Deborah Arbes stellt vor:

The Gendering of Language: A Comparison of Gender Equality in Countries with Gendered, Natural Gender, and Genderless Languages

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The Gendering of Language: A Comparison of Gender Equality in Countries with Gendered, Natural Gender, and Genderless Languages

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Geschrieben von Deborah Arbes

Bei te.ma veröffentlicht 17.02.2023

te.ma DOI https://doi.org/10.57964/rbab-nq15

Geschrieben von Deborah Arbes
Bei te.ma veröffentlicht 17.02.2023
te.ma DOI https://doi.org/10.57964/rbab-nq15

Wäre die Welt gerechter, wenn unsere Sprachen kein Geschlecht kennen würden? Grammatisches Genus kommt in den Sprachen der Welt auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck. Können wir anhand dieser Information vorhersagen, wie es um die Geschlechtergerechtigkeit eines Landes bestellt ist? Jennifer Prewitt-Freilino, Andrew Caswell und Emmi Laakso finden in ihrer 2011 erschienenen Studie Antworten auf diese Fragen.

In der Makrostudie, die 111 Länder und die dort jeweils meistgesprochenen Sprachen berücksichtigt, werden zunächst die Genus-Systeme kategorisiert. Theoretisch gibt es viele Möglichkeiten: Nach dem World Atlas of Language Structures (WALS) können Sprachen zwischen null und mehr als fünf Genera unterscheiden. Diese können auf biologischem Geschlecht (Sexus) basieren oder davon unabhängig sein. Eine weitere Komponente der Genus-Kategorie ist, wo sie überhaupt sichtbar wird: Typischerweise an Substantiven, häufig aber auch an Pronomen. Darüber hinaus kann Genus auch an Adjektiven, Verben und Artikeln sichtbar sein, wenn sie mit dem Substantiv kongruieren. Für diese Studie wird die genaue Anzahl der Genera vernachlässigt und nur „vorhanden“ von „nicht vorhanden“ differenziert. Die Unterscheidung bezieht sich auf Substantive und Pronomen; die Frage der Kongruenz mit anderen Wortarten wird nicht berücksichtigt. Es ergeben sich drei Kategorien:     

  • Gendered Language (z.B. Deutsch, Russisch): Substantive sind immer einem grammatischen Genus zugeordnet. Beispiele (de): der Lehrer, die Lehrerin, das Kind (Pronomen: sie, er, es) 

  • Natural Gender Language (z.B. Englisch, Dänisch): Die meisten Substantive sind nicht genusmarkiert. Geschlechter können jedoch u.a. durch Pronomen voneinander unterschieden werden. Beispiele (en): the teacher „der Lehrer/ die Lehrerin“, the waiter „der Kellner“, the waitress „die Kellnerin“ (Pronomen: she, he, it

  • Genderless Language (z.B. Finnisch, Swahili): Für Substantive gibt es keine Genus-Unterscheidung und Pronomen sind ebenfalls geschlechtsneutral. Beispiele (fi): tarjoilija „der Kellner/ die Kellnerin“ (Pronomen: hän er/sie“)

Unter der Prämisse, dass Sprache das menschliche Denken beeinflusst, sind unterschiedliche Wahrnehmungen in Bezug auf Geschlecht in den jeweiligen Sprachgemeinschaften zu vermuten. Inwiefern diese messbar sind, zeigen die Autor*innen zunächst anhand von Ergebnissen vorangegangener, sprachspezifischer Studien (z.B. Wasserman und Weseley1 über Englisch, Spanisch und Französisch). Diese legen unter anderem nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Gendered Languages und Sexismus gibt: Wenn jedem Substantiv ein Genus zugeordnet ist, kann es schwierig sein, neutralere Formen zu finden. In Genderless Languages werden trotz des nicht existenten Genus generische Formen oftmals als maskulin interpretiert, wohingegen Natural Gender Languages die Mittel haben, dieser Interpretation entgegenzuwirken (z.B. durch die Verwendung von Pronomen).

Aber können wir mit der Kenntnis über das Genus-System einer Sprache den Stand der Gleichberechtigung im jeweiligen Land prognostizieren, wo doch so viele andere Faktoren eine Rolle spielen? Die Studie misst Gleichstellung anhand von vier Indikatoren, die zum Global Gender Gap (GGG) zusammengefasst werden: „Economic participation“, „educational attainment“, „health and survival“ und „political empowerment“. Es zeigt sich, dass auch nach dem Herausrechnen von anderen relevanten Faktoren wie geografischer Lage, politischem System und Staatsreligion eine Korrelation zwischen dem Genus-System und dem GGG des jeweiligen Landes besteht. So finden sich die besten durchschnittlichen GGG-Werte in den Ländern, in denen Natural Gender Languages gesprochen werden; in Ländern mit Gendered Languages ist der durchschnittliche GGG-Wert am schlechtesten.

Einige Unsicherheiten bleiben jedoch. Den Leser*innen wird nicht verraten, welche Sprachen überhaupt untersucht worden sind. Dafür muss die dominante Sprache eines Landes erst nachgeschlagen werden, denn in den Tabellen wird nur aufgelistet, welches der drei Genus-Systeme das jeweilige Land verwendet. Ein Blick auf die Natural Gender Languages verrät, dass Englisch gleich mehrfach vertreten ist. Dies ist in vielen Ländern auf die Kolonialisierung zurückzuführen. Auf solche historischen Sachverhalte und ihre potentiellen Auswirkungen geht die Studie allerdings nicht ein.   

Die Hälfte der Länder in der Kategorie Natural Gender Languages befindet sich in Nordwesteuropa. Bei Ländern, die sich teils geografisch und historisch nahe stehen und in denen eng verwandte Sprachen gesprochen werden, ist es schwierig, die verschiedenen Einflüsse voneinander zu trennen und allgemeingültige Ergebnisse abzuleiten. Die Autor*innen sagen selbst, dass es zusätzliche (nicht benannte) Faktoren für die Gendergerechtigkeit geben könnte, die in dieser Studie nicht berücksichtigt wurden. Zusätzlich sei es wichtig, dass sprachliche Veränderungen mit sozialen und politischen Anpassungen einhergehen, um wirkliche Gerechtigkeit zu erreichen. 

Wir sollten also die Ergebnisse der Studie nicht übergeneralisieren. Sie stellen jedoch eine wichtige Grundlage dar, auf der weitere Studien mit vertiefenden Fragestellungen aufbauen können, denn viele Fragen sind noch offen: Wie sehen Prozesse zwischen Sprachwandel und gesellschaftlichen Veränderungen aus? Bisher wurde lediglich eine Korrelation zwischen Genus-Systemen und Geschlechtergerechtigkeit festgestellt. Gibt es Hinweise auf eine Kausalität zwischen den beiden? Und wie können Gemeinschaften mit Gendered Languages und Genderless Languages zu mehr Gleichstellung beitragen, auch wenn sie nicht die optimalen sprachlichen Startbedingungen dafür haben?

Fußnoten
1

B. D. Wasserman, A. J.  Weseley: ¿Qué? Quoi? Do languages with grammatical gender promote sexist attitudes? In: Sex Roles. 61, 2009, S. 634-643.

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Das Genus oder deutsch das grammatische Geschlecht ist eine besonders auffällige Kategorie des deutschen Sprachsystems, da es die Substantive betrifft und Substantive diejenigen Wörter sind, mit denen wir die Dinge beim Namen nennen. Die Genera des Deutschen sind das Femininum, Maskulinum und Neutrum.

Kongruenz (von lat. congruentia „Übereinstimmung“) bezeichnet die Übereinstimmung zusammengehöriger Satzteile in grammatischen Merkmalen. Im Deutschen umfasst die Kongruenz die Kategorien Kasus (Fall), Numerus (Zahl) und Genus (sprachl. Geschlecht).

Eine Makrostudie ist eine Studie, die große Populationen, wie z.B. die Gesamtbevölkerung eines Landes oder mehrerer Länder untersucht, um Aussagen über soziale und gesellschaftliche Phänomene zu treffen.

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