Sharmas historischer Überblick beginnt im Jahr 1536, als Heinrich VIII. durchsetzte, dass in öffentlichen Ämtern und vor Gericht ausschließlich Englisch genutzt werden darf. Trotz dieser Machtausübung von englischer Seite sprach Ende des 19. Jahrhunderts noch mehr als die Hälfte der Bevölkerung Walisisch, manche von ihnen ausschließlich. Dass die Sprache so lange vital blieb, sei nicht zuletzt der Kirche und einer walisischen Bibelübersetzung zu verdanken, argumentiert der Autor. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gab es jedoch nur noch wenige monolinguale Walisisch-Sprechende und der Bevölkerungsanteil der bilingualen Englisch- sowie Walisisch-Sprechenden ging auf unter 50 Prozent zurück. Als Reaktion auf diese Entwicklungen forderte im Jahr 1938 eine Petition, dass Walisisch den gleichen Status wie Englisch bekommen sollte. Mit 360.000 Unterschriften hatte dieser Vorstoß eine bedeutende Wirkung: Durch den Welsh Courts Act von 1942 wurde das Gesetz von Heinrich VIII. geändert und Walisisch durfte erstmals wieder vor Gericht verwendet werden. Dies war jedoch nur möglich, wenn die Verwendung der englischen Sprache einen Nachteil für die Aussagenden dargestellt hätte.
Die Zeit der 1960er bis 1980er war geprägt vom sogenannten
Ebenso wichtig seien aber auch gesetzliche Regelungen, die auf den ersten Blick keine Sprachpolitik im engeren Sinne darstellen. Beispielsweise finden sich in Verordnungen zu Eheschließungen und der Registrierung von Geburten und Todesfällen Hinweise auf den Sprachgebrauch. Hier lautet eine Anweisung aus dem Jahr 1987: „Formulare […] dürfen auf Englisch oder auf Englisch und Walisisch ausgefüllt werden“ („Forms […] may be completed in English or in both English and Welsh“). Die Nutzung des Verbs may („können/dürfen“) erweckt hier laut Sharma den irreführenden Eindruck, dass die Sprechenden eine Wahl hätten, welche Sprache sie verwenden möchten. Es könne jedoch nicht als Wahl angesehen werden, wenn Englisch in beiden Optionen vorkommt.
Im „Government of Wales Act“ von 2006 erkennt Sharma einen bedeutenden Richtungswandel in der Sprachpolitik: Im Rahmen der sogenannten
In einigen legislativen Texten finden sich mittlerweile auch Formulierungen, die nicht nur die Rechte der walisischsprachigen Bevölkerung, sondern auch andere sprachliche und kulturelle Hintergründe berücksichtigen. So werden z.B. in Regelungen für Gesundheitswesen und Sozialhilfe die Begriffe „sprachlicher Hintergrund“ bzw. „sprachliche Bedürfnisse“ („linguistic background“, „linguistic needs“) verwendet, ohne zu spezifizieren, um welche Sprache es sich genau handelt. Dies zeige, dass die walisische Regierung nicht von einer monolingualen „Welsh-only“-Ideologie geprägt sei, sondern anstrebe, Dienste inklusiver und zugänglicher für alle zu gestalten.
In der walisischen Sprachpolitik des 21. Jahrhunderts ist also im Vergleich zum 20. Jahrhundert eine Kehrtwende zu verzeichnen. Anstatt Walisisch im öffentlichen Raum zu unterdrücken oder lediglich zu tolerieren, gibt es nun von Seiten der Regierung Bemühungen, die Sprachkenntnisse der Bevölkerung zu verbessern und Walisisch auch im geschäftlichen Kontext zu fördern. Das Ziel ist, die Anzahl der Walisisch-Sprechenden zu verdoppeln – bis 2050 soll es laut Plan der Regierung eine Million von ihnen geben. Dabei ist der genaue Kenntnisstand nicht festgelegt und das Erlernen der Sprache soll sowohl innerhalb als auch außerhalb der Familie unterstützt werden. Der Autor veranschaulicht die Initiativen der Regierung anhand von kostenlosen Übersetzungsdiensten und geförderten Sprachkursen für Mitarbeitende von Unternehmen. Auch im Bildungsbereich habe sich viel verändert. 1947 öffnete die erste Schule mit Walisisch als Unterrichtssprache ihre Türen – mittlerweile gibt es mehr als 400 davon, und auch an englischsprachigen Schulen ist Walisisch seit 1990 ein obligatorisches Schulfach.
Diese Form von staatlicher Förderung für die Sprache wünschen sich auch Sprechende anderer Minderheitensprachen. Beispielsweise ist der Niederdeutsch-Unterricht an deutschen Schulen bisher eine Seltenheit, während ein Gerichtsurteil im Juni 2023 besagte, dass Arbeitslose kein Recht darauf haben, Schreiben des Jobcenters auf Niederdeutsch zu erhalten. Die Situation in Wales stellt dementsprechend für viele Gemeinschaften ein Vorbild dar. Sharma betont, dass jene wichtigen Gesetze, die den Spracherhalt unterstützen, den walisischsprechenden Menschen und ihrem Graswurzel-Aktivismus zu verdanken sind.