiederum haben das Potential zu echten Kriegen zu werden. Es ist zu bedenken, dass die inflationäre Nutzung der Begriffe Krieg, Konflikt, Schlachtfeld in Bezug auf Erinnerungskulturen zur self fulfilling prophecy werden kann.

  3. Zudem kann der Genozid-Begriff dafür genutzt werden, eine klare Hierarchie des Leidens und der Opfer aufzubauen, in der die leidensvolle Geschichten der „Anderen“ in den Schatten gedrängt werden können. Der Dreh- und Angelpunkt jeder Geschichtspolitik, die auf Legitimation der „harten Politik“ aus ist, zu vermitteln, wer als „richtige Opfer“ zu gelten hat. Erfolgt es auf ethnischen Prinzipien, werden Diskurse anderer Ethnien ausgeklammert. Ähnlich verfährt es sich mit der Ethnisierung der Täter – im osteuropäischen Fall werden sie „russifiziert“.

  4. Zudem kann der ausschließliche Fokus auf den erlittenen Genozid als Entschuldigung oder „Deckerinnerung“ (Aleida Assmann) für eigene Verbrechen genutzt werden. Wie Koselleck schrieb: „Wenn alle Opfer sind, gibt es keine Täter“. Es können Diskurse wie „Doppelter Genozid“ entstehen: so wie in Litauen der Nachkriegsjahre, wenn die litauische Kollaboration am Holocaust ab 1941 mit dem (vermeintlichen) Verrat der Juden an der litauischen nationalen Idee 1939 entschuldigend erklärt wurde. Hier wurden die antijüdischen Ausschreitungen während der deutschen Besatzung als Revanche für die Verbrechen der Kommunisten verstanden.

    Dass der Begriff Genozid heute Kontroversen auslöst, liegt an der häufigen Mangel an Quellen, um Situationen als genozidal einzustufen. Doch während Historikerinnen und Historiker vorsichtig mit diesem Begriff umgehen, wird diese Einordnung insbesondere durch Politiker sehr schnell vorgenommen. Ein Beispiel dafür ist Situation in Russland.

    Immer mehr entwickelte sich die Erinnerungspolitik, den (fehlenden) Dialog mit den post-sowjetischen Staaten rezipierend, in Richtung der „klassischen“ Selbst-Viktimisierung und der Postulierung der Genozid-These hinsichtlich der deutschen Verbrechen im Krieg gegen die Sowjetunion. In einem Artikel 2019 bezeichnete ich es noch als victim turn in der Geschichtspolitik, nun würde ich es verstärken – es ist seit 2020 tatsächlich ein genocide turn in der Geschichtspolitik: Konstruktion und Vermittlung des Genozid-Begriffes in Bezug auf die Gewalt auf den besetzten Gebieten.

    Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die Menschen auf den deutsch okkupierten Gebieten in der Sowjetunion unter Generalverdacht des Verräters standen und verschiedene Arten von Diskriminierung erfuhren. Nun sind sie nicht nur von diesem Stigma befreit, sondern sind die letzten Zeugen für die Genozid-These. Geschichtswissenschaftlich mag Geschichte deutscher Verbrechen an den Zivilisten auf den besetzten Gebieten der Sowjetunion aufgearbeitet sein. Nun geht es aber um öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber dieser Opfergruppe, die auf verschiedenen Kanälen läuft: durch Denkmalpolitik, Bildungsprojekte, Publikationen und auch der strafrechtlichen Ermittlung gegen die noch lebenden Täter. Das Thema der NS-Verbrechen wird immer aktueller und klingt immer lauter.

    Teilweise war es eine Reaktion zum 75. Jahrestag des Kriegsendes (2020) auf die Umkehr der Opfer- und Täterrollen in den osteuropäischen und in den deutschen Medien und auf das “Vergessen” der Erwähnung der Befreiungrolle der Roten Armee. Immer mehr kam der osteuropäische Diskursrahmen als Orientierung dazu: die Deutung des deutschen Krieges als Genozid an der sowjetischen Bevölkerung wurde zur ultimativen Karte, die nun ausgespielt wurde. Denn: wer Opfer des Genozids ist, kann nur auf der moralisch richtigen Seite der Geschichte stehen ( zu Funktionen siehe oben).

    Die Funktion des Gedenkens an die Opfer genozidaler Gewalt ist eine gänzlich andere wie bei dem Siegesgedenken: Es geht nicht mehr um Versöhnung (zwischen den Siegern und Besiegten), sondern um Ressentiments, Entfremdung, und oft – Vergeltung. Gerade in der letzteren aggressiven Deutung gewann das Geschichtsbild “Genozid” ihre unheimliche Funktionalisierung vor dem russischen Angriff auf die Ukraine 24.2.2022: Es ging, so die russische Führung, um „Genozid“ an den Bewohnern der Ostgebiete durch die Kiewer Militärmacht, und es sollte – wie damals 1945 - darum gehen, diese Gebiete zu „befreien“ und den „Genozid“ zu beenden. Dies ist sicherlich das aktuellste Beispiel dafür, wie der Genozid-Begriff durch die politische Instrumentalisierung entwertet wird und als (auch tatsächliche) Munition in der Auseinandersetzung genutzt wird. Hier kann der sinnentleerte, extrem emotionalisierende Genozid-Begriff zur tatsächlichen genozidalen Gewalt führen.

[1] Weiss-Wendt, Anton: Hostage of Politics: Raphael Lemkin on “Soviet Genocide”. In: Journal of Genocide Research 7(4) /2005, S. 551-559. hier S. 551.

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Sehr treffend analysiert, dass die Politisierung bereits in der Begriffsgeschichte selbst sichtbar wird. Wer die Stellungnahmen der letzten Tage verfolgt hat, kann sehen, dass das ein zentraler Aspekt der gegenwärtigen Debatte ist. Martina Winkler hat etwa vorgeschlagen, den politischen Gebrauch des Begriffes und den analytischen, also Politik und Wissenschaft und ihre konkurrierenden Ansprüche, voneinander zu trennen. Ich bin mir nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist, aber Ihr bringt das Problem auf den Punkt. Vielen Dank auch für den Verweis auf Litauen, wir arbeiten gerade an einem Erinnerungsprojekt zum Hitler-Stalin-Pakt genau an diesen Themen und auch an der litauischen Verwendung des Genozid-Begriffs. Bin gespannt, wie die Debatte weitergeht.

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Guter & differenzierter Kommentar, der die Komplexität der Angelegenheit hervorragend auf den Punkt bringt. Hinweis auf die gesamtsowjetische Dimension und insbesondere Kasachstan ist wichtig.

In Sachen BT-Beschluss teile ich die abwägende Position, wie sie etwa von Tanja Penter oder Ricarda Vulpius vorgetragen wurde, dass eine Charakterisierung als “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” ein ebenso starkes politisches Signal des Bundestags gewesen wäre; zudem hätte man damit dem Vorbild des Europaparlaments folgen können, das bereits 2008 eine entsprechen Resolution verabschiedet hat.

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